Versagung der Restschuldbefreiung wegen grob fahrlässig falscher Angaben

09.01.2001

LG Stuttgart, Beschluss vom 9.1.2001 - 19 T 394/2000

Leitsatz:

Versichert der Schuldner wahrheitswidrig, dass er zu einem bestimmten Zeitpunkt kein Nebeneinkommen erzielt hat, so rechtfertigt ein darauf abstellender Antrag eines Gläubigers die Versagung der Restschuldbefreiung auch dann, wenn die behauptete Tatsache durch Vorlage einfacher Kopien glaubhaft gemacht worden ist. Bei der Beurteilung der dem Schuldner zur Last zu legenden groben Fahrlässigkeit ist u.a. auch auf seine persönliche Geschäftserfahrung abzustellen.

LG Stuttgart, Beschluss vom 9.1.2001 - 19 T 394 / 2000

Vorinstanz: AG Ludwigsburg

Fundstelle: ZInsO 2001, 134-135

Kommentar:

Diesem Beschluss liegt folgender Sachverhalt zu Grunde:

Der Schuldner, von Beruf Versicherungskaufmann und von daher rechtlich nicht unerfahren, bezog im Zeitraum vom 1.7.1997 bis 31.10.1997 von einem Versicherungsunternehmen ein Bruttoarbeitsentgelt von monatlich durchschnittlich ca. 5.500,- DM. Gleichzeitig bezog er Leistungen vom Arbeitsamt und versicherte am 16.10.1997 dem Arbeitsamt schriftlich in einer "wahrheitsgemässen Erklärung", dass er ausser den Leistungen vom Arbeitsamt über keinerlei weitere Einkünfte verfüge. Anschliessend stellte das Arbeitsamt bei einer Aussenprüfung den og. Sachverhalt fest. Es kam zu einer Rückforderung des Arbeitsamtes für unrechtmässig bezogene Leistungen für den og. Zeitraum.

Am 12.10.1999 stellte der Schuldner beim AG Ludwigsburg einen Antrag auf Eröffnung des Ver-braucherinsolvenzverfahrens. Das Verfahren wurde am 18.2.2000 eröffnet. Das Arbeitsamt als Insolvenzgläubigerin beantragte am 11.8.2000 die Versagung der Restschuldbefreiung unter Hinweis auf § 290 Abs. 1 Nr. 2 InsO, der da sinngemäss lautet: "Die Restschuldbefreiung ist zu versagen, wenn der Schuldner in den letzten drei Jahren vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens vorsätzlich oder grob fahrlässig schriftlich unrichtige oder unvollständige Angaben über seine wirtschaftlichen Verhältnisse gemacht hat, um ... Leistungen aus öffentlichen Mitteln zu beziehen."

Das AG lehnte den Antrag des Arbeitsamtes ab und kündigte dem Schuldner trotzdem die Restschuldbefreiung an. Dagegen wandte sich mittels der sofortigen Beschwerde das Arbeitsamt und bekam letztlich vor dem LG Stuttgart recht.

Das Verhalten des Schuldners bei der Leistungsgewährung durch das Arbeitsamt, insbesondere seine Erklärung vom 16.10.1997, kann in diesem Fall nur als Unverfrorenheit bezeichnet werden. Seine Ungeduld bei der Antragstellung ( zwischen der Erklärung und dem Antrag liegen weniger als 3 Jahre) führt nun dazu, dass das ganze Verfahren für die Katz war. Der Schuldner muss die Wohlverhaltensperiode ohne Aussicht auf Restschuldbefreiung durchlaufen. Hätte er nur ein weiteres Jahr mit dem Antrag gewartet, hätte das Arbeitsamt den Versagungsantrag nicht mehr mit Erfolg stellen können.

In der Praxis der Insolvenzberatung sollte also bei Rückforderungen des Arbeitsamtes und anderer Leistungsträger sorgfältig darauf geachtet werden, wann diese entstanden sind und aus welchen Gründen es zu Überzahlungen kam. Kritisch sind Rückforderungen der letzten 3 Jahre, hier ist eine akribische Sachverhaltsaufklärung notwendig, um das Risiko des Scheiterns für den Schuldner im Verfahren abschätzen zu können. Ist die Sachlage unklar, sollte der Schuldner eher die 3-Jahresfrist abwarten, bevor er den Antrag stellt.

Es ist zu erwarten, dass der og. Beschluss alsbald Eingang in die internen Dienstanweisungen der Bundesanstalt für Arbeit für die Bearbeitung von Insolvenzfällen erhält und dann routinemässig bei derartigen Rückforderungen ein Versagungsantrag gestellt wird.

Michael Schütz