Stromschulden

02.04.2012

Zweite Priorität: Warm und hell muss es bleiben!

Die Belieferung der Verbraucher mit Strom, Wasser und Heizung ist so wichtig, dass einerseits die Kosten dafür vor allen anderen Schulden zu bezahlen sind, und dass andererseits die wesentlichen Anschluss- und Lieferbedingungen bundeseinheitlich festgelegt sind.

Die Energie und Wasserversorgung erfolgt auf der Grundlage privater Kaufverträge (vgl. §§ 433 ff. BGB).
Daraus ergibt sich für den Energielieferanten die Verpflichtung, jederzeit Energie zu liefern und für den Verbraucher die Verpflichtung, den dafür vereinbarten Preis auch zu zahlen.
Hinweis zur Verjährung: Die Zahlungsansprüche verjähren nach drei Jahren, beginnend mit dem Ende des Jahres, in dem der Anspruch fällig wurde.
Energieschulden stellen - wie die Mietschulden - eine existentielle Bedrohung für Schuldner und deren Angehörige dar und können den Beratungsprozess gefährden.
Der Stromlieferant kann nämlich die Energiezufuhr sperren, wenn nicht gezahlt wurde.
Das geht allerdings nur unter folgenden Voraussetzungen, die in den Grundversorgungsverordnungen (GVV) Gas und Strom geregelt sind.

  • Eine Mahnung muss ergangen sein. Die Versorgung darf erst dann unterbrochen werden, wenn ein fälliger Anspruch angemahnt wurde. Die Fälligkeit tritt frühestens zwei Wochen nach Zugang der Zahlungsaufforderung ein.

  • Die Sperre muss angedroht worden sein. In der Regel enthält die Mahnung auch gleichzeitig die Sperrandrohung. Die Androhung der Sperre ist von der Ankündigung zu unterscheiden.

  • Der Verbraucher muß mit mindestens 100 € im Rückstand sein.

  • Die Energiesperre darf nicht vor Ablauf von 4 Wochen nach Zugang der Sperrandrohung erfolgen.

  • Die Sperrung der Energielieferung muss drei Tage vor Beginn der Sperrung angekündigt werden.

Bei der Sperrung der Energiezufuhr handelt es sich um das nachhaltigste Instrument, dass dem Energielieferanten zur Verfügung steht, um an sein Geld zu kommen. Nur der Vollständigkeit halber sei noch erwähnt, dass es auch die Möglichkeit der Kündigung des Vertrages durch den Energieversorger gibt. Dies kommt aber kaum vor.

Wie kann eine drohende Liefersperre abgewendet werden?

Salopp formuliert, könnte es so lauten. Fließt Geld in die eine Richtung, dann fließen Strom und Gas in die andere Richtung. Natürlich können auch Stundungsvereinbarungen getroffen oder Ratenzahlungsvereinbarungen angeboten werden.

    Als Möglichkeiten der Tilgung bieten sich an:

  • eine Einmalzahlung etwa aus dem 13. Monatsgehalt oder der Steuerrückerstattung

  • eine ratenweise Abzahlung der aufgelaufenen Zahlungsrückstände durch Abzweigen von Einkommensbestandteilen
  • Einsatz von Drittmitteln

Hinweis: Bei allem Bemühen um den Ausgleich der Zahlungsrüstände ist die Überweisung der laufenden monatlichen Abschlagszahlungen sicherzustellen.
Eine Energiesperre darf niemals unverhältnismäßig sein. Die Folgen, die durch die Sperrung der Energiezufuhr ausgelöst werden, dürfen nie außer Verhältnis zum Umfang der aufgelaufenen Zahlungsrüstände stehen. Die Prüfung der Zumutbarkeit der Energiesperre ist Verpflichtung des Energieversorgers und zwar unabhängig davon, ob der Kunde Gründe darlegt, oder nicht.
Die Sperrung der Energielieferung könnte möglicherweise unverhältnismäßig erscheinen, wenn...

  • der Rückstand sehr gering ist und Aussicht besteht, dass Sie bald zahlen können (wenn Geld vom Finanzamt kommt oder die Situation z.Zt. mit Hilfe einer Schuldnerberatungsstelle geklärt werden kann)
  • kleine Kinder, kranke, behinderte, schwangere oder alte Angehörige da sind und deshalb die Energie nicht gesperrt werden darf
  • die Tiefkühltruhe voll ist, von der die Familie lebt
  • die Gefahr einfrierender Leitungen besteht
  • Gesundheitsschädigungen drohen, weil die Heizung nicht ans Laufen kommt
  • die Existenzgrundlage gefährdet ist. Stichwort: Heimarbeit, Anfertigen der Examensarbeit, Heimarbeitsplatz erfordert ein funktionierendes Telefon

Obwohl der Energieversorger auch ohne Ihr Zutun verpflichtet ist, die Zumutbarkeit der Energiesperre zu prüfen, ist es sicher nicht verkehrt, wenn Sie dessen Prüfung durch Vorbringen von Argumenten mit einem Schreiben an den Energielieferanten unterstützten. Dabei können Sie sich einerseits auf die Verpflichtung des Energieversorgers und andererseits auf die Sozialklausel in den Tarifbedingungen berufen.
Legen Sie also dar, warum eine Energiesperre für Sie nicht zumutbar ist.
Wenn alle Stricke reißen, können Sie beim Amtsgericht eine einstweilige Anordnung auf Weiterversorgung beantragen. Dabei müssen Sie allerdings die obigen Gründe plausibel darlegen und auch deutlich machen, dass Sie in Zukunft Ihre Stromrechnungen bezahlen werden.
Eine hinreichende Zahlungsaussicht schließt eine Liefersperre aus.
Kann der Kunde glaubhaft darlegen, daß er sämtliche Zahlungsrückstände begleichen wird, ist eine Liefersperre vom Tisch. Da nicht jedem ein freundlicher reicher Mitmensch als Sponsor zur Verfügung steht, könnte sich durch die aufgelaufenen Energieschulden ein Anspruch auf Sozialleistungen ergeben.

Übernahme von Energieschulden bei Beziehern von Sozialleistungen nach SGB II

Die Übernahme von Miet- und Energiekosten ist im § 22 Abs. 4 SGB II geregelt:
(Gesetzestext: Die Kosten für Unterkunft und Heizung sollen von dem kommunalen Träger an den Vermieter oder andere Empfangsberechtigte gezahlt werden, wenn die zweckentsprechende Verwendung durch den Hilfebedürftigen nicht sichergestellt ist).
Die Übernahme von Schulden, die aus Miet- und Energiekosten entstanden sind, ist in § 22, Abs. 8 SGB II geregelt.
(Gesetzestext:"Sofern Leistungen für Unterkunft und Heizung erbracht werden, können auch Schulden übernommen werden, soweit dies zur Sicherung der Unterkunft oder zur Behebung einer vergleichbaren Notlage gerechtfertigt ist. Sie sollen übernommen werden, wenn dies gerechtfertigt und notwendig ist und sonst Wohnungslosigkeit einzutreten droht. Vermögen nach § 12 Abs. 2 Nr. 1 SGB II ist vorrangig einzusetzen. Geldleistungen sollen als Darlehen erbracht werden.)"

Zu beachten ist also: Die Energieschulden werden nur auf Darlehensbasis übernommen. Das heißt, Sie zahlen die Schulden ab, indem Sie weniger SGB-II-Leistungen ausgezahlt bekommen.

Übernahme von Engergieschulden für andere Personengruppen

Empfänger von Leistungen nach SGB XII (Grundsicherung für Erwerbsunfähige und im Alter) und Erwerbstätige:
§ 34 Abs. 1 SGB XII:
"(1) Schulden können nur übernommen werden, wenn dies zur Sicherung der Unterkunft oder zur Behebung einer vergleichbaren Notlage gerechtfertigt ist. Sie sollen übernommen werden, wenn dies gerechtfertigt und notwendig ist und sonst Wohnungslosigkeit einzutreten droht. Geldleistungen können als Beihilfe oder als Darlehen erbracht werden."

Wann kommt wieder Strom aus der Steckdose und Gas aus dem Hahn??

Sind die Gründe für die Liefersperre entfallen, muss die Lieferung sofort wieder aufgenommen werden.

Vertragswechsel oder Anbieterwechsel: Möglichkeiten und Risiken:

Der Abschluss eines neuen Liefervertrages durch einen anderen, zahlungskräftigen Haushaltsangehörigen ist natürlich immer eine Alternative. Sollten Sie über einen Anbieterwechsel nachdenken, sollten Sie Folgendes beachten:

  • Bis zur Energielieferung auf Rechnung des neuen Lieferanten können mehrere Wochen vergehen, weil der lokale Netzbetreiber nach seiner Beauftragung durch den neuen Energielieferanten einen ganzen Monat lang Zeit hat, den Beginn der Lieferung sicherzustellen. Es kann also ganz schön lange dauern, bis der "farbige" Strom in Fluss kommt.
  • Sollte Ihnen nachgewiesen werden können, dass Sie einen neuen Lieferanten beauftragen, obwohl Ihnen klar ist, dass sie nicht zahlen können, drohen wegen Eingehungsbetrugs strafrechtliche Konsequenzen.
  • Noch prüfen nicht alle Energielieferanten die Zahlungsfähigkeit ihrer Neukunden. So langsam beginnen sie aber, sich der Hilfe namhafter Inkassounternehmen zu bedienen. Da hol mich doch der Teufel, wenn das nicht der Einstieg in die Bonitätsprüfung der Neukunden ist, wenn Inkassobüro und Auskunftei im gleichen Haus sitzen.
  • Zum guten Schluss noch etwas Positives: Der Netzbetreiber muss den gesperrten Anschluss selbst dann wieder in Betrieb nehmen, wenn das im gleichen Haus ansässige Unternehmen, das dafür zuständig ist, den Strom durch die Leitung zu schicken, noch offene Forderungen gegen den Kunden geltend macht. Wie gut, dass es den § 14, Abs. 6 in der Stromnetzzugangsverordnung gibt.