Nichtangabe von Gläubigern als Versagungsgrund
AG Göttingen, Beschluß vom 18.12.2002 – 74 IK 107 / 01
Leitsätze des Gerichts:
- Die Nichtangabe eines Gläubigers erfüllt den objektiven Tatbestand des § 290 Abs. 1 Nr. 6 InsO auch dann, wenn der Schuldner sich lediglich als Mitdarlehensnehmer für seinen Ehegatten verpflichtet hat und der Ehegatte die laufenden Ratenzahlungsverpflichtungen erbringt.
- Weist der Schuldner auf die bestehenden Verpflichtung jedoch an anderer Stelle ( hier: Prozesskostenhilfe-antragsformular ) hin, kann es an den subjektiven Voraussetzungen des § 290 Abs. 1 Nr. 6 InsO (Vorsatz oder grobe Fahrlässigkeit) fehlen.
AG Göttingen, Beschluß vom 18.12.2002 – 74 IK 107 / 01
Fundstelle: ZInsO 2003, 41
Der anwaltlich vertretene Schuldner hat am 25.6.2001 Antrag auf Eröffnung des Verbraucherinsolvenzverfahrens über sein Vermögen gestellt. Im Gläubigerverzeichnis sind 9 Gläubiger mit einer Gesamtforderung von ca. 135.000,- DM aufgeführt. Mit Beschluß vom 30.8.2001 ist dem Antragsteller Prozeßkostenhilfe bewilligt und das Verbraucherinsolvenzverfahren eröffnet worden. Mit Verfügung vom 6.9.2002 hat die Rechtspflegerin das schriftliche Verfahren angeordnet und unter anderem festgesetzt, dass Einwendungen gegen den Antrag auf Erteilung der Restschuldbefreiung bis zum 28.10.2002 vorzubringen sind. Mit Schreiben vom 1.10.2002 hat die Versagungsantragsgläubigerin beantragt, dem Schuldner die beantragte Restschuldbefreiung gemäss § 290 Abs. 1 Nr. 6 InsO zu versagen. Sie weist darauf hin, dass der Schuldner eine zusammen mit seiner Ehefrau eingegangenen Kreditverpflichtung über einen Nettokreditbetrag von 44.000,- DM aus dem Jahre 1998 nicht im Gläubigerverzeichnis aufgeführt hat. Der Schuldner beruft sich darauf, dass Darlehensnehmerin seine Ehefrau und er lediglich Mitdarlehensnehmer ist.. Weiter bezahlt seine berufstätige Ehefrau pünktlich die bisher bis zum April 2003 zu erbringenden Raten. Ergänzend weist der Schuldner darauf hin, dass er in der Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse im Zusammenhang mit dem Prozeßkostenhilfe-Antrag unter sonstigen Zahlungsverpflichtungen u.a. den bei der Versagungsantragsgläubigerin bestehenden Ratenkredit mit einer Restschuld von 13.000,- DM aufführte mit der weiteren Angabe, dass der Ehegatte darauf monatlich 650,- DM zahlt.
Der zulässige Antrag ist unbegründet.
Auszugehen ist davon, dass die Versagungsantragsgläubigerin Insolvenzgläubigerin und damit antragsbefugt gemäss § 290 InsO ist. Sie ist zwar im Gläubigerverzeichnis nicht aufgeführt, jedoch stand ihr zum Zeitpunkt der Eröffnung des Verfahrens ein Anspruch gegen den Schuldner zu. Damit ist sie Insolvenzgläubigerin gemäss § 38 InsO.
Der Antrag ist jedoch unbegründet. Zwar ist die Versagungsantragsgläubigerin nicht in dem gemäss § 305 Abs. 1 Nr. 3 InsO a.F. vorgelegten Gläubigerverzeichnis enthalten, so dass der objektive Tatbestand des § 290 Abs. 1 Nr. 6 InsO verwirklicht ist. Da die Forderung der Versagungsantrags-gläubigerin nach den Angaben des Schuldners bei Antragstellung noch in Höhe von 13.000,- DM valutierte, ist in Anbetracht der Höhe der Forderung zunächst von einem zumindest grob fahrlässigen Verhalten des Schuldners auszugehen. Auch ist nach der Rechtsprechung des Landgericht Göttingen (Beschluß vom 4.6.2002 – 10 T 38/02 – ZInsO 2002, 733 = NZI 2002, 564) im Rahmen der subjektiven Voraussetzung des § 290 Abs. 1 Nr. 6 ein strenger Maßstab anzulegen. Anders als im dort entschiedenen Fall beruft sich der Schuldner jedoch nicht darauf, dass er eine Lohnabtretung vergessen habe. Vielmehr ist die Verbindlichkeit nur in der Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse, nicht aber im Gläubigerverzeichnis aufgeführt. Dies erklärt der Schuldner damit, dass seine Ehefrau das Darlehen im Rahmen einer Umschuldung aufnahm, er lediglich als Mitdarlehensnehmer aufgeführt ist und die monatlichen Raten von seiner Ehefrau pünktlich gezahlt werden. Bei dieser Sachlage kann nicht von einem besonders schweren Verstoß gegen die objektiv erforderliche Sorgfalt ausgegangen werden. Das Verhalten des Schuldners stellt sich lediglich als normale Fahrlässigkeit dar.
Soweit sich die Versagungsantragsgläubigerin in ihrer ergänzenden Stellungnahme vom 11.12.2002 auf den Beschluß des Amtsgericht Göttingen vom 13.11.2002 (74 IK 38/00 = ZInsO 2002, 1150) bezieht, folgt daraus nichts anderes. Im Verlaufe des Verfahrens ist die nachträgliche Angabe eines Gläubigers zwar grundsätzlich rechtlich unbeachtlich. Dies gilt jedoch nur, wenn die subjektiven Voraussetzungen des § 290 Abs. 1 Nr. 6 InsO erfüllt sind (Leitsatz 2 des vorgenannten Beschlusses). Daran mangelt es hier.
Der Annahme einer lediglich einfachen Fahrlässigkeit steht auch nicht entgegen, dass der Schuldner bereits bei Antragstellung anwaltlich vertreten war. Zwar muß sich der Schuldner ein etwaiges Fehlverhalten seines Verfahrensbevollmächtigten und von deren Mitarbeitern zurechnen lassen (Beschluß vom 13.11.2002 – ZInsO 2002, 1150 Leitsatz 3). Bei der Frage, ob die subjektiven Voraussetzungen des § 290 Abs. 1 Nr. 6 InsO vorliegen, ist nämlich auf den Horizont des Schuldners abzustellen. Einstehen muß er für ein unvollständiges Gläubigerverzeichnis, dessen Richtigkeit und Vollständigkeit er bei Antragstellung versichert hat, nur unter der weiteren Voraussetzung, dass sich sein Verhalten als vorsätzlich oder grob fahrlässig darstellt. Dies ist jedoch – wie bereits aufgezeigt – nicht der Fall.
Dahinstehen kann daher die weitere Frage, ob im Rahmen des § 290 Abs. 1 Nr. 6 InsO eine Beeinträchtigung der Gläubigerbefriedigung erforderlich ist (vgl. FK-InsO/Ahrens, § 290 Rn. 54 in Verbindung mit Rn. 7). Weiter kann dahinstehen, ob sich in Anbetracht der laufenden Ratenzahlung durch die Ehefrau des Schuldners der Versagungsantrag als rechtsmißbräuchlich darstellt, wie der Schuldnervertreter in seiner Stellungnahme vom 19.11.2002 ausgeführt hat.
Für die Ermessung des Gegenstandswertes hat das Insolvenzgericht die noch offene Restforderung der Versagungsantragsgläubigerin zugrundegelegt, berechnet vom Zeitpunkt der Einreichung des Antrages vom 1.10.2002 an.
Nach Rechtskraft des Beschlusses werden die Akten dem Rechtspfleger zur Ankündigung der Restschuldbefreiung vorgelegt werden (zur Zuständigkeit des Rechtspflegers vergleiche AG Göttingen, ZInsO 2002, 784 = Rpfl. 2002, 648).
Kommentar:
Noch einmal Glück gehabt, möchte man sagen nach der Lektüre dieses Beschlusses. Der Beschluß weist aber auf ein sehr gravierendes Problem im Insolvenz- und Restschuldbefreiungsverfahren hin.
Es ist davon auszugehen, daß der Schuldner im Zweifel war, ob er die zum Zeitpunkt der Insolvenzantragstellung noch vorhandene Kreditrestforderung in das Forderungsverzeichnis einstellen sollte oder nicht. Er musste davon ausgehen, daß diese Forderung in einem überschaubaren Zeitraum (bis April 2003) von seiner Ehefrau getilgt werden würde. Würde jetzt diese Forderung im Prüfungstermin des Schuldners festgestellt werden, dann müsste der Treuhänder auf diese dann längst bezahlte Forderung immer noch Zahlungen leisten, wenn auf dem Treuhandkonto Beträge eingehen. Die Insolvenzordnung kennt leider keinen Regelungsmechanismus, diesem in der Praxis dann doch recht häufig vorkommenden Sachverhalt zu begegnen.
Richtig wäre es deshalb gewesen, den bei Antragstellung noch vorhandenen Kreditsaldo mit anzugeben und etwa im Anschreiben an das Gericht darauf hinzuweisen, daß hier noch ein weiterer Schuldner vorhanden ist, der den Kredit regelmäßig tilgt. Der Gläubiger erhielte dann den Eröffnungsbeschluss vom Treuhänder zugestellt und kann sich überlegen, ob er die Forderung überhaupt bei diesem Schuldner zur Tabelle anmeldet. Tut er dies, so könnte die im vorliegenden Fall vermutlich nicht titulierte Forderung vom Treuhänder bestritten werden. Wird die Forderung zur Tabelle festgestellt, so könnte man die Zahlungsverpflichtung der Ehefrau sinngemäß als Absonderungsrecht betrachten und der Gläubiger müsste gemäss § 190 Abs. 1 InsO innerhalb der Fristen des § 189 Abs. 1 InsO erklären, ob er auf diese abgesonderte Befriedigung verzichtet. Da der Gläubiger mit Sicherheit darauf nicht verzichten wird, kann er anschließend wieder aus dem Schlußverzeichnis gestrichen werden und erhält dann weder aus der Insolvenzmasse noch in der Wohlverhaltensperiode Zahlungen vom Treuhänder.
Zugegebenermaßen ein umständlicher Weg, aber rechtlich der einzig korrekte, der auch die Restschuldbefreiung des Schuldners nicht gefährdet.
Zusammenfassend lässt sich sagen, daß der Schuldner unter allen Umständen alle Forderungen, die gegen ihn bestehen, in das Gläubiger- und Forderungsverzeichnis aufnehmen sollte. Bestehen werthaltige Verpflichtungen anderer Personen für bestimmte Forderungen, so sollte der Schuldner darauf formlos ( etwa im Anschreiben ) hinweisen. Damit ist den hohen Anforderungen, die die Gerichte an die absolute Vollständigkeit der Gläubigerverzeichnisse stellen, Genüge getan und der Schuldner muß nicht befürchten, wegen einer oft vergleichsweise geringen Forderung seine Restschuldbefreiung zu verlieren.
Michael Schütz
11.2.2003