Säumniszuschläge auf Insolvenzforderungen sind nachrangige Forderungen

31.05.2001

Sozialgericht Köln, Urteil vom 31.5.2001 - S 10 ( 28 ) AL 303/00

Säumniszuschläge der Träger der Sozialversicherung auf vor lnsolvenzeröffnung entstandene Beitragsschulden sind nachrangige Forderungen gemäss § 39 Abs. 1 Nr. 3 InsO.

Die Beteiligten streiten darüber, ob der Feststellungsbescheid der Beklagten vom 1.9.2000 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17.11.2000 rechtmäßig ist.

Uber die Firma F. wurde am 4.5.1999 beim AG Bonn ein Insolvenzverfahren eröffnet. Der Kläger ist der Insolvenzverwalter. Die Beklagte meldete Forderungen zur Winterbauumlage einschliesslich Nebenkosten iin Höhe von 991,46 DM und Säumniszuschläge aus dem Berechnungszeitraum bis 3.5.1999 als Insolvenzforderungen nach § 38 JnsO an. Diese Forderung ist vom lnsolvenzverwalter - dem Kläger - in voller Höhe festgestellt worden.

Mit Leistungsbescheid vom 11.8.2000 machte die Beklagte Säumniszuschläge für die Zeit nach Konkurseröffnung iin Höhe von 135 DM geltend. Sie wies darauf hin, dass bei Masseunzulänglichkeit die Reduzierung um die Hälfte erfolgen werde. Es handele sich um Masseschulden.

Nachdem der Kläger im Widerspruchsschreiben auf die Neuregelung nach der InsO hingewiesen hatte, erteilte die Beklagte unter dem 1.9.2000 einen Feststellungsbescheid. Auch die ab Insolvenzeröffnung anfallenden Säumniszuschläge stünden im Rang nach § 38 InsO. Es handele sich um Säumniszuschläge für die Zeit vom 4.8.1999 bis 10.8.2000.

Das Bundessozialgericht habe am 4.3.1999 (Az.: B 11 / 10 AL 5/98 R) entschieden, dass die Erhebung von Säurnniszuschlägen nach § 24 SGB IV während des Insolvenzverfahrens rechtmäßig sei. Das gelte auch für die Erhebung von Säumniszuschlägen während des laufenden Insolvenzverfahrens.

Säumniszuschläge seien Insolvenzforderungen nach § 38 InsO. Den Widerspruch des Klägers, den dieser unter Hinweis auf § 39 InsO zurückwies, weil Säumniszuschläge auf Insolvenzforderungen für die Zeit nach Insolvenzeröffnung nachrangige Insolvenzforderungen seien, wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 17.11.2000 als unbegründet zurück. Säumniszuschläge zur Winterbauumlage seien nicht mit Zinsen gleichzusetzen, die als nachrangige Forderungen im Sinne des § 39 Abs. 1 Nr. 1 InsO einzustufen wären. Sie teilten vielmehr das Schicksal der Hauptforderung. Die Beklagte sei auch zur Erhebung von Säumniszuschlägen verpflichtet. Dies ergebe sich aus § 24 SGB V. Ein Ermessensspielraum sei nicht gegeben. Säumniszuschläge müssten auch im Fall der Insolvenz erhoben werden.

Auf das Urteil des BSG (a.a.O.) wurde ausdrücklich hingewiesen. Am 22.12.2000 hat der Kläger Klage erhoben.

Der Feststellungsbescheid sei rechtswidrig. Bei den Säumniszuschlägen handelte es sich entgegen der Auffassung der Beklagten nicht um Insolvenzforderungen im Sinne von § 38 InsO. Die lnsO weise derartigen Forderungen allenfalls den Nachrang nach § 39 InsO zu. Säumniszuschläge hätten Zinscharakter.

Selbst wenn man die Gleichsetzung der Zinsen verneine, ergebe sich der Nachrang aus § 39 Abs. 1 Nr. 3 JnsO. Diese Einstufung würde dem von der Beklagten unterstrichenen Druck- und Strafzweck entsprechen.

Im Termin der mündlichen Verhandlung und Entscheidung, zu der der Kläger ausweislich Empfangsbekenntnis zu Händen seines Bevollmächtigten unter dem 25.4.2001 benachrichtigt worden ist, ist für ihn niemand erschienen, er hat sein Nichterscheinen auch nicht entschuldigt.

Schriftsätzlich hat er beantragt, den Bescheid der Beklagten vom 1.9.2000 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17.11.2000 aufzuheben.

Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Sie verbleibt bei ihrer im Widerspruchsbescheid dargelegten Auffassung.

Entscheidungsgründe:

Das Gericht konnte in der Sache entscheiden, obwohl für den Kläger niemand erschienen ist. Er ist ausweislich Empfangsbekenntnis zu Händen seines Bevollmächtigten vom Termin unterrichtet worden und darauf hingewiesen worden, dass auch ohne ein Erscheinen von seiner Seite mündlich verhandelt und entschieden werden könne. Damit lagen die Voraussetzungen für eine Entscheidung aufgrund einseitiger mündlicher Verhandlung vor (§ 124 Abs. 1 SGG).

Die Klage ist begründet.

Der Kläger wird durch den angefochtenen Bescheid der Beklagten vom 1.9.2000 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17.11.2000 beschwert.

Die Entscheidung der Beklagten ist fehlerhaft. Die nach § 24 SGB IV zwingend von der Beklagten zu erhebenden Säumniszuschläge teilen nicht den gleichen Rang wie die Hauptforderung und die Säumniszuschläge bis zum Zeitpunkt der Konkurseröffnung.

Die Rechtslage hat sich insofern durch das In-Kraft-Treten der InsO zum 1.1.1999 geändert. Da der Antrag auf Konkurseröffnung auch im Jahre 1999 gestellt wurde, nämlich am 6.2.1999, ist das neue Insolvenzrecht - anders als in dem Fall, der der Entscheidung des BSG zugrunde lag - anzuwenden. Die Änderung der Rechtslage durch In-Kraft-Treten der InsO hat erhebliche Bedeutung für die Sozialversicherungsträger. Beitragsansprüche, Umlagen und Säumniszuschläge waren für die Zeit nach Konkurseröffnung Masseschulden nach § 59 Abs. 1 Nr. 1 und 2 KO, für die letzten 6 Monate vor Konkurseröffnung Masseschulden nach § 59 Abs. 1 Nr. 3e KO und für den 7. - 12. Monat vor Konkurseröffnung bevorrechtigte Konkursforderungen nach § 61 Abs. le KO. Die Masseschulden waren nach § 57 KO aus der Konkursmasse vorweg zu befriedigen, d.h. vor allen anderen Konkursforderungen auch den Bevorrechtigten nach § 61 KO. Nach der ab 1.1.1999 geltenden InsO, die die KO abgelöst hat, ist die Vorrangstellung der Versicherungsträger weggefallen. Das dem Schuldner z.Zt. der Eröffnung des Insolvenzverfahrens gehörende und während des Verfahrens erworbene Vermögen - Insolvenzmasse -‚ dient der gleichmäßigen Befriedigung aller z.Zt. der Verfahrenseröffnung begründeten Vermögensansprüche - Insolvenzgläubiger - und damit auch der zu diesem Zeitpunkt bestehenden Beitragsforderungen der Versicherungsträger. Eine bevorrechtigte Stellung einzelner Gläubiger gibt es nicht mehr (vgl. zum Gesamtkomplex Hauck/Haines. SGB IV, Anm. 6 und 7 zu § 22 SGB IV, App. in die Sozialgerichtsbarkeit 1995, S. 61 f.).

Insolvenzforderungen sollen nur die Forderungen sein, die z.Zt. der Verfahrenseröffnung begründet waren (§ 38 InsO).

Die geltend gemachte Forderung ist nachrangig, sie fällt unter § 39 Abs. 1 Nr. 3 InsO. Wie das BSG in der o.a. Entscheidung ausführlich dargelegt hat, haben die Säumniszuschläge eine doppelte Zweckbestimmung. Sie dienen dazu, den Trägern der Sozialversicherung einen gesetzlich standardisierten Mindestschadensausgleich zu gewähren und zugleich Druck auf den Schuldner auszuüben. Im Konkursverfahren entfällt der Zweck der Säumniszuschläge bei bestehender Masseunzulänglichkeit jedenfalls nicht vollständig. Das Entfallen des Zwecks "Druckmittel" wird durch den Erlass der Hälfte der verwirkten Säumniszuschläge ermessensgerecht berücksichtigt. Demgegenüber bleibt die Funktion der Säumniszuschläge als Gegenleistung für verspätete Zahlungen, fälliger Steuern und als Aufwendungsersatz für die Verwaltung unberührt. Somit ist auch durchaus denkbar, dass die Säumniszuschläge teilweise unter § 39 Abs. 1 Nr. 1 InsO fallen, also laufenden Zinsen gleichzusetzen sind. Denn Zinsen sind regelmäßig eine Gegenleistung für das Verwaltungsverfahren in Form von Aufwendungsersatz. Da die Beklagte hier ausdrücklich darauf hingewiesen hat, dass sie bei Masseunzulänglichkeit die Forderung um die Hälfte reduzieren will, verbliebe dann nur noch die Berücksichtigung als Zinsen vergleichbar, nicht mehr als Druckmittel, ähnlich wie Zwangsgelder.

In jedem Fall handelt es sich aber um eine nachrangige Forderung.

Diese Entscheidung entspricht auch der Rechtsauffassung des BSG in seiner o.a. Entscheidung. Die Beklagte stützt ihre Rechtsansicht zu Unrecht auf dieses Urteil. Es heißt dort nämlich ausdrücklich:

"Etwas anderes ergibt sich auch nicht daraus, dass nach der InsO vom 5.10.1994 Umlageforderungen der Beklagten für die Zeit vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens und damit auch Säumniszuschläge auf diese nicht zu den vorweg zu berichtigenden Masseverbindlichkeiten zählen. Denn auch auf Konkursverfahren, die wie hier vor dem 1.1.1999 beantragt sind, und deren Wirkungen sind nach Art. 103 des Einführungsgesetzes zur InsO vom 5.10.1994 weiter die bisherigen gesetzlichen Vorschriften anzuwenden". Das BSG hat damit schon den Unterschied zwischen den Regelungen der KO und der lnsO zu erkennen gegeben. Säumniszuschläge auf Umlageforderungen für die Zeit vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens sind nicht mehr vorrangig.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Angesichts der Entscheidung des BSG sah das Gericht keine Veranlassung mehr, die ausgeschlossene Berufung im Urteil zuzulassen.

Sozialgericht Köln, Urteil vom 31.5.2001 - S 10 ( 28 ) AL 303 / 00

Fundstelle: ZInsO 2001, 631 - 632

Kommentar:

Endlich liegt zu diesem wichtigen Thema eine Entscheidung eines Sozialgerichtes vor. Fast in jedem eröffneten Insolvenzverfahren, wo Träger der Sozialversicherung als Insolvenzgläubiger beteiligt sind, kommt es zum Streit, weil diese Träger auch für die Zeit nachInsolvenzeröffnung fleissig Säumniszuschläge für ihre Insolvenzforderungen beim Insolvenzverwalter / Treuhänder anmelden, während hingegen alle anderen Gläubiger auf weiterlaufende Zinsen verzichten müssen.

Durch dieses Urteil ist somit klargestellt, dass die Träger der Sozialversicherung den anderen Insolvenzgläubigern gleichgestellt werden und für alle Gläubiger ab Insolvenzeröffnung de facto ein Zinsstop gilt. Folglich müssen ( was sie in der Regel bisher schon getan haben ), Insolvenzverwalter und Treuhänder Säumniszuschläge ab Eröffnung des Verfahrens bestreiten. Auch der Schuldner oder sein Verfahrensbevollmächtigter sollten darauf achten, ob dies geschieht.

Michael Schütz

7.9.2001