Arbeitslosigkeit führt am häufigsten zur Überschuldung

21.10.2008

Arbeitslosigkeit ist in Deutschland der häufigste Auslöser für eine Überschuldungssituation bei Privatpersonen. Im Jahr 2007 wurde sie von knapp 30% der in Schuldnerberatungsstellen beratenen Personen als Hauptgrund für ihre Überschuldung genannt. Auch andere Ereignisse wie zum Beispiel Trennung, Scheidung sowie Tod des Partners oder der Partnerin (14%), Erkrankung, Sucht oder Unfall (10%) führten zu kritischen finanziellen Situationen. 44% der überschuldeten Personen lebten allein und waren somit nicht direkt in eine Familie eingebunden. Damit waren Single-Haushalte, die einen Anteil von 38% an allen Haushalten ausmachten, überproportional von Überschuldung betroffen.
Diese und weitere Informationen zur Überschuldung privater Personen und zur Schuld­nerberatung haben Roderich Egeler, Präsident des Statistischen Bundesamtes, und Heribert Rollik, Sprecher der Arbeitsgemeinschaft Schuldnerberatung der Verbände (AG SBV), heute in Berlin bei einer gemeinsamen Pressekonferenz vorgestellt.
212 von insgesamt rund 950 Schuldnerberatungsstellen beteiligten sich 2007 an der Überschuldungsstatistik des Statistischen Bundesamtes; sie stellten anonymisierte Angaben von rund 57 000 überschuldeten Personen mit deren Einverständnis bereit. Der Präsident des Statistischen Bundesamtes, Roderich Egeler, betonte, dass die Daten dabei direkt bei der Beratung anfielen und ohne zusätzliche Belastung der Beratungsstellen mit dem Online-Meldeverfahren eSTATISTIK.core übermittelt wurden.
Bei mehr als der Hälfte der überschuldeten Personen (56%) lag 2007 das monatliche Nettoeinkommen unter 900 Euro und damit unter der Pfändungsfreigrenze, die derzeit 990 Euro beträgt. Bei den alleinstehenden Frauen und Männern mussten sogar fast drei Viertel der überschuldeten Personen mit einem Nettoeinkommen unter 900 Euro auskommen. Nur rund 3% aller überschuldeten Personen hatten Einkünfte von mehr als 2 000 Euro pro Monat. Zusammen mit den Einkünften der übrigen Haushaltsmitglieder verfügten überschuldete Personen 2007 über ein monatliches Nettoeinkommen von durchschnittlich 1 165 Euro. Über ein Drittel davon mussten sie für das Wohnen aufwenden, so dass für den übrigen Lebensunterhalt nur noch rund 750 Euro zur Verfügung standen. 
Heribert Rollik, Sprecher der Arbeitsgemeinschaft Schuldnerberatung der Verbände, wies darauf hin, dass die Überschuldungssituation vieler Familien in Deutschland ein wesentlicher Faktor für ihre Verarmung und soziale Ausgrenzung sei. Das Überschuldungsproblem betreffe nicht ausschließlich soziale Randgruppen, sondern dehne sich auf weite Bevölkerungsschichten aus. Verschuldungsprozesse, die in Überschuldung münden, kämen in allen sozialen Schichten vor. Überschuldung bedeute für die Betroffenen eine völlige Destabilisierung ihrer Existenz. Sie seien Stress und psychischem Druck ausgesetzt und häufig gesundheitlich beeinträchtigt. Materielle und immaterielle Belastungen verstärkten sich gegenseitig. Die kritischen Verhältnisse belasteten Partnerschaften schwer und beeinträchtigten die Entwicklung der Kinder. Eine zunehmende Zahl überschuldeter Menschen habe ohne eine qualifizierte Schuldnerberatung kaum mehr eine Chance, ihre aus Überschuldung resultierenden Probleme zu lösen. Die soziale Schuldnerberatung der Wohlfahrts- und Verbraucher­verbände habe die Funktion einer wirtschaftlichen und sozialen Stabilisierung. 
Zurzeit gibt es in Deutschland etwa 950 Beratungsstellen mit rund 2 000 Beraterinnen und Beratern. Gemessen an der Zahl der überschuldeten Haushalte ist der Bedarf damit bei weitem nicht gedeckt. Wegen der ungenügenden Beratungskapazität ist es derzeit nur zehn bis 15% der ver-/ überschuldeten Menschen möglich, in einer Schuldnerberatungsstelle kostenlose Hilfe zu erhalten. Die derzeitige Finanzierung der Beratungsstellen wird von den Ländern, den Kommunen und – mit dem Einsatz erheblicher Eigenmittel – der Wohlfahrts- und Verbraucherverbände gewährleistet. Vor dem Hintergrund der nach wie vor großen Zahl überschuldeter Haushalte in Deutschland (rund drei Millionen) und der damit einhergehenden enormen sozialen und auch wirtschaftlichen Probleme ist es aus Sicht der Schuldnerberatung dringend notwendig, auch in Zukunft gesicherte statistische Angaben zu den Personen zu bekommen, die die Schuldnerberatungsstellen aufsuchen. Daher befürwortet die AG SBV eine einheitliche – mit den Schuldnerberatungsstellen abgestimmte – Überschuldungsstatistik, die auch die Arbeit der Beratungsstellen angemessen abbildet.
 Statement der AG SBV zur Pressekonferenz des Bundesamtes für Statistik am 21.10.2008
 Begleitmaterial zur Pressekonferenz des Bundesamtes für Statistik am 21.10.2008