Kein Anspruch auf Prozesskostenvorschuss durch Ehegatten bei vorehelichen Schulden

01.07.2002

LG Köln, Beschluss vom 1.7.2002 – 19 T 83 / 02

Leitsatz des Kommentators:

Es ist fraglich, ob der Anspruch auf Prozesskostenvorschuss gegen den leistungsfähigen Ehegatten gemäss § 1360 a Abs. 4 BGB Vorrang vor der Kostenstundung nach § 4 a InsO hat. Keinesfalls besteht jedoch ein Anspruch auf Prozesskostenvorschuss dann, wenn die Schulden aus vorehelicher Zeit stammen.

LG Köln, Beschluss vom 1.7.2002 – 19 T 83 / 02

Fundstelle: ZInsO 2002, 684

Die Schuldnerin hat am 31.5.2001 unter gleichzeitiger Vorlage eines Schulden-bereinigungsplans den Antrag gestellt, das Verbraucherinsolvenzverfahren über ihr Vermögen zu eröffnen und ihr Restschuldbefreiung zu erteilen. Nachdem nicht mehr als die Hälfte der Gläubiger dem Schuldenbereinigungsplan zugestimmt haben, hat das Amtsgericht mit Beschluss vom 7.12.2001 festgestellt, dass das Schuldenbereinigungsplanverfahren gescheitert sei und das Verfahren über den Eröffnungsantrag wieder aufgenommen werde. Gleichzeitig hat es der Schuldnerin die Zahlung eines Vorschusses von 2.500 DM zur Deckung der Verfahrenskosten anheimgestellt, weil andernfalls der Eröffnungsantrag mangels Masse abgewiesen werden müsse. Unter dem 21.12.2001 hat die Schuldnerin daraufhin beantragt, ihr die Verfahrenskosten für das Insolvenzverfahren zu stunden.

Mit Beschluss vom 27.3.2002, der Schuldnerin zugestellt am 4.4.2002, hat das Amtsgericht den Antrag der Schuldnerin auf Bewilligung der Stundung der Verfahrenskosten für das Hauptverfahren zurückgewiesen, weil ihr Ehemann in der Lage sei, den erforderlichen Verfahrenskostenvorschuss aufzubringen.

Der hiergegen gerichteten sofortigen Beschwerde der Schuldnerin vom 12.4.2002, bei Gericht eingegangen am 18.4.2002, mit der die Schuldnerin vorgetragen hat, ihr Ehemann sei aus den dem Insolvenzantrag zugrunde liegenden Schuldverhältnissen nicht mitverpflichtet, zudem gefährde eine etwaige Vorschusszahlung durch diesen dessen eigenen angemessenen Unterhalt, hat das Amtsgericht mit Beschluss vom 6.6.2002 nicht abgeholfen und die Akten der Kammer zur Entscheidung vorgelegt. Zur Begründung hat es ausgeführt, unter Berücksichtigung des Gesamteinkommens der Familie der Schuldnerin habe diese jedenfalls gemäss § 1360a Abs. 4 BGB einen Anspruch auf Zahlung eines Verfahrenskostenvorschusses gegen ihren Ehegatten, der eine Stundung der Verfahrenskosten ausschließe.

Die sofortige Beschwerde der Schuldnerin ist gemäss §§ 4, 4d InsO, §§ 567 ff. ZPO zulässig. Einschlägig ist die neue Fassung der ZPO, weil die angefochtene Entscheidung nach dem 1.1.2002 der Geschäftsstelle des Amtsgerichtes übergeben worden ist.

In der Sache selbst ist sie vorläufig begründet.

Zwar hat das Amtsgericht zu Recht auch in Ansehung der Bestimmung des § 4a Abs. 3 Satz 2 InsO bereits im gegenwärtigen Zeitpunkt über die Stundung der Verfahrenskosten für das Hauptverfahren entschieden. Nachdem das Schuldenbereinigungsplanverfahren gescheitert ist und nach den Angaben der Schuldnerin von deren Zahlungsunfähigkeit auszugehen ist, steht nämlich die Entscheidung über die Eröffnung des Hauptverfahrens im konkreten Fall unmittelbar bevor.

Die Stundung der Verfahrenskosten für das Hauptverfahren darf der Schuldnerin aber nicht mit der Begründung versagt werden, sie habe gemäss § 1360a Abs. 4 BGB einen Anspruch gegen ihren Ehegatten auf Zahlung eines Verfahrenskostenvorschusses.

Dahinstehen kann insoweit, ob im Fall des Bestehens eine entsprechenden Anspruchs dieser überhaupt bei der Entscheidung über die etwaige Stundung der Verfahrenskosten zu berücksichtigen ist, oder ob es vielmehr in einem solchen Fall dem nach der Eröffnung zu bestellenden Treuhänder obliegt, die Werthaltigkeit des familienrechtlichen Vorschuss-anspruchs zu überprüfen und ihn ggf. zur Masse zu ziehen (so Grote, in : ZInsO 2002, 179, 181; wohl auch Kohte, in : Frankfurter Kommentar zur Insolvenzordnung, 3. Aufl., § 4a Rn. 10).

Für die letztgenannte Auffassung spricht jedenfalls nach dem Dafürhalten der Kammer, dass § 4a InsO seinem Wortlaut nach ausdrücklich nur auf das Vermögen des Schuldners selbst, nicht aber auf die Leistungsfähigkeit etwa vorhandener unterhaltspflichtiger Familien-angehöriger abstellt. Auch darf insoweit nicht übersehen werden, dass die bei einer Entscheidung über die Stundung der Verfahrenskosten anzuwendenden Grundsätze die im Falle einer Bewilligung von PKH gemäss §§ 114 ff. ZPO zu berücksichtigenden Voraussetzungen, denen zufolge das Bestehen eines familienrechtlichen Vorschussanspruchs stets die Bedürftigkeit und damit zugleich die Bewilligung der PKH ausschließt, auf das Insolvenzverfahren nicht ohne weiteres übertragbar sind, weil diesem die Überschuldung und damit die finanzielle Bedürftigkeit des Schuldners immanent ist, was den Gesetzgeber gerade zur Einführung der §§ 4a ff. InsO veranlasst hat.

Diese Frage braucht jedoch im Ergebnis nicht entschieden zu werden, nachdem jedenfalls ein Anspruch der Schuldnerin auf Zahlung eines Verfahrenskostenvorschusses gegen ihren Ehegatten gemäss § 1360a Abs. 4 BGB nicht besteht.

Voraussetzung für einen Vorschussanspruch nach der vorgenannten Gesetzesbestimmung ist nämlich stets, dass die rechtliche Angelegenheit, wegen derer die Vorschusszahlung beansprucht wird, ihre Wurzeln in der ehelichen Lebensgemeinschaft hat und eine enge persönliche Verbindung zwischen dem Rechtsstreit der unterhaltspflichtigen Person und den Bedürfnissen des Ehegatten besteht. Daran fehlt es jedenfalls in Fällen, in denen wie hier die Eröffnung des Insolvenzverfahrens aufgrund von Schuldverpflichtungen aus vorehelichen Zeiten beantragt wird (vgl. Grote, ZInsO 2002, 180 f.).

Demgemäss wird unter Berücksichtigung der vorstehende Gründe über die Bewilligung der Verfahrenskostenstundung neu zu entscheiden sein, wobei die Kammer bereits jetzt darauf hinweist, dass nach ihrem Dafürhalten Umstände, die für eine ablehnende Entscheidung über die Stundung sprechen könnten, jedenfalls gegenwärtig nicht ersichtlich sind.

Da die Entscheidung des Insolvenzgerichts derzeit noch ungewiss ist, muss auch die Entscheidung über die Kosten der Beschwerde zurückgestellt werden; auch sie wird dem Amtsgericht übertragen.

Kommentar:

Leider hat sich das LG Köln in diesem Beschluss nicht ganz eindeutig zu der ( derzeit sehr umstrittenen ) Frage geäussert, ob denn der Prozesskostenvorschussanspruch gegenüber dem leistungsfähigen Ehegatten tatsächlich ( so jedenfalls die Meinung vieler Amtsgerichte ) dem Anspruch auf Stundung der Verfahrenskosten vorgeht. Für den Bereich der Gewährung von PKH ist dies so geregelt und entspricht ständiger Rechtsprechung. Das LG Köln weist zu Recht darauf hin, dass es sich bei der Stundung eben nicht um eine echte PKH handelt, sondern im Prinzip nur um das Absehen von einer Vorschussanforderung.

In der Praxis der meisten Insolvenzgerichte muss deshalb der Schuldner Angaben zu den finanziellen Verhältnissen des Ehegatten machen, wenn er eine Stundung erhalten will. Ist der Ehegatte selber überschuldet, auch im Insolvenzverfahren oder ( auf Basis der PKH-Regelungen ) nicht leistungsfähig, entfällt der Anspruch auf Prozesskostenvorschuss.

Das LG Köln hat jetzt zumindest klargestellt, dass der ( leistungsfähige ) Ehegatte dann nicht zahlen muss, wenn es sich um voreheliche Schulden handelt. Ob er dann zahlen müsste, wenn es sich um Schulden handelt, die während der Ehe entstanden sind, bleibt weiterhin unklar.

Michael Schütz
30.7.2002