Ein Fehlverhalten des Schuldners in der Vergangenheit kann nach dem Schlusstermin nicht mehr wirksam geltend gemacht werden

19.10.2001

AG Mönchengladbach, Beschluß vom 19.10.2001 - 20 IK 11 / 99

Leitsatz des Kommentators:

Wenn ein Insolvenzgläubiger ein Fehlverhalten des Schuldners ( hier: Verschweigen einer vor Verfahrenseröffnung angefallenen Erbschaft in Höhe von 280 TDM ) erst nach dem Schlusstermin und nach der rechtskräftigen Ankündigung der Restschuldbefreiung geltend macht, kann dies in keinem Fall zu einer nachträglichen Versagung im Sinne des § 290 InsO führen.

I. Der Schuldnerin ist durch Beschluß des Gerichts vom 8.9.2000 die Restschuldbefreiung angekündigt worden. Ihre Wohlverhaltenszeit ( Laufzeit der Abtretungserklärung, § 287 Abs. 2 InsO ) hat mit Beendigung des Insolvenzverfahrens am 8.9.2000 begonnen.

Mit Schreiben vom 18.9.2001 hat der Versagungsantragsteller, ein Insolvenzgläubiger, beantragt, der Schuldnerin die Restschuldbefreiung wegen Verletzung einer Obliegenheit zu versagen.

Er trägt vor, die Schuldnerin sei am 11.6.1998 Erbin ihres verstorbenen Mannes geworden. Dieser habe seit 1991 mehrere Geldtransfers bis zu einer Größenordnung von 280.000 DM auf Konten in Luxemburg durchgeführt. Die Schuldnerin habe dieses ererbte Vermögen im Insolvenzverfahren verschwiegen, die Restschuldbefreiung hätte der Schuldnerin bei Kenntnis dieses Sachverhaltes gar nicht angekündigt werden dürfen.

II. Der Versagungsantrag ist zulässig, aber nicht begründet.

Der Versagungsantragsteller hat einen Versagungsgrund nicht dargetan.

Nach §§ 296 Abs. 1, 297 Abs. 1 InsO ist die Restschuldbefreiung zu versagen, wenn der Schuldner während der Laufzeit der Abtretungserklärung, d.h. während der sog. Wohlverhaltensperiode eine seiner Obliegenheiten verletzt und dabei die Befriedigung der Insolvenzgläubiger beeinträchtigt oder nach dem Schlusstermin wegen einer Insolvenzstraftat verurteilt wird.

Keiner dieser Tatbestände ist vorliegend erfüllt.

Wie der Versagungsantragsteller selbst erkannt hat, gilt die Bestimmung des § 295 Abs. 1 Nr. 2 InsO, wonach der Schuldner ererbtes Vermögen zur Hälfte an den Treuhänder abzuführen hat, nur für Vermögen, das der Schuldner während der Wohlverhaltensperiode erbt. Eine Ausdehnung dieser Bestimmung auf Erbvermögen, das schon vor Beginn der Wohlverhaltensperiode angefallen war, ist nicht zulässig, da eine Gesetzeslücke nicht vorliegt. Denn es liegt dann ein Versagungsgrund im Sinne von § 290 Abs. 1 Nr. 6 InsO vor, wenn der Schuldner im Vermögensverzeichnis ererbtes Vermögen verschweigt. Die Bestimmung des § 290 InsO gilt jedoch nur während des Zulassungsverfahrens. Das Gericht hat hier mit Beschluß vom 8.9.2000 die Restschuldbefreiung gemäss § 291 InsO angekündigt und damit das Zulassungsverfahren beendet. Für den weiteren Verfahrensablauf werden dadurch die Versagungsgründe aus § 290 InsO präkludiert (Wimmer, Frankfurter Kommentar zur Insolvenz-ordnung 1998, Ahrens zu § 291 InsO Rn. 3). Der Versagungsantragsteller war hier aber bereits durch Beschluß des Gerichts vom 24.7.2000 darauf hingewiesen worden, dass etwaige Versagungsgründe nach §§ 289, 290 InsO bis zum 30.8.2000 glaubhaft gemacht werden müssen. Diese Frist hat der Versagungsantragsteller ungenutzt verstreichen lassen. Versagungsgründe nach § 290 InsO können daher zum heutigen Zeitpunkt nicht mehr geltend gemacht werden.

AG Mönchengladbach, Beschluß vom 19.10.2001 - 20 IK 11 / 99

Fundstelle: ZInsO 2002, 45

Kommentar:

Formaljuristisch geht diese Entscheidung des publikationsfreudigen AG Mönchengladbach in Ordnung, inhaltlich verursacht sie etwas Bauchschmerzen. Wenn unterstellt wird, dass der Vortrag des Gläubigers der Wahrheit entspricht ( nach Luxemburg verschobenes Vermögen von 280 TDM ), so würde der Schuldner auch dann mit der Restschuldbefreiung belohnt werden, wenn es den Gläubigern nicht gelingt, bis zum Schlusstermin diese Vermögensverschiebung bzw. die unvollständigen Angaben im Vermögensverzeichnis zu beweisen. Da das Insolvenzverfahren beendet ist und das Erbe ja vor dem Insolvenzverfahren und der Wohlverhaltensperiode angefallen ist, muss es der Schuldner nicht herausgeben, denn in der Wohlverhaltensperiode darf er ja ( im Gegensatz zum eröffneten Insolvenzverfahren ) über pfändbares Vermögen verfügen.

Über diese Entscheidung wurde auf dem Leipziger Insolvenzrechtstag am 11.2.2002 heftig diskutiert. Es wurde die Gefahr gesehen, dass durch solche Entscheidungen das Restschuldbefreiungsverfahren als solches diskreditiert wird ( "Restschuldbefreiung auch für Betrüger" ) und die gesellschaftliche Akzeptanz dafür schwindet. Andere Teilnehmer waren der Meinung, dass das in Luxemburg verbliebene Vermögen im Rahmen einer Nachtragsverteilung zur Masse gezogen werden könne ( § 203 Abs. 1 Nr. 3 InsO ). Dies müsste allerdings möglich sein, denn der Massegegenstand wurde nach dem Schlusstermin ermittelt. Die Schuldnerin in diesem Verfahren würde zwar nicht die Restschuldbefreiung verlieren, wohl aber ihr Vermögen, falls dieses geringer als die zur Tabelle angemeldeten Insolvenzforderungen ist und der Treuhänder könnte sich über eine satte Vergütung freuen.

Der Sachverhalt dieser Entscheidung ist für Verbraucherinsolvenzverfahren sicherlich völlig untypisch. Abgesehen davon verdeutlicht aber der Beschluss, dass der Schlusstermin für die Insolvenzgläubiger eine absolute "deadline" ist, wenn sie ein in der Vergangenheit ( also vor dem Schlusstermin liegendes ) eventuelles Fehlverhalten des Schuldners wirksam rügen wollen. Wer als Schuldner den Schlusstermin ohne Versagungsantrag überstanden hat, kann bezüglich seines Verhaltens in der Vergangenheit aufatmen. Nur ein Fehlverhalten in der Wohlverhaltensperiode gemäss § 295 InsO kann dann noch zu einer Versagung der Restschuldbefreiung führen, allerdings mit der wesentlich schärferen Sanktion einer zehnjährigen Sperrfrist.

Wem dagegen nach § 290 InsO im Schlusstermin die Restschuldbefreiung rechtskräftig versagt wurde, der kann ohne Sperrfrist unmittelbar danach einen neuen Antrag auf Eröffnung eines Insolvenz-verfahrens mit anschliessendem Verfahren zur Restschuldbefreiung stellen. Viele Tatbestände des § 290 InsO ( z.B. Nr. 2 oder 4 ) sind ja durch Zeitablauf heilbar.

Michael Schütz