Verpflichtung des Schuldners zu einem vollständigen Forderungsverzeichnis sowie Wertfestsetzung bei Gläubigerantrag auf Versagung der Restschuldbefreiung

15.10.2001

OLG Celle, Beschluss vom 25. 10. 2001 - 2 W 113/01

Leitsätze des Kommentators:

  1. Der Schuldner ist verpflichtet, unabhängig von einer eventuellen Gefährdung seines Erwerbseinkommens vorbehaltlos alle zum Zeitpunkt der Antragseinreichung gegen ihn vorhandenen Forderungen im Gläubiger- und Forderungsverzeichnis aufzuführen.
  2. Unabhängig von der konkreten Höhe der Forderung des antragstellenden Gläubigers ist der Wert zur Berechnung der Gerichts- und Anwaltskosten bei einer Beschwerde des Schuldners gegen die Versagung der Restschuldbefreiung einheitlich mit DM 8.000,- festzusetzen.

OLG Celle, Beschluss vom 25. 10. 2001 - 2 W 113 / 01

Fundstelle: ZInsO 2001, 1106 - 1108

Die Beteiligten streiten um den Restschuldbefreiungsantrag des Schuldners, der zunächst erfolglos das außergerichtliche und gerichtliche Schuldenbereinigungsplanverfahren durchlaufen hatte. Nach Durchführung des vereinfachten Insolvenzverfahrens, in dem der Treuhänder alsbald Masseunzulänglichkeit angezeigte, gab das Insolvenzgericht mit Schreiben vom 29.8.2000 den Gläubigern Gelegenheit, vor Einstellung des Verfahrens nach § 211 InsO innerhalb einer Frist von 2 Wochen Versagungsgründe im Sinne des § 290 Abs. 1 lnsO geltend zu machen, um die Entscheidung des Insolvenzgerichts über die Ankündigung der Restschuldbefreiung nach §§ 289 Abs. 1 Satz 2, 290 InsO vorzubereiten. Innerhalb dieser Frist beantragte eine Gläubigerin mit Schriftsatz vom 15.9.2000, dem Schuldner die Restschuldbefreiung wegen eines vorsätzlichen Verstoßes gegen die Pflicht, vollständige und richtige Angaben in den nach § 305 Abs. 1 Nr. 3 lnsO vorzulegenden Verzeichnissen zu machen, zu versagen.

Als Grund für diesen Antrag gab die Gläubigerin an, der Schuldner habe in seinem Forderungsverzeichnis bewusst eine Verbindlichkeit gegenüber einem Kreditinstitut nicht aufgeführt, bei dem er 1997 einen Kredit zur Finanzierung eines für seine Vertretertätigkeit angeschafften Fahrzeuges aufgenommen habe, der bei Antragstellung noch mit 49.000,- DM valutiert habe. Der Schuldner habe durch die Nichtangabe des Kreditinstitutes im Schuldenbereinigungsplan verhindern wollen, dass es zu einer Verwertung des dem Kreditinstitut zur Sicherheit übereigneten Fahrzeugs kam; er habe die monatlichen Finanzierungskosten von 1.121,- DM deshalb auch weiter in voller Höhe bedient.

Nach Stellung dieses Versagungsantrages forderte das Insolvenzgericht zunächst eine Stellungnahme des im vereinfachten Insolvenzverfahren bestellten Treuhänders, einem Rechtsanwalt, an, der den Schuldner auch im außergerichtlichen und gerichtlichen Verfahren bereits vertreten hatte. Dieser teilte mit, dass der Schuldner, der im Übrigen das Fahrzeug selbst und die Sicherungsübereignung an die Gläubigerbank im Schuldenbereinigungsplan angegeben habe, nach seiner Auffassung zu Recht die Forderung der finanzierenden Bank zum Vorteil der übrigen Gläubiger nicht berücksichtigt habe, weil andernfalls auch die Teilzahlungsbank am Verfahren zu beteiligen gewesen wäre und der Schuldner durch die Verwertung des sicherungsübereigneten Fahrzeugs die Grundlage für die Ausübung seiner Vertretertätigkeit verloren hätte. Ein schwerwiegender Verstoß im Sinne des § 290 Abs. 1 Nr. 6 InsO komme daher nicht in Betracht. Für die Vollständigkeit der Angaben des Verzeichnisses habe es ausgereicht, so der Treuhänder in einer weiteren Stellungnahme, das gesicherte Kreditinstitut an irgendeiner anderen Stelle des Schuldenbereinigungsplans zu erwähnen, was auch geschehen sei.

Trotz dieser Stellungnahme versagte das Insolvenzgericht, das den Treuhänder in seiner Entscheidung ausdrücklich als Verfahrensbevollmächtigten des Schuldners bezeichnete, dem Schuldner mit Beschluss vom 25.4.2001 die Restschuldbefreiung, weil der Schuldner unrichtige Angaben im Sinne des § 290 Abs. 1 Nr. 6 InsO gemacht habe. Ihm müsse klar gewesen sein, dass er gegen die Verpflichtung verstoßen habe, ein vollständiges Gläubigerverzeichnis vorzulegen, als er die durch die Sicherungsübereignung des Fahrzeugs gesicherte Bank weg ließ. Gegen diesen Beschluss legte der Schuldner persönlich sofortige Beschwerde ein, die er damit begründete, sich bei der Aufstellung des Schuldenbereinigungsplans - ebenso wie sein Verfahrensbevollmächtigter - nicht ausgekannt zu haben.

Diese Beschwerde hat das LG mit Beschluss vom 27.6.2001 zurückgewiesen. .......

II. Die sofortige weitere Beschwerde des Schuldners ist gleichwohl nicht zuzulassen. Eine den Schuldner belastende Gesetzesverletzung fehlt, eine Zulassung des Rechtsmittels zur Sicherung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung ist nicht erforderlich.

1. Zwar leidet das Verfahren des Insolvenzgerichts an einem schwer wiegenden Gesetzesverstoß. Dieser Mangel hat sich aber nicht zulasten des Schuldners ausgewirkt. Er hat insbesondere nicht dazu geführt, dass die Versagungsentscheidung in Frage zu stellen sein könnte.

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2. Eine anderweitige Gesetzesverletzung durch die Entscheidung des Beschwerdegerichts, dem Schuldner die Restschuldbefreiung zu versagen, ist im Übrigen nicht zu erkennen. Der Schuldner hat zumindest grob fahrlässig gegen seine Verpflichtung zur Vorlage vollständiger Verzeichnisse aus § 305 Abs. 1 Satz 3 InsO verstoßen. Ein eventuelles Verschulden seines Verfahrensbevollmächtigten im Schuldenbereinigungsverfahren müsste er sich zurechnen lassen. Dass der Schuldner die Forderung der Teilzahlungsbank bewusst nicht angegeben hat, um diese daran zu hindern, die Verwertung ihrer Sicherheit zu betreiben, lässt nur den Schluss auf eine vorsätzliche Nichtangabe der Forderung zu. In jedem Fall ist es grob fahrlässig, wenn ein Schuldner bewusst davon absieht, eine namhafte Forderung von fast 50.000,- DM anzugeben, um die drohende Verwertung des von ihm benutzten Fahrzeuges zu verhindern. Ein Wahlrecht, welche Forderungen der Schuldner in seinen Verzeichnissen ausweist und welche nicht, hat der Schuldner nicht.

Den Beteiligten ist es nicht zuzumuten, aufgrund von unvollständigen Angaben des Schuldners - hier etwa der Angabe des Sicherungseigentums der Teilzahlungsbank und der monatlichen Raten für die Finanzierung des Fahrzeugs ohne Nennung des Zahlungsempfängers - darüber zu rätseln, ob es noch weitere Gläubiger gibt, die der Schuldner befriedigt, in sein Forderungsverzeichnis aber nicht aufgenommen hat. Pflicht des Schuldners ist es, alle Verbindlichkeiten schonungslos und ohne Rücksicht auf die sich daraus ergehenden Konsequenzen offen zu legen. Darüber kann es bei der Anwendung des § 305 Abs. 1 Nr. 3 InsO keine Zweifel geben, wie das LG zu Recht angenommen hat. Ebenso wie es dem Schuldner im Schuldenbereinigungsverfahren nach § 295 Abs. 1 Nr. 4 lnsO verboten ist, einzelnen Gläubigern Sondervorteile zu verschaffen, hat er auch im Restschuldbefreiungsverfahren die Pflicht, sämtliche Gläubiger gleichmäßig zu beteiligen. Dies setzt zwingend voraus, dass er auch sämtliche Gläubiger angibt.

Soweit diskutiert wird, ob ein Versagungsgrund im Sinne des § 290 Abs. 1 Nr. 6 lnsO voraussetzt, dass durch die Unvollständigkeit der vom Schuldner vorgelegten Verzeichnisse eine Benachteiligung der Gläubiger eintritt, braucht sich der Senat vorliegend mit dieser Frage nicht abschließend auseinander zu setzen. Der Schuldner hätte bei Beteiligung der Teilzahlungsbank am Schuldenbereinigungsplan erheblich höhere Befriedigungsangebote an alle Gläubiger machen müssen. Er hätte monatlich einen um über 1.100,- DM höheren Betrag dem Treuhänder zur Verfügung stellen müssen. Dies lag auf der Hand und war auch für den Schuldner und seinen Verfahrensbevollmächtigten von vornherein erkennbar. Eine massive Beeinträchtigung der Befriedigung der Gläubiger durch die Nichtangabe der Teilzahlungsbank im Forderungsverzeichnis ist deshalb ohne weiteres gegeben.

III. Das mit dem Antrag auf Zulassung eingelegte Rechtsmittel war im Hinblick auf die Nichtzulassung als unzulässig zu verwerfen.

Die Entscheidung über die Kosten des Verfahrens beruht auf § 4 InsO in Verbindung mit § 97 Abs. 1 ZPO.

Bei der Festsetzung des Wertes des Beschwerdeverfahrens ist der Senat davon ausgegangen. dass nicht die Forderung des Gläubigers für die Festsetzung des Wertes einer Beschwerde des Schuldners gegen die Versagung der Einleitung des Restschuldbefreiungsverfahrens maßgeblich sein kann, weil sonst der Beschwerdewert davon abhängig wäre, ob es sich - zufälligerweise - um einen Gläubiger mit einer hohen oder einer niedrigen Forderung handelt. Entscheidend für die Wertfestsetzung ist vielmehr das Interesse des Schuldners an der Erteilung der Restschuldbefreiung. Dieses Interesse bemisst der Senat mangels greifbarer Anhaltspunkte für die Feststellung, welchen Wert das Restschuldbefreiungsverfahren für den Schuldner hat, mit einem Regelstreitwert von 8.000,- DM.

Da nicht abzuschätzen ist, ob die Forderungen, von denen der Schuldner befreit werden will, überhaupt werthaltig sind und jemals in voller Höhe realisiert werden können‚ geht der Senat davon aus, dass der Wert des Beschwerdeverfahrens auch nicht auf den Forderungsbestand insgesamt oder einen Bruchteil dieses Forderungsbestandes festgesetzt werden kann. Mangels anderweitiger Anhaltspunkte für eine Wertfestsetzung sieht der Senat einen Pauschalwert von 8.000,- DM, dessen Höhe sich für die Rechtsanwaltsgebühren aus § 8 Abs. 2 Satz 2 BRAGO ergibt, als Regelstreitwert für das Beschwerdeverfahren über die Restschuldbefreiung insgesamt an, wenn es darum geht, dass ein Schuldner gegen die Versagung der Einleitung des Restschuldbefreiungsverfahrens sofortige Beschwerde und sofortige weitere Beschwerde einlegt ( siehe hierzu ausführlich Senat, Beschluss vom 29.10.2001 - 2 W 71 / 01 ). Dieser Wert gilt auch für das Beschwerdeverfahren vor dem LG. Die Wertfestsetzung des LG, die auf Gegenvorstellung der Verfahrensbevollmächtigten der widersprechenden Gläubigern mit Beschluss vom 19.9.200l auf den vollen Wert der Forderung der Gläubigerin erfolgt ist, war deshalb gemäss § 25 Abs. 2 Satz 2 GKG entsprechend zu ändern.

Kommentar:

Im ersten Teil der Entscheidung geht es um das Problem, dass in manchen Fällen der Schuldner bestimmte gegen ihn gerichtete Forderungen nicht ohne weiteres zu Insolvenzforderungen machen kann, ohne dass sich für ihn sehr unangenehme Konsequenzen ergeben. Dies gilt in dem der Entscheidung zu Grunde liegenden Fall für die Forderung der Teilzahlungsbank. Würde der Schuldner die Kreditrate nach Verfahrenseröffnung nicht mehr bedienen, so würde die Bank das zur Sicherheit übereignete Fahrzeug des Schuldners, das dieser zur Berufsausübung benötigt, einziehen und verwerten. Dieses Absonderungsrecht der Bank wird auch durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens nicht berührt. Der Schuldner könnte dann unter Umständen seinen Beruf als Handelsvertreter nicht mehr ausüben.

Ähnliches gilt für den Fall, dass der Schuldner beispielsweise kurz vor Antragstellung eine Jahresabrechnung seines Energieversorgungsunternehmens mit einer hohen Nachzahlung erhält und dieser Betrag bis zur Verfahrenseröffnung nicht bezahlt wird. Rein formal betrachtet wird die Forderung des Energieversorgers mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens zu einer lediglich quotal zu bedienenden Insolvenzforderung. Allerdings wird der Energieversorger in der Praxis die Stromlieferung dann einstellen, wenn seine Forderung nicht vollständig bezahlt wird. Daraus folgt, dass Forderungen mit existenzbedrohendem Charakter für den Schuldner vor einer Antragstellung entweder bezahlt oder sonstwie geklärt werden müssen, etwa durch einen Wechsel in der Person des Schuldners des Kreditvertrages, was in obigem Fall allerdings in Anbetracht der hohen Restforderung von fast 50.000,- DM schwierig sein dürfte.

§ 38 InsO unterscheidet eben nicht nach verschiedenen Arten von Insolvenzgläubigern, sondern stellt ( mit Ausnahme der aus- und absonderungsberechtigten Gläubiger ) alle Gläubiger auf eine Stufe. Nach dem Modell der gemeinschaftlichen Gläubigerbefriedigung ( § 1 InsO ) soll es im Prinzip keine Sondervorteile für einzelne Insolvenzgläubiger mehr geben.

In der Rechtsprechung der Amts- und Landgerichte wurde die Frage, welcher Wert für die Berechnung der Gerichts- und Anwaltskosten einer Beschwerde bezüglich der Ankündigung oder Versagung der Restschuldbefreiung zu Grunde zu legen ist, unterschiedlich beantwortet. Zum Teil wurde die Höhe der Gläubigerforderung als Anhaltspunkt genommen, zum Teil die Höhe der Gesamtverbindlichkeiten des Schuldners oder auch die Hälfte davon. Das OLG Celle hat den Wert jetzt einheitlich auf 8.000,- DM festgesetzt mit der Folge, dass die Kosten für eine Beschwerde von Gläubiger oder Schuldner jetzt kalkulierbar sind und sich in einem relativ moderaten Rahmen bewegen ( 205,- DM Gerichtskosten für die unterliegende Partei plus evtl. Anwaltskosten ).

Michael Schütz

01.01.2002