Flugreise und teure Wohnung kein Versagungsgrund

18.10.2001

AG Bonn, Beschluss vom 18. 10. 2001 - 97 IK 53/99

Leitsatz des Kommentators:

  1. Der Schuldner kann aus seinem unpfändbaren Einkommen eine Flugreise bestreiten und auch eine große, für ihn evtl. zu teure Wohnung anmietetn, ohne dass dies einen Versagungsgrund nach § 290 Abs. 4 darstellt.
  2. Geringfügig unrichtige Angaben im Vermögensverzeichnis, die keinen Einfluss auf die Befriedigungsmöglichkeiten der Gläubiger haben, sind im Rahmen des § 290 Abs. 6 ohne Belang.

AG Bonn, Beschluss vom 18. 10. 2001 - 97 IK 53 / 99

Fundstelle: ZInsO 2001, 1070 - 1071

1. Über das Vermögen des Schuldners ist am 18.7.2000 das Insolvenzverfahren eröffnet worden. Der Schuldner beantragt die Erteilung der Restschuldbefreiung.

Der Versagungsantragsteller beantragt, die Restschuldbefreiung zu versagen. Er trägt zum einen vor, dass der Schuldner mit seiner Ehefrau eine 114 qm große Wohnung mit monatlicher Miete von 1.850 DM bewohnt habe; dies sei nicht notwendig. Zum anderen habe der Schuldner dann, wenn der überwiegende Teil der Miete von seiner Ehefrau aufgebracht worden sei, in der Anlage 4F zum Eröffnungsantrag bewusst falsche Angaben gemacht, da er dort 50 % genannt habe. Schließlich stelle die Tatsache, dass sich der Schuldner für eine Reise in sein Heimatland vom 18.8.2001 bis zum 7.9.2001 einen teuren Auslandsflug erleistet habe, statt mit Bus und Bahn zu reisen, einen weiteren Versagungsgrund dar.

Das Gericht hat dem Schuldner und dem Treuhänder Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben und einen Anhörungs- und Erörterungstermin durchgeführt. Wegen der Stellungnahme des Treuhänders wird auf dessen Schriftsatz vom 9.5.2001 verwiesen; das Ergebnis des Anhörungs- und Erörterungstermins lässt sich dem Protokoll vom 21.9.2001 entnehmen.

II. Die Voraussetzungen für die Ankündigung der Restschuldbefreiung ( § 291 InsO ) sind erfüllt. Der Antrag des Schuldners auf Erteilung der Restschuldbefreiung ist rechtzeitig und ordnungsgemäß gestellt. Die Einwände des Versagungsantragstellers greifen nicht durch. Der Versagungsantrag ist unbegründet.

Als Versagungsgründe kommen nur die in § 290 Abs. 1 InsO aufgeführten Tatbestände, hier insbesondere Ziffer 4 und 6, in Betracht. Das Gericht kann jedoch nicht feststellen, dass eine dieser Bestimmungen erfüllt ist.

§ 290 Abs. 1 Ziffer 4 InsO ist weder durch die Anmietung der Wohnung noch durch die Vornahme der Flugreise erfüllt. Der Schuldner hat durch diese Handlungen weder vorsätzlich noch grob fahrlässig die Befriedigung der Insolvenzgläubiger dadurch beeinträchtigt, dass er unangemessene Verbindlichkeiten begründet oder sein Vermögen verschwendet hat. Sowohl die Kosten für die früher von ihm (mit)bewohnte Wohnung von 114 qm als auch die Flugkosten hat er aus seinem unpfändbaren Einkommen bestritten. Er hat nachvollziehbar dargetan, wie es zu der Anmietung der Wohnung gekommen ist; wenn er mit seiner früheren Ehefrau, die von ihrem geschiedenen Ehemann unterstützt wurde und deren zwei Kindern in eine 114 qm große Wohnung zu monatlich 1.850 DM Miete gezogen ist, kann dies nicht als unangemessen bezeichnet werden - zumindest kann grobe Fahrlässigkeit oder Vorsatz im Hinblick auf eine Beeinträchtigung der Befriedigung der Insolvenzgläubiger nicht festgestellt werden. Dasselbe gilt auch für die Flugreise, die ausweislich der vom Schuldner vorgelegten Quittung 590 DM gekostet hat. Es ist nicht ersichtlich, dass die Angabe des Schuldners, er habe sich vergeblich nach Busfahrten in die Türkei erkundigt, falsch sein könnte; vielmehr hat auch der Treuhänder aus eigener Kenntnis angegeben, es gebe keine Linienbusreisen in die Türkei mehr.

§ 290 Abs. 1 Ziff. 6 InsO schließlich ist im Hinblick auf die Angabe in der Anlage 4 F zum Eröffnungsantrag ebenfalls nicht erfüllt. Auch wenn der Schuldner angegeben hat, letztlich 600 - 700 DM zur Wohnungsmiete beigetragen zu haben und es in der Anlage heißt, dass er auf die Wohnungsmiete 925 DM zahle, stellt dies noch keine grob fahrlässige oder vorsätzliche unrichtige Angabe dar. Der Berater des Schuldners von der Schuldnerberatungsstelle hat in dem gerichtlichen Anhörungstemiin erklärt, dass dann, wenn nicht klar ist, in welcher Höhe die Wohnungsmiete von beiden Ehegatten getragen wird, so verfahren wird, dass angeraten wird, die Hälfte an Mietkosten anzugeben. So lag der Fall hier: Der Beitrag des Schuldners zu der Miete stand nicht fest; er erhielt von seiner früheren Ehefrau Taschengeld. Wenn diese dann entsprechend der Empfehlung der Schuldnerberatungsstelle in dem Formular die hälftige Mietzahlung eingetragen hat und der Schuldner als der erkennbar ungewandtere der beiden Eheleute dann den Antrag unterschrieben hat, kann ihm keine grobe Fahrlässigkeit vorgeworfen werden.

Kommentar:

Mit dieser Entscheidung des AG Bonn liegt soweit bekannt eine erste Entscheidung zum Komplex "Vermögensverschwendung" im Sinne des § 290 Abs. 1 Nr. 4 vor. Der Preis von 1.850,- DM für eine 114 qm grosse Wohnung würde in anderen Gegenden Deutschlands als echtes Schnäppchen angesehen werden, ebenso der Preis von DM 590,- für eine Flugreise in die Türkei ( Frage an die Schuldnerberatung in Bonn: wo gibt es diese extrem günstigen Flüge ? ).

Die Antwort des AG Bonn ist eindeutig und es ist im Grunde genommen traurig, dass sich hochbezahlte Richter und Treuhänder mit solch schwachsinnigen Gläubigeranträgen herumschlagen müssen.

Zumindest hat das AG Bonn klargestellt - was ohnehin nie umstritten war - dass der Schuldner mit seinem unpfändbaren Einkommen tun kann, was er will. Er muss nicht jahrzehntelang auf Urlaub verzichten und darf auch mit seinen Familienangehörigen in Kontakt bleiben. Es ist ihm ausserdem gestattet, mit seiner Familie eine ausreichend grosse Wohnung zu bewohnen. Anders wäre der Fall, wenn der Schuldner bei völlig unzureichenden Finanzverhältnissen eine wesentlich zu teure Wohnung anmietet und dann die Miete schuldig bleibt, insbesondere wenn dies wiederholt der Fall ist. Hier könnte sich der geprellte Vermieter evtl. auf § 290 Nr. 1 Abs. 4 berufen.

Beruhigend ist auch, dass das AG Bonn an das korrekte Ausfüllen der Verzeichnisse keine übertriebenen Anforderungen stellt. Ohnehin ist völlig unklar, was die Wohnungsmiete in den Verzeichnissen zu suchen hat, da der Schuldner sie ohnehin aus seinem unpfändbaren Einkommen zu bezahlen hat.

Michael Schütz

20.12.2001