Versagung der Restschuldbefreiung bei Teilzeitbeschäftigung statt Vollzeittätigkeit
AG Hamburg, Beschluss vom 20.11.2000 - 68 e IK 15 / 99
- Ein 30-jähriger Schuldner, der ledig und kinderlos ist, verletzt dann seine sich aus § 295 I Nr. 1 InsO ergebenden Obliegenheiten, wenn er lediglich einer Teilzeittätigkeit ( 25 Stunden pro Woche ) nachgeht und sich auch nicht um eine angemessene Vollzeitbeschäftigung ( 35 bis 40 Stunden ) hinreichend bemüht.
- In einem solchen Fall ist auf den zulässigen Antrag eines Gläubigers die Restschuldbefreiung zu versagen.
AG Hamburg, Beschluss vom 20.11.2000 68 e IK 15 / 99
Zum Sachverhalt:
Dem Schuldner ist durch Beschluss des Gerichts vom 7.7.2000 die Restschuldbefreiung angekündigt worden. Die Laufzeit seiner Abtretungserklärung ( § 287 II InsO ) hat mit Beendigung des Insolvenzverfahren am 21.8.2000 begonnen und würde planmäßig am 21.8.2005 ablaufen. Mit Schreiben vom 5.9.2000 beantragte die Versagungsast., eine Insolvenzgläubigerin, dem Schuldner die Restschuldbefreiung wegen Verletzung einer Obliegenheit zu versagen. Sie behauptete, der Schuldner verletze seine Pflicht, eine angemessene Erwerbstätigkeit auszuüben bzw. sich um eine solche zu bemühen, da er lediglich eine Teilzeitbeschäftigung ausübe. Dem Schuldner sei es zumutbar, eine Vollzeittätigkeit auszuüben. Das Gericht hat dem Schuldner mit Schreiben vom 17.10.2000 für die schriftliche Auskunft über die Erfüllung der Obliegenheiten eine Frist innerhalb von zwei Wochen gesetzt. Innerhalb der Frist ist die angeforderte Erklärung eingegangen. Der Schuldner hat vorgetragen, er sei seit dem 4.1.1999 bei einem Unternehmen aus der Schifffahrtsbranche tätig. Zunächst sei er als Aushilfe beschäftigt gewesen und habe DM 500,00 brutto monatlich verdient. Zum 1.7.1999 sei er bei einer wöchentlichen Arbeitszeit von 25 Stunden fest angestellt worden. Im Oktober 1999 sei ihm eine Erhöhung seiner wöchentlichen Arbeitszeit auf 30 oder 35 Stunden ab dem Frühjahr 2000 in Aussicht gestellt worden, sofern er an verschiedenen Weiterbildungsmaßnahmen teilnehme. Er habe die Weiterbildungsmaßnahmen absolviert. Gleichwohl habe die wirtschaftliche Situation seines Arbeitgebers die Ausweitung seiner wöchentlichen Arbeitszeit nicht zugelassen. Der Schuldner behauptete zu hoffen, dass sich die wirtschaftliche Situation seines Arbeitsgebers verbessere. Er hat die Ansicht geäußert, es sei unangemessen, seine Arbeitstelle zu kündigen, um eine Vollzeitarbeit auszuüben, da er plane, ab dem 1.4.2001 seinen Wohnsitz nach Mecklenburg-Vorpommern zu verlegen, wo er seine bisherige Berufstätigkeit fortsetzen könne. Gegenwärtig sei er für die komplette Büroorganisation und die laufende Buchhaltung zuständig; seine Tätigkeit über er von zu Hause aus. Körperliche Arbeiten kämen für ihn nicht in Frage, da er am 10.3.2000 einen Herzinfarkt erlitten habe. Bereits mit Schreiben vom 31.7.2000 hatte der Schuldner dem Gericht mitgeteilt, dass er plane, im Jahre 2001 nach P. in Mecklenburg-Vorpommern zu ziehen. Er habe die Befürchtung, arbeitslos zu werden, obwohl sein Arbeitgeber ihm zugesagt habe, dass er seine bisherige Tätigkeit auch von seinem neuen Wohnsitz aus ausüben könne. Dieser kämpfe bereits seit einigen Jahren mit wirtschaftlichen Problemen, weshalb der Verlust seines Arbeitsplatzes durch Insolvenz oder Einstellung des Betriebes nicht undenkbar sei.
Das Gericht hat dem Schuldner die Restschuldbefreiung versagt.
Aus den Gründen:
II.
Der Versagungsantrag ist in zulässiger Weise gestellt ( § 296, I 2, 3 InsO ). Er ist auch begründet. Die Restschuldbefreiung ist dem Schuldner zu versagen, weil ein gesetzlicher Versagungsgrund vorliegt ( § 296 I InsO ). Der Schuldner hat während der Laufzeit seiner Abtretungserklärung ( der so genannten Wohlverhaltenszeit, § 287 II InsO ) eine seiner Obliegenheiten verletzt. Er hat entgegen § 295 I Nr. 1 InsO keine angemessene Erwerbstätigkeit ausgeübt und sich auch nicht hinreichend um eine solche bemüht.
Als angemessene Erwerbstätigkeit ist grundsätzlich nur eine Vollzeitbeschäftigung mit einer durchschnittlichen wöchentlichen Arbeitszeit zwischen 35 und 40 Stunden anzusehen. Der Schuldner übt bis heute lediglich eine Teilzeitbeschäftigung aus, bei der er ein monatliches Bruttoeinkommen in Höhe von DM 1.500,00 erzielt. Besondere Gründe in der Person des Schuldners, aus denen sich ergäbe, dass ihm eine Vollzeittätigkeit nicht zumutbar wäre, sind nicht ersichtlich. Der Schuldner ist 30 Jahre alt, ledig und kinderlos. Er trägt selbst vor, dass die Beschäftigung mit einer Wochenarbeitszeit von 25 Stunden für ihn keine befriedigende Situation darstelle und er eine Vollzeitbeschäftigung anstrebe. Gleichwohl hat der Schuldner sich nicht hinreichend um eine angemessene Erwerbstätigkeit bemüht. Er hat nicht versucht, einen anderen Arbeitsplatz zu finden, der ihm eine Vollzeitbeschäftigung ermöglicht hätte.
Zwar kann dem Schuldner nicht vorgeworfen werden, dass er zunächst abgewartet und gehofft hat, bei seinem jetzigen Arbeitgeber eine Ausweitung seiner Stundenzahl zu erreichen. Ihm war jedoch spätestens seit dem Frühjahr diesen Jahres bekannt, dass die wirtschaftliche Situation seines Arbeitgebers eine Vollzeitbeschäftigung nicht zulässt. Seit diesem Zeitpunkt hätte sich der Schuldner, z. B. durch entsprechende Nachfragen beim Arbeitsamt, um eine andere Beschäftigungsmöglichkeit bemühen müssen.
Von dieser Verpflichtung war er nicht im Hinblick auf seinen für April 2001 geplanten Wohnsitzwechsel nach Mecklenburg-Vorpommern befreit. Auch bei Berücksichtigung der in diesem Bundesland bestehenden Arbeitslosenquote ist es nicht ausgeschlossen, dort eine (Vollzeit-) Beschäftigung zu finden. Der Schuldner konnte sich nicht auf die vage Aussicht, seine bisherige Berufstätigkeit auch an seinem neuen Wohnort fortzusetzen, verlassen, zumal es sich dabei weiterhin lediglich um eine Teilzeitbeschäftigung handelte. Er kann nicht davon ausgehen, dass in naher Zukunft eine Beschäftigung auf Vollzeitbasis bei seinem derzeitigen Arbeitgeber möglich wird.
Dass der Schuldner sich in der Vergangenheit in keiner Weise bemüht hat, einen anderen Arbeitsplatz zu bekommen, ist insbesondere unter Berücksichtigung seiner bereits im Juli diesen Jahres bestehenden Angst, seinen Arbeitsplatz zu verlieren, nicht verständlich. Wie aus dem Schreiben des Schuldner vom 31.7.2000 hervorgeht, wusste er bereits zu dem damaligen Zeitpunkt, dass die wirtschaftliche Situation seines Arbeitgebers die Annahme nicht zulässt, dass er einen sicheren Arbeitsplatz habe. Die Hoffnungen des Schuldner, bei seinem bisherigen Arbeitgeber eine Vollzeitbeschäftigung auszuüben, waren und sind nach dem Vortrag des Schuldners selbst unbegründet.
Durch sein Verhalten hat der Schuldner die Befriedigung der Insolvenzgläubiger beeinträchtigt. Es genügt hinsichtlich der Beeinträchtigung der Insolvenzgläubiger die begründete Annahme, dass sich im Falle der Einhaltung der Obliegenheiten durch den Schuldner die Befriedigungsaussichten der Gläubiger verbessern. Bei Annahme einer angemessenen Erwerbstätigkeit wäre der Schuldner in der Lage gewesen, ein höheres Einkommen zu erzielen und entsprechend ( höhere ) Beträge an seine Gläubiger zu zahlen. Dass den Schuldner an der festgestellten Obliegenheitsverletzung kein Verschulden trifft ( § 295 I 1 InsO ), ist nicht erwiesen.
Fundstelle: NZI 2001, 103 - 104
Kommentar:
Diese erste bekanntgewordene Entscheidung zu den Erwerbsobliegenheiten in der Wohlverhaltens-periode zeigt deutlich auf, dass die in § 295 I Nr. 1 InsO normierte Erwerbsobliegenheit vom Schuldner ernst genommen werden sollte. Wer jung, ledig und kinderlos ist und in einer prosperierenden Industriestadt wie Hamburg lebt, kann sich in der Wohlverhaltensperiode nicht auf eine Teilzeittätigkeit beschränken, bei der er gerade ein Einkommen unterhalb der Pfändungs-freigrenze erzielt ( wie in diesem Fall ).
Auf jeden Fall sollte der Schuldner nachweisen können, dass er sich intensiv um eine Vollzeitbeschäftigung bemüht hat. Wer an seinem Teilzeitarbeitsplatz festhält, obwohl es keine Aussicht auf eine Vollzeittätigkeit gibt, riskiert die Versagung der Restschuldbefreiung.
Die Vollzeitbeschäftigung ist allerdings kein Selbstzweck, im Kern geht es immer um eine angemessene Befriedigung der Insolvenzgläubiger. In diesem Fall hätte der Schuldner seine Gläubiger so stellen können, wie wenn er einer Vollzeitbeschäftigung nachgehen würde. Umgerechnet auf 40 Stunden entspräche dies in diesem Fall einem Nettoeinkommen von DM 1.745,40 monatlich und einem pfändbaren Betrag von derzeit DM 371,70 monatlich. Wenn der Schuldner diesen Betrag freiwillig an den Treuhänder zahlt, werden die Insolvenzgläubiger so gestellt, als ob er in Vollzeit tätig wäre.
In diesem konkreten Fall wäre es fraglich, ob der Schuldner den Betrag bei seinem geringen Einkommen aufbringen könnte. Vielfach ist aber auf Grund der Steuerprogression der zusätzlich anfallende ( fiktive ) pfändbare Betrag aus der Differenz zwischen Teilzeit- und Vollzeittätigkeit gering, so dass der Schuldner u.U. in der Lage ist, diese Differenz freiwillig an den Treuhänder zu zahlen. Er vermeidet so die Gefahr, dass ein Insolvenzgläubiger einen erfolgreichen Antrag auf Versagung der Restschuldbefreiung stellen kann.
Hat der Insolvenzgläubiger mit einem solchen Antrag Erfolg ( wie in diesem Fall ), so kann der Schuldner erst 10 Jahre später einen neuen Antrag auf Eröffnung des Verbraucherinsolvenz-verfahrens mit Restschuldbefreiung stellen ( § 290 I Nr. 3 InsO ).
Michael Schütz