Keine Versagung der Restschuldbefreiung wegen bloßer Formalverstöße

01.02.2000

AG Münster, Beschluss vom 01.02.2000 - 71 IK 4 / 99

Für den Versagungsgrund des § 290 Abs. 1 Nr. 6 InsO ist u.a. erforderlich, dass durch die Obliegenheitsverletzungsklausel die Befriedigungsaussichten der Insolvenzgläubiger vermindert worden sind. Bloße Formalverstöße sind dafür nicht ausreichend. Das Verschweigen eines gem. § 39 Abs. 1 Nr. 3 InsO nachrangigen Gläubigers ist kein Versagungsgrund i.S.d. § 290 Abs. 1 Nr. 6 InsO.

AG Münster, Beschluss vom 01.02.2000 - 71 IK 4 / 99

Fundstelle: ZinsO 2000, 235

Gründe:


  1. Der Schuldner hat bei seinem Verbraucherinsolvenzantrag vom 22.03.1999 nicht angegeben, dass die Staatsanwaltschaft eine rechtskräftige Geldstrafe gegen ihn vollzieht, auf die er - bis zur Stundung im September 1999 - vereinbarte Ratenzahlungen von monatlich DM 20,00 geleistet hat. Der Schuldner bezieht seit Ende 1988 Sozialhilfe. Das Insolvenzverfahren ist am 21.05.1999 eröffnet worden. Am Verfahren ist eine - vom Schuldner benannte - Gläubigerin mit einer festgestellten Forderung i.H.v. DM 44.655,00 beteiligt. Diese beantragt zum Schlusstermin, dem Schuldner die Restschuldbefreiung nach § 290 Abs. 1 Nr. 2, 5 InsO wegen der verschwiegenen Geldstrafe zu versagen.


  2. Die Voraussetzungen für die Ankündigung der Restschuldbefreiung ( § 291 InsO ) sind erfüllt. Der Antrag des Schuldners auf Erteilung der Restschuldbefreiung ist rechtzeitig und ordnungsgemäß gestellt. Dem Versagungsantrag der Gläubigerin war nicht zu entsprechen. Denn die geltend gemachten Versagungsgründe liegen nach dem feststehenden Sachverhalt nicht vor.
    Im einzelnen gilt:

    Die Voraussetzungen des § 290 Abs. 1 Nr. 2 InsO sind nicht gegeben. Denn nach dem Wortlaut dieser Vorschrift hätte der Schuldner mit seinen unrichtigen Angaben bezwecken müssen, dadurch Kredit zu erhalten oder öffentliche Leistungen zu beziehen bzw. deren Rückzahlungen zu vermeiden. Darum geht es vorliegend überhaupt nicht.

    Für den Versagungsgrund des § 290 Abs. 1 Nr. 6 InsO , der durch das Verschweigen der Geldstrafe - und damit eines weiteren Gläubigers - zunächst gegeben ist, ist aber weiter erforderlich, dass dadurch die Befriedigungsaussichten der Insolvenzgläubiger vermindert worden wären ( Balz / Landfermann, Die neuen Insolvenzgesetze, S. 411, Begründung RegE zu § 290 ). Bloße Formalverstöße ohne materielle Auswirkung auf die Befriedigungslage der Gläubiger können hier also nicht ausreichen.

    Derartige Auswirkungen sind von der Gläubigerin nicht vorgetragen und auch nicht ersichtlich. Denn nach § 39 Abs. 1 Nr. 3 InsO ist die Geldstrafe nachrangig - käme also erst nach voller Befriedigung der widersprechenden Gläubigerin zum Zuge. Dem entspricht das Schreiben der Staatsanwaltschaft vom 07.09.1999, im dem diese sogar die Vollstreckung bis zur Beendigung der Wohlverhaltensphase zurückstellt.

    Die Geldstrafe ist zudem nach § 302 Nr. 2 InsO von der Restschuldbefreiung ausgenommen. Sie könnte neben einem etwaig pfändbaren Arbeitseinkommen vollstreckt werden. Dieses Einkommen stünde kraft der Abtretungserklärung ( § 287 Abs. 2 Satz 1 InsO ) allein der hier vorrangigen Gläubigerin im Restschuldbefreiungsverfahren zu.

Kommentar:

Diese Entscheidung beleuchtet das Problem, wenn ein Schuldner mit einer rechtskräftigen, noch nicht bezahlten Geldstrafe in das Verbraucherinsolvenzverfahren geht. Im Regelfall wird die Staatsanwaltschaft nicht so großzügig sein, die Vollstreckung bis zum Ende der Wohlver-haltensperiode zurückzustellen. Zur Vermeidung der Ersatzfreiheitsstrafe wird der Schuldner zumindest Ratenzahlungen aus seinem unpfändbaren Einkommen leisten müssen. Dies ist auch sinnvoll, denn selbstverständlich wird eine Geldstrafe nach § 302 InsO von der Restschuld-befreiung nicht erfasst.

Die Justizkasse erhält wegen des Nachranges von Geldstrafen nach § 39 Abs. 1 Nr. 3 InsO im Regelfall weder aus der Insolvenzmasse noch in der Wohlverhaltensperiode aus den beim Treuhänder eingegangenen Beträgen eine Zahlung. Insofern beeinträchtigt das Vorhandensein noch nicht bezahlter Geldstrafen die Befriedigungsmöglichkeiten der anderen Gläubiger nicht. Folgerichtig hat das AG Münster entschieden, dass die Nichtangabe von noch zu zahlenden Geldstrafen im Vermögensverzeichnis kein Grund für eine Versagung der Restschuldbefreiung ist.

Trotzdem sollte der Schuldner den Gläubigern keinen Anlass zur Stellung von Versagungs-anträgen bieten, denn die zeitraubende Entscheidung darüber beim Amtsgericht oder ( nach Beschwerde des Gläubigers ) beim Landgericht verzögert den Beginn der Wohlverhaltensperiode immer weiter. Sinnvoll ist es, diese Zahlungsverpflichtung in der Anlage 4F zum Verbraucherinsolvenzantrag unter dem Punkt "Sonstige Zahlungsverpflichtungen" aufzuführen. Der Grund der Verurteilung muss nicht angegeben werden.

Beitrag von: Michael Schütz