Vergessene Lohnabtretung ist Versagungsgrund

04.06.2002

LG Göttingen, Beschluß vom 4.6.2002 - 10 T 38 / 02

Leitsatz des Kommentators:

Die Nichtangabe einer bestehenden Lohnabtretung in den Verzeichnissen nach § 305 InsO kann im Verbraucherinsolvenzverfahren zu einer Versagung der Restschuldbefreiung im Schlusstermin nach § 290 Abs. 1 Nr. 6 InsO führen, auch wenn der Schuldner nur über ein Einkommen unterhalb der Pfändungsfreigrenze verfügt und deshalb kein Gläubiger benachteiligt wird.

LG Göttingen, Beschluß vom 4.6.2002 – 10 T 38 / 02

Fundstelle: ZInsO 2002, 733 - 735

Die Schuldnerin hat am 07.11.2000 den Antrag aus Eröffnung des Insolvenzverfahrens über ihr Vermögen sowie auf Erteilung von Restschuldbefreiung gestellt. In dem dem Antrag beigefügten Vermögensverzeichnis hat die Schuldnerin in der Spalte X 2 "Lohnabtretung, Sicherungsübereignung, Sicherungsabtretung" keine Eintragungen vorgenommen. Die Schuldnerin hat 15 Gläubiger mit einer Gesamtforderung in Höhe von 87.221,84 DM ( 44.595,82 € ). Mit Beschluß vom 01.03.2001 hat das AG das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Schuldnerin eröffnet und den Rechtsanwalt X. zum Treuhänder bestellt. Nachdem der Treuhänder seinen Schlussbericht und die Schlußverteilung vorgelegt hat, hat das AG mit Beschluß vom 09.08.2001 das schriftliche Verfahren angeordnet und den Schlusstermin im schriftlichen Verfahren auf den 08.11.2001 bestimmt. Gleichzeitig hat es den Gläubigern Gelegenheit gegeben, bis zum 01.11.2001 schriftlich Einwendungen gegen die Ankündigung der Restschuldbefreiung vorzubringen. Mit Schriftsatz vom 06.09.2001 hat der Treuhänder mitgeteilt, dass entgegen den Ausführungen der Schuldnerin eine Abtretung ihrer Ansprüche aus Arbeitseinkommen zugunsten der CC-Bank AG in Mönchengladbach bestehe.

Ferner hat der Treuhänder ein Schreiben der Bevollmächtigten der CC-Bank AG vom 27.09.2000 vorgelegt, mit dem diese die Schuldnerin zur Rückzahlung des Darlehens aufgefordert haben. In diesem Schreiben haben die Bevollmächtigten der CC-Bank AG die Schuldnerin auf die im Rahmen des Kreditvertrages vereinbarte Lohn- und Gehaltsabtretung hingewiesen und angekündigt, diese gegenüber dem Arbeitgeber offen zu legen, sofern die Schuldnerin ihren Zahlungsverpflichtungen nicht nachkomme.

Die Beteiligte zu 2. hat mit Schriftsatz vom 02.10.2001 beantragt, der Schuldnerin die Restschuldbefreiung zu versagen und hierzu ausgeführt, die Schuldnerin habe in dem Vermögensverzeichnis unrichtige Angaben gemacht, weil sie die gegenüber der CC-Bank AG vorgenommene Abtretung nicht offen gelegt habe.

Die Schuldnerin hat ausgeführt, sie habe die Offenlegung der Abtretung bei der Antragstellung weder vorsätzlich noch grob fahrlässig unterlassen. Tatsächlich habe sie keine Erinnerung mehr daran gehabt, dass sie bei der CC-Bank AG im Rahmen des Darlehensvertrages eine Lohnabtretungsklausel unterzeichnet habe. Im Übrigen habe die CC-Bank AG im Rahmen der Vorbereitung des Verbraucherinsolvenzverfahrens ein von der Schuldnerin übersandtes Formular betreffend die Forderungsaufstellung zurückgesandt. In diesem Formular sei ausdrücklich die Frage nach Aussonderungsrechten bzw. Absonderungsrechten gestellt worden. Die CC-Bank AG habe die Forderungsaufstellung übersandt, jedoch nicht auf die Lohnabtretung hingewiesen.

Das Amtsgericht hat mit Beschluß vom 16.04.2002 der Schuldnerin die Restschuldbefreiung versagt. Zur Begründung hat das Amtsgericht ausgeführt, es liege der Versagungsgrund des § 290 Abs. 1 Nr. 6 InsO vor, denn die Schuldnerin habe in dem vorgelegten Vermögensverzeichnis grob fahrlässig unvollständige Angaben gemacht. Die Schuldnerin habe die Abtretung ihres Arbeitseinkommens nicht offenbart. Zwar sei nicht jede unterlassene Angabe einer Sicherungsabtretung im Vermögensverzeichnis grob fahrlässig. Hier sei jedoch zu berücksichtigen, dass der Schuldnerin erst kurze Zeit vor Erstellung des Vermögensverzeichnisses das Schreiben der Bevollmächtigten der CC-Bank AG vom 27.09.2002 zugegangen sei. Wenn die Schuldnerin dann gleichwohl die Abtretung in dem Vermögensverzeichnis nicht erwähne, sei dieses Verhalten grob fahrlässig. Die Schuldnerin habe das Vermögensverzeichnis sorgfältig ausfüllen müssen. Wenn sie tatsächlich beim Ausfüllen des Vermögensverzeichnisses an die Sicherungsabtretung nicht gedacht habe, sei dieses Verhalten grob fahrlässig.

Gegen diesen Beschluß wendet sich die Schuldnerin mit der sofortigen Beschwerde. Sie meint, ihr Verhalten sei nicht grob fahrlässig gewesen. Sie habe keine Erinnerung mehr daran gehabt, dass sie bei der CC-Bank AG im Rahmen des Darlehensvertrages eine formularmäßige Lohnabtretungsklausel unterzeichnet habe. Schließlich sei seit der Unterzeichnung der Klausel und der Erstellung des Vermögensverzeichnisses über fünf Jahre vergangen. Da sie in der Folgezeit kein Einkommen gehabt habe, habe sich die Lohnabtretung auch nicht ausgewirkt. Das Schreiben der Bevollmächtigten der CC-Bank AG vom 27.09.2002 habe die Schuldnerin nicht erhalten. Im Übrigen habe sie sich im Rahmen des außergerichtlichen Schuldenbereinigungsversuches redlich darum bemüht, alle Forderungen und Gläubiger zu erfassen, sie wolle jedoch nicht verhehlen, dass sie zeitweise den Überblick über ihre Schulden verloren habe.

Die sofortige Beschwerde der Schuldnerin ist gemäß §§ 6 Abs. 1, 289 Abs. 2 InsO zulässig, sie ist jedoch nicht begründet. Das Amtsgericht hat im Ergebnis zutreffend der Schuldnerin die Restschuldbefreiung versagt. Zwar ist dem Amtsgericht hier ein Verfahrensfehler unterlaufen, dieser hat sich jedoch auf die Entscheidung nicht ausgewirkt und insbesondere die Rechte der Gläubiger und der Schuldnerin nicht beeinträchtigt. Die Kammer sieht deshalb davon ab, den Beschluß des Amtsgerichts wegen des Verfahrensfehlers aufzuheben. Das Amtsgericht hat zulässigerweise das schriftliche Verfahren angeordnet und den Gläubigern Gelegenheit gegeben, gegen die Ankündigung der Restschuldbefreiung schriftlich Einwendungen vorzubringen. Die vom Amtsgericht insoweit vorgenommene Fristsetzung ist indes verfahrensfehlerhaft. Das Amtsgericht hat den Schlusstermin im schriftlichen Verfahren auf den 08.11.2001 bestimmt und den Gläubigern Gelegenheit gegeben, ihre Einwendungen gegen die Ankündigung der Restschuldbefreiung bis zum 01.11.2001 vorzubringen. Nach § 289 Abs. 1 und Abs. 2 InsO sind die Insolvenzgläubiger im Schlusstermin zu dem Antrag des Schuldners aus Restschuldbefreiung zu hören. Demzufolge müssen sie gemäß § 289 Abs. 2 InsO den Antrag auf Versagung der Restschuldbefreiung im Schlusstermin stellen. Die Versagungsgründe nach § 290 Abs. 1 Nr. 1 bis 6 InsO können weder vorher noch nach dem Schlusstermin geltend gemacht werden (FK/Ahrens, InsO, 3. Auflage, § 289, Rn. 4 f.: HK/Landfermann, InsO, 2. Auflage, § 289 Rn. 4; Pape, Gläubigerbeteiligung im Insolvenzverfahren, 2000, S. 206, Rn. 434 ff.; Kübler/Prütting/Wenzel, InsO, 11. Lfg. 11/00, § 298 Rn. 1; OLG Celle, NZI 2002, 323). Eine Ausnahme hiervon gilt nur dann, wenn ein masseunzulängliches Verfahren vorliegt oder das Insolvenzgericht auf die Durchführung eines Schlußtermines, der in diesem Verfahren nicht vorgeschrieben ist, verzichtet. Diese Ausnahmen liegen jedoch nicht vor. Das Verfahren ist weder massearm noch hat das Insolvenzgericht auf die Durchführung des Schlußtermins verzichtet. Im Hinblick darauf mußte das Amtsgericht den Gläubigern Gelegenheit geben, die Einwendungen gegen die Restschuldbefreiung bis zu dem angesetzten Schlusstermin am 08.11.2001 vorzubringen. Es ist nicht zulässig, die Frist der Gläubiger für die Einwendungen auf einen Zeitpunkt, der eine Woche vor dem Schlußtermin endet, zu begrenzen. Vielmehr muß den Gläubigern nach dem Gesetz Gelegenheit gegeben werden, noch am Schlusstermin, und damit auch bis zu dem im schriftlichen Verfahren bestimmten Schlußtermin, die Einwendungen vorzutragen.

Hier haben indes die Gläubiger, die Einwendungen erhoben haben, diese vor dem vom Amtsgericht bestimmten Termin vorgebracht, so dass insoweit keine Beschneidung ihrer Rechte erkennbar ist. Da sich mithin – wie bereits oben ausgeführt – der Verfahrensfehler nicht ausgewirkt hat, kann die Kammer ohne Zurückweisung des Verfahrens selbst entscheiden.

Das Amtsgericht hat die Restschuldbefreiung zu Recht versagt. Der Versagungsgrund des § 290 Abs. 1 Nr. 6 InsO liegt vor, denn die Schuldnerin hat in dem nach § 305 Abs. 1 Nr. 3 InsO vorzulegenden Verzeichnissen ihres Vermögens und ihres Einkommens grob fahrlässig unvollständige Angaben gemacht. Die Schuldnerin hat eine Abtretung des pfändbaren Teils ihres Arbeitseinkommens vom 04.09.1995 zugunsten der CC-Bank AG in dem Vermögensverzeichnis, das sie mit dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens vorgelegt hat, nicht angegeben. Die Schuldnerin hat auch grob fahrlässig gehandelt. Grob fahrlässig handelt derjenige, der die objektiv erforderliche Sorgfalt nicht einhält und dasjenige unterlässt, was im gegebenen Fall jedem einzuleuchten hat. Daß die Schuldnerin die betreffende Abtretung hätte angeben müssen, versteht sich von selbst, denn unter X 2 des Vermögenverzeichnisses ist ausdrücklich nach Lohnabtretungen, Sicherungsübereignungen und Sicherungsabtretungen gefragt.

Soweit ein Teil der Rechtsprechung und der Literatur für die Würdigung der Frage, ob das Verhalten des Schuldners als grob fahrlässig zu bezeichnen ist, einen großzügigen Maßstab anlegt (vgl. AG Hamburg, NZI 2001, 46, 47; FK/Ahrens, InsO, 3. Aufl. § 290 Rn. 55) vermag die Kammer diese Auffassung nicht zu teilen. Der Begriff der groben Fahrlässigkeit ist definiert als ein besonders schwerer Verstoß gegen die objektiv erforderliche Sorgfalt, die im gegebenen Fall jedem einzuleuchten hat (vgl. BGH, NJW 1994, 2022; BGH, NJW 1997, 1012, 1013). Im Hinblick darauf ist es nicht geboten, für die Frage, ob den Schuldner im Rahmen des § 290 Abs. 1 Nr. 6 InsO ein grob fahrlässiges Verhalten trifft, den Maßstab großzügiger anzulegen, denn von einem Schuldner, der Restschuldbefreiung begehrt, kann erwartet werden, dass er den insoweit mit dem Antrag zusammenhängenden Verpflichtungen genau nachkommt (Kübler/Prütting/Wenzel, InsO, 11. Lfg. 11/01, § 290 Rn. 20, 22; Begründung RegE, BT-Drucks, 12/2443, S. 190 f. abgedruckt in Kübler/Prütting, RWS-Dok. 18, 2. Aufl., S. 546). Eine Lockerung der Sorgfaltsanforderungen bei der Auslegung des Begriffs der groben Fahrlässigkeit ist deshalb nicht gerechtfertigt.

Der Vorwurf der groben Fahrlässigkeit gegenüber der Schuldnerin könnte indes zweifelhaft sein, wenn man davon ausgeht, dass die Schuldnerin seit der Unterzeichnung der Lohnabtretung im September 1995 bis zur Vorbereitung des Verbraucherinsolvenzverfahrens und der Restschuldbefreiung im Jahr 2000 von der Lohnabtretung nichts mehr gehört hat, zumal die CC-Bank AG keine Rechte aus der Lohnabtretung hergeleitet hat. Daß ein Schuldner eine fünf Jahre zurückliegende Lohnabtretung, die er im Zusammenhang mit dem Abschluß eines Darlehensvertrages vorgenommen hat, vergisst, wenn er in der Folgezeit von der Lohnabtretung nicht berührt wird, rechtfertigt nicht den Vorwurf der groben Fahrlässigkeit. Hier liegt der Fall jedoch anders, denn die Schuldnerin wurde zwei Monate vor ihrem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens von der CC-Bank AG auf die Lohnabtretung hingewiesen. Die CC-Bank AG hat mit Schreiben vom 27.09.2000 der Schuldnerin mitgeteilt, dass sie die Lohn- und Gehaltsabtretung gegenüber dem Arbeitgeber der Schuldnerin offen legen werde, sofern die Schuldnerin künftig ihrer Zahlungsverpflichtung aus dem Kreditvertrag nicht nachkommt. Die Schuldnerin war also, während sie das Verbraucherinsolvenzverfahren vorbereitete, auf die Lohnabtretung hingewiesen worden, so dass ihr diese im Bewußtsein gewesen sein muß. Ihr Vorbringen, sie habe die Lohnabtretung vergessen, kann im Hinblick auf diesen kurzen Zeitabstand keine Berücksichtigung finden. Vielmehr handelt die Schuldnerin grob fahrlässig, indem sie in dem Antrag vom November 2000 den Hinweis auf die Lohnabtretung unterließ.

Soweit die Schuldnerin mit der sofortigen Beschwerde bestreitet, das Schreiben der CC-Bank AG vom 27.09.2000 erhalten zu haben, wertet die Kammer dieses Vorbringen als reine Schutzbehauptung. Grundsätzlich muß zwar der Gläubiger, der den Antrag auf Versagung der Restschuldbefreiung stellt, den Versagungsgrund glaubhaft machen (§ 290 Abs. 2 InsO). Hier kann jedoch die antragstellende Gläubigerin den Zugang des betreffenden Schreibens bei der Schuldnerin weder beweisen noch glaubhaft machen. Das Schreiben vom 27.09.2000 stammt von der CC-Bank AG, mithin nicht von der antragstellenden Gläubigerin. Die antragstellende Gläubigerin hatte weder auf die Absendung noch auf den Zugang des Schreibens Einfluß, denn der gesamte Vorgang vollzog sich außerhalb ihrer Sphäre. Die Situation ist mithin nicht mit der im Zivilprozeß geltenden Beweislage, nach der der Absender eines Schreibens den Zugang beim Adressaten zu beweisen hat, vergleichbar. Darüber hinaus gibt es hier keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass das Schreiben der CC-Bank AG vom 27.09.2000 der Schuldnerin nicht zugegangen ist. Die CC-Bank AG hat dieses Schreiben nicht als Rückbrief zurückerhalten. Da die CC-Bank AG auch nicht Antragstellerin im vorliegenden Restschuldbefreiungsverfahren ist, gibt es auch keinen Anhaltspunkt dafür, dass dieses Schreiben ggf. erst nachträglich gefertigt sein könnte oder erst gar nicht an die Schuldnerin abgeschickt wurde. Vielmehr hat dieses Schreiben im vorliegenden Verfahren im Verhältnis der CC-Bank AG zur Schuldnerin keinerlei Funktion. Darüber hinaus hat die Schuldnerin den Zugang dieses Schreibens auch erst im Beschwerdeverfahren bestritten, ohne einen denkbaren Grund für den unterbliebenen Zugang, wie etwa häufiger Verlust von Briefsendungen, darzulegen.

Die unvollständigen Angaben der Schuldnerin sind hier auch von gewisser Erheblichkeit (vgl. Kübler/Prütting/Wenzel, InsO, 11. Lfg. 11/01, § 290 Rn. 21). Die Schuldnerin ist als Küchenhilfe beschäftigt und erhält einen monatlichen Nettoverdienst von 885,-- €. Aufgrund ihrer familiären Situation – sie ist gegenüber ihrem Ehemann und zwei Kindern unterhaltspflichtig – sind zwar zur Zeit keine pfändbaren Beträge zur Masse zu ziehen, dies könnte sich jedoch in Zukunft ändern. Die Lohnabtretung aus dem Jahre 1995 würde sich dann zum Nachteil der übrigen Gläubiger auswirken.

Kommentar:

In dem entschiedenen Fall war die Sachlage so, dass die Schuldnerin am 27.09.2000 durch ein Schreiben der CC-Bank darauf hingewiesen wurde, dass eine Offenlegung der Lohnabtretung bei ihrem Arbeitgeber drohe. Sechs Wochen später stellte die Schuldnerin einen Verbraucherinsolvenzantrag bei dem AG Göttingen. Die Lohnabtretung wurde nach ihren Angaben vergessen, das Landgericht wertete diese Behauptung aber als reine Schutzbehauptung.

Allerdings hatte die Schuldnerin ( u.U. unterstützt durch eine Schuldnerberatungsstelle) vor dem Insolvenzantrag eine Forderungsaufstellung von der CC-Bank angefordert und darin ausdrücklich danach gefragt, ob eine Lohnabtretung vorliege oder nicht. Die CC-Bank hatte dies in dem Antwortschreiben nicht bejaht.

Das LG Göttingen hat seine Entscheidung, der Schuldnerin die Restschuldbefreiung zu versagen, im wesentlichen darauf gestützt, dass sie kurz vor Stellung des Insolvenzantrages eine entsprechendes Schreiben der CC-Bank erhalten hatte und die Lohnabtretung nach 6 Wochen dann vergessen hatte.

Dieser überraschende Beschluss ist für die Praxis der Insolvenzberatung ausserordentlich problematisch, da sehr vielen Schuldnern nicht bewusst ist, dass sie im Rahmen eines Konsumentenkreditvertagtes in der Regel routinemäßig eine Lohnabtretung im Kleingedruckten unterschreiben. Das Problem ist dabei oft in der Praxis, das besonders jetzt bei der Geltung der wesentlich höheren Pfändungsfreigrenzen die Banken bei Zahlungsverzug die Lohnabtretung oft nicht mehr offenlegen, da sie ohnehin wissen, dass sie daraus keine Zahlung mehr erhalten können. Von daher gerät die Lohnabtretung beim Schuldner oft in Vergessenheit.

Vielfach liegen dem Schuldner auch die ursprünglichen Kreditverträge mit der darin enthaltenen Lohnabtretung nicht mehr vor. Bei der Abtretungserklärung für den Treuhänder sollte aber eine Kopie der bisher vorliegenden Lohnabtretungen eingereicht werden, damit dieser ein eventuelles Absonderungsrecht bzw. die Anfechtung desselben überprüfen kann.

Als Konsequenz dieses Beschlusses sollte jeder Schuldner, der Konsumentenkredite erhalten hat und mit diesen Forderungen ins Insolvenzverfahren geht, darauf hinweisen, dass möglicherweise eine Lohnabtretung vorliegt. Dann kann ihm der Vorwurf der bewussten Falschangabe nicht mehr gemacht werden.

Im Praktikerforum des Forum Schuldnerberatung wurde dazu folgender Vorschlag zur Ergänzung der Anlage 3 des Verbraucherinsolvenzformulares gemacht: "Ich konnte in Anlage 5 H nur die mir zum jetzigen Zeitpunkt noch geläufigen Abtretungserklärungen benennen. Ich bin mir aber nicht sicher, ob ich im Laufe meiner anderen, schon länger zurückliegenden Schuldverhältnisse nicht doch noch weitere Abtretungserklärungen unterschrieben habe. Eine entsprechende Anfrage mit dem Hinweis auf die Verpflichtung zur Auskunft nach § 305 Abs. 2 Satz 2 InsO an meine Gläubiger brachte bisher kein anderes Ergebnis."

In dem entschiedenen Fall erzielte die Schuldnerin lediglich einen Nettoverdienst von 885,- Euro bei 3 unterhaltsberechtigten Personen. Von der Pfändungsfreigrenze ( in ihrem Fall von 1.680,- Euro ) ist sie also meilenweit entfernt, trotzdem war das Gericht der Meinung, dass ihr die Restschuldbefreiung versagt werden müsste, da sich diese Situation einmal ändern könnte ( z. B. bei einer Verdreifachung ihres Lohnes als Küchenhilfe ).

Der bis zum 31.12.2001 mögliche Weg der weiteren Beschwerde zum OLG Celle ist der Schuldnerin in diesem Falle leider seit dem 01.01.2002 versperrt. Sie müsste auf eigene Kosten einen Anwalt beim Bundesgerichtshof finanzieren, der ihren Fall dann dem BGH vorlegen müsste. Es liegt auf der Hand, dass dies bei den finanziellen Verhältnissen der Schuldnerin nicht möglich sein kann. Von daher wird dieser Beschluss leider vorerst Bestand haben und für die Insolvenzberatung von großer Bedeutung sein, da der bisher in dieser Beziehung eher lockere Maßstab der Amtsgerichte nun eindeutig durchbrochen ist ( z.B. AG Hamburg, NZI 2001, 46 - 47 ).

Viele Inkassobüros, vor allem der Deutsche Inkasso-Dienst, verwenden seit vielen Jahren Formulare zur Vereinbarung von Ratenzahlungen, die im Text eine Lohnabtretung enthalten. Auch hier ist den meisten Schuldnern nicht bewusst, dass hier eine Lohnabtretung unterschrieben wurde. Dokumente darüber liegen häufig nicht mehr vor. Auch in diesen Fällen ( die quantitativ ausserordentlich häufig sein dürften ) könnte sich der DID auf den jetzt publizierten Beschluss des LG Göttingen berufen und mit Erfolgsaussicht eine Versagung der Restschuldbefreiung im Schlusstermin beantragen. Eine Beeinträchtigung der Befriedigung der Gläubiger ist im Falle des § 290 InsO nicht erforderlich, im Gegensatz zum § 296 InsO während der Wohlverhaltensperiode.

Die Schuldnerin kann allerdings jetzt im Anschluss an diese negative Entscheidung des LG Göttingen unmittelbar ( bzw. nach einem erneuten aussergerichtlichen Einigungsversuch ) einen neuen Antrag auf Eröffnung eines Verbraucherinsolvenzverfahrens stellen, eine Sperrfrist besteht nicht. Insofern ist die Entscheidung des LG Göttingen eine solche, die tendenziell zu einer Mehrbelastung der Insolvenzgerichte durch wiederholte Antragsstellungen führen wird.

Darauf hinzuweisen ist, dass diese Problematik im Regelinsolvenzverfahren nicht besteht, weil eventuelle Falschangaben oder fehlende Angaben hier keinen Versagungsgrund darstellen. An diesem Beispiel zeigt sich, dass in vielen Fällen das Regelinsolvenzverfahren gegenüber dem Verbraucherinsolvenzverfahren das ungefährlichere Verfahren sein kann, vor allem dann, wenn nicht sämtliche finanziellen Verhältnisse des Schuldners lückenlos dokumentiert sind.

Michael Schütz, 3.9.2002