Restschuldbefreiung auch bei Null-Plan

28.03.2002

OLG Stuttgart, Beschluß vom 28.03.2002 – 8 W 560 / 01

Leitsatz des Gerichts:

Ein sogenannter Null-Plan steht der Gewährung einer Restschuldbefreiung nach den §§ 286 ff. InsO nicht grundsätzlich entgegen.

OLG Stuttgart, Beschluß vom 28.03.2002 - 8 W 560 / 01

Fundstelle: ZInsO 2002, 836 -837

I. Der Schuldner - dessen Konkursantrag nach Zusammenbruch seines Bauunternehmens bereits 1997 mangels Masse abgewiesen worden war - stellte am 1.3.2000 beim AG Antrag auf Eröffnung des Verbraucherinsolvenzverfahrens in Verbindung mit einem Antrag auf Restschuldbefreiung.

Nachdem der vorgelegte Schuldenbereinigungsplan nicht die nach § 309 Abs. 1 InsO vorausgesetzte Gläubigerzustimmung erreicht hatte und eine gerichtliche Ersetzung der Zustimmung nicht erfolgt war, eröffnete das Insolvenzgericht - nach Bewilligung von PKH - durch Beschluß vom 24.5.2000 das vereinfachte Insolvenzverfahren (§ 311 InsO) und bestellte den weiteren Beteiligten Nr. 1 zum Treuhänder (§ 313 InsO).

Aus dem Schlussbericht des Treuhänders ergibt sich, dass die Insolvenzmasse Null beträgt, während sich die Schuldenmasse auf ca. 700.000,-- DM beläuft; das Nettoeinkommen ergebe unter Berücksichtigung eines unterhaltberechtigten Kindes keine pfändbaren Beträge, weshalb mangels Insolvenzmasse ein Schlussverteilungsvorschlag nicht unterbreitet werden könne. Durch Beschluß vom 19.12.2000 stimmte der Rechtspfleger dieser Schlussverteilung zu und ordnete die Durchführung des Schlusstermins im schriftlichen Verfahren an.

Trotz Einwendungen der beteiligten Gläubigerin, richtigerweise ergebe sich ein pfändbarer Betrag von monatlich 41,50 DM, kündigte der Richter des Insolvenzgerichtes durch Beschluß vom 19.6.2001 dem Schuldner Restschuldbefreiung nach § 291 InsO unter den dort genannten Bedingungen an und bestimmte die Dauer der Abtretung des laufenden Arbeitseinkommens auf 5 Jahre.

Gegen diese Entscheidung wandte sich die Gläubigerin mit der sofortigen Beschwerde. Zur Begründung machte sie geltend, dass nach § 289 Abs. 3 InsO eine Restschuldbefreiung nur dann zulässig sei, wenn nach Anzeige der Masseunzulänglichkeit die Verteilung der Insolvenzmasse erfolgt und das Verfahren nach § 211 InsO eingestellt worden sei; hier sei bis jetzt weder eine Insolvenzmasse gebildet noch gar verteilt worden.

Das LG wies das Rechtsmittel der Gläubigerin als unbegründet zurück; weder die Norm des § 289 Abs. 3 InsO noch die Tatsache eines "Fast-Nullplans" stehe der Gewährung der Restschuldbefreiung entgegen.

Dagegen wendet sich die Gläubigerin mit der sofortigen weiteren Beschwerde verbunden mit dem Antrag auf deren Zulassung. Der Gewährung der Restschuldbefreiung stehe hier die Tatsache entgegen, dass der Schuldner keine angemessene Gegenleistung erbringen könne, nicht zuletzt auch im Hinblick auf die Erhöhung der Pfändungsfreibeträge ab 01.01.2002; ein "Null-Plan" oder "Fast-Null-Plan" könne sowohl aus verfassungsrechtlichen Erwägungen als auch nach der Grundkonzeption der InsO keine Grundlage für eine Restschuldbefreiung sein.

II. Das Rechtsmittel der Gläubigerin ist als Rechtsbeschwerde nach § 7 Abs. 1 InsO (in der bis zum 31.12.2001 geltenden Fassung) statthaft. Sie richtet sich gegen eine auf § 6 InsO beruhende Beschwerdeentscheidung des LG, die ihrerseits eine insolvenzgerichtliche Entscheidung in einer insolvenzspezifischen Frage zum Gegenstand hat.

Die Rechtsbeschwerde war antragsgemäß zuzulassen. Die sachlichen Voraussetzungen für eine Zulassung sind gegeben, weil die Gläubigerin eine fehlerhafte Rechtsanwendung durch das LG unter Berufung auf zahlreiche gegenteilige Entscheidungen anderer Gerichte geltend macht. Der Senat hält die Nachprüfung der landgerichtlichen Entscheidung zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung - auch im Hinblick auf die anderen beim Senat anhängigen Rechtsbeschwerden des Gläubigervertreters zum gleichen Problemkreis - für geboten, weil sich der Senat zur kontrovers diskutierten Frage des "Null-Plans" bisher noch nicht geäußert hat und eine nach neuen Verfahrensrecht ergangene Rechtsbeschwerdeentscheidung des BGH noch nicht bekannt geworden ist.

Auch die übrigen Zulässigkeitsvoraussetzungen, insbesondere fristgerechte Einlegung und Beschwerdebefugnis der Insolvenzgläubigerin (§ 289 Abs. 2 InsO), sind erfüllt.

III. Die Rechtsbeschwerde der Gläubigerin hat in der Sache keinen Erfolg. Die angegriffene Entscheidung des LG erweist sich als rechtsfehlerfrei.

Der Auffassung der Gläubigerin, ein "Null-Plan" oder ein "Fast-Null-Plan" stehe grds. sowohl einer Restschuldbefreiung als auch schon ihrer Ankündigung entgegen, folgt der Senat nicht. Vielmehr schließt er sich der inzwischen wohl deutlich überwiegenden obergerichtlichen Rechtsprechung an, neben der die von der Beschwerdeführerin zitierte Rechtsprechung der Instanzgerichte kein durchschlagendes Gewicht hat. Danach genügt sowohl für den Schuldenbereinigungsplan als auch für die gerichtliche Ersetzung der Gläubigerzustimmung nach § 309 InsO ein "Null-Plan" als Voraussetzung für eine Restschuldbefreiung (vgl. insbesondere BayObLGZ 1999, 310 = NJW 2000, 220; OLG Celle, ZInsO 2000, 601; OLG Frankfurt NZI 2000, 473; OLG Karlsruhe, NZI 2000, 163; OLG Köln, NJW 2000, 223 = ZIP 1999, 1926= InVo 2000, 16; vgl. auch LG Rottweil, Beschluß vom 16.07.2001 - 1 T 1/2 St [wobei die dort vorgenommenen Einschränkungen hier nicht relevant sind]).

Auch der BGH hat - im Anschluß an die Feststellung, dass nach deutschem Recht "eine bestimmte Mindestquote als Ergebnis einer konkursmäßigen Befriedigung" nicht vorausgesetzt sei (unter Berufung auf BGHZ 134, 71, 91 f.) - im Beschluß vom 18.09.2001 NJW 2002, 960, 961 bzgl. Anerkennung einer ausländischen Restschuldbefreiung) festgestellt, die Ansicht über die Zulässigkeit von "Null-Plänen" in der Verbraucherinsolvenz habe sich "inzwischen ..... durchgesetzt" (ebenso Pape, NJW 2001, 23 35). Hinzu kommt, dass das am 01.12.2001 in Kraft getretene InsOÄndG insoweit keine Änderungen gebracht hat - obwohl dazu ebenso Anlaß bestanden hätte wie hinsichtlich des Problems der PKH.

Angesichts dieser überwiegenden Ansicht in der Rechtsprechung und angesichts der Tatsache, dass ab Anfang 2002 ohnehin (nur noch) die Rechtsbeschwerde zum BGH eröffnet ist, sieht der Senat davon ab, nochmals die jeweiligen Argumente gegeneinander abzuwägen.

Auch die weiteren Einwendungen der Gläubigerin gegen die Entscheidungen - die teilweise einzelfallbezogen sind und eine Zulassung der Rechtsbeschwerde nicht gerechtfertigt hätte - greifen im Ergebnis nicht durch.

Zutreffend hat das LG ausgeführt, dass § 289 Abs. 3 InsO beim hier gegebenen Verfahrensablauf einer Restschuldbefreiung nicht entgegensteht. Die rein begriffliche Argumentation der Beschwerdeführerin, dass eine "Schlussverteilung" i.S.d. § 196 InsO (i.V.m. § 312 Abs. 2 InsO) nicht vorliegen könne, wenn sich die Insolvenzmasse insgesamt auf Null belaufe, weil dann nichts zur Verteilung gekommen sei, kann dem Rechtsmittel ebenso wenig Erfolg verhelfen wie die wiederholten Rückgriffe auf einzelne Passagen der (alten) Entwurfsbegründung. Ziel der "Schlußverteilung" ist es, nach Vorlage des Schlußverzeichnisses und der Schlussrechnung förmlich sicher zu stellen, dass der Schuldner alle verwertbaren Vermögensgegenstände seinen Gläubigern zur Verfügung gestellt hat; dass bei einem "Null-Vermögen" nur eine "Null-Verteilung" in Betracht kommt, erscheint folgerichtig und keineswegs rechtsfehlerhaft.

Kommentar:

Zwar ist es bisher in der Kommentarliteratur die überwiegende Meinung, dass eine Restschuldbefreiung auch dann erfolgen kann, wenn sowohl im Insolvenzverfahren als auch in der Wohlverhaltensperiode keinerlei Zahlung auf die Schulden erfolgt. Infolge der Erhöhung der Pfändungsfreigrenzen wird es in der Praxis vielfach dazu kommen, dass die geringfügigen Pfändungsbeträge für die Verfahrenskosten verbraucht werden und die Insolvenzgläubiger leer ausgehen.

Das OLG Stuttgart hat diese herrschende Meinung klar bestätigt und die weitere Beschwerde der Gläubigerin zurückgewiesen. Entgegengesetzte OLG-Entscheidungen sind nicht bekannt, so dass der BGH hier in der Sache wohl nicht mehr entscheiden wird. Allenfalls denkbar wäre, dass ein Gläubiger in einer solchen Konstellation vor das Bundesverfassungsgericht zieht wegen "Enteignung". Allerdings sind die zu Grunde liegenden Forderungen dann auch in der Einzelzwangsvollstreckung nicht mehr werthaltig.

Michael Schütz, 20.9.2002