Restschuldbefreiungsantrag auch zulässig, wenn Verbindlichkeiten (hier 500 Euro) niedriger sind als Verfahrenskosten

11.10.2005

LG Dresden, Beschluss vom 11.10.2005 - 5 T 518/05 (nicht rechtskräftig)

Leitsatz des Gerichts:
Im Verbraucherinsolvenzverfahren steht dem Rechtsschutzbedürfnis des Schuldners nicht entgegen, dass seine Gesamtverbindlichkeiten niedriger sind als die nach Erteilung der Restschuldbefreiung fälligen Verfahrenskosten.

Sachverhalt:

I. Die Schuldnerin begehrt die Eröffnung des Verbraucherinsolvenzverfahrens über ihr Vermögen.
Mit am 5.4.2005 eingegangenem Schriftsatz hat die Schuldnerin die Eröffnung des Verbraucherinsolvenzverfahrens über ihr Vermögen sowie Stundung und Restschuldbefreiung beantragt. Aus dem Gläubiger- und Forderungsverzeichnis ergeben sich 7 Gläubiger mit Forderungen i. H. v. insgesamt ca. 980 €.
Mit Beschluss vom 27.4.2005 (ZVI 2005, 384) hat das Amtsgericht den Eröffnungs-, den Restschuldbefreiungs- und den Stundungsantrag verworfen, weil ein Rechtsschutzbedürfnis nicht bestehe. Die Schuldnerin könne kein Interesse daran haben, nach Durchführung des Verfahrens höheren Verbindlichkeiten ausgesetzt zu sein als vorher. Hierzu hat das Amtsgericht Verfahrenskosten von 870 € Treuhändervergütung, 130€ Auslagenpauschale, 225 € Gerichtsgebühren und 150€ Bekanntmachungskosten zugrunde gelegt.
Gegen diesen am 2.5.2005 zugestellten Beschluss wendet sich die am 13. 5.2005 eingegangene sofortige Beschwerde, mit der die Schuldnerin - allerdings erst nach Nichtabhilfe - geltend macht, ihre relativ geringen Verbindlichkeiten von knapp 1000 € seien für eine Sozialhilfeempfängerin ein ebenso unüberwindliches Hindernis, wie für manch anderen vielfach höhere Verbindlichkeiten. Ohnehin sei nach Beendigung des Verfahrens mit einer Niederschlagung der gestundeten Kosten zu rechnen.

Gründe:
II. Die nach § 34 Abs. l InsO statthafte und auch im Übrigen nach §§567 ff. ZPO zulässige sofortige Beschwerde hat auch in der Sache Erfolg, weil auch bei der vorliegend relativ geringen Verschuldung ein Rechtsschutzbedürfnis der Schuldnerin an der Durchrührung des Verfahrens und insbesondere der Gewährung von Restschuldbefreiung besteht.
Zuzustimmen ist dem Amtsgericht zwar im Ansatz, dass der Schuldnerin aller Voraussicht nach Erteilung der Restschuldbefreiung nominell höhere Verbindlichkeiten an gestundeten und wegen § 302 Nr. 3 InsO von der Restschuldbefreiung ausgenommenen Gerichtskosten hätte, als derzeit gegenüber ihren 7 Gläubigem. Diese sind allerdings von unterschiedlicher Qualität.
Während die derzeitigen Verbindlichkeiten vollstreckbar sind und die Schuldnerin auch bei dauernder Unpfändbarkeit alle 3 Jahre zur Abgabe einer erneuten eidesstattlichen Versicherung verpflichtet wäre, würden die Gerichtskosten nach Auslaufen der Stundung bei Erteilung der Restschuldbefreiung nur nach den Sonderregelungen des § 4b InsO vollstreckt. Bei einer auch nach Erteilung der Restschuldbefreiung zu erwartenden vollständigen Vermögenslosigkeit würde das die voraussichtlich zwar keine Niederschlagung, aber doch die Festsetzung von 48 „Nullraten" nach § 115 Abs. l Satz 4 ZPO und den anschließenden Erlass bedeuten (vgl. Uhlenbruck, InsO, 12. Aufl., 4b Rz.4; Kirchhof, in: HK-InsO, 3. Aufl., §4b Rz.10; Wimmer/Grote, InsO, 3. Aufl., §4b Rz.26; zweifelnd Kübler/Prütting/Pape, InsO, § 4b Rz. 14).
Dem steht insbesondere nicht entgegen, dass es aus fiskalischer Sicht unsinnig wäre, in Verfahren wie den vorliegenden, höhere Kosten zu verursachen, als die Schuldnerin Verbindlichkeiten hat. Der Zugang mittelloser Schuldner zur Restschuldbefreiung war zentrales Anliegen des Gesetzes zur Änderung der Insolvenzordnung vom 26.10.2001. Den Materialien ist keinerlei Hinweis darauf zu entnehmen, dass der Gesetzgeber bei einer Verschuldung unter den prognostizierten Verfahrenskosten von ca. 1500€, die nur in dem Bereich einer pfändbaren Masse von ebenfalls unter ca. 1500 € denkbar ist und daher gerade unter den von der Reform begünstigten Schuldnern zu erwarten war, eine Ausnahme vom Stundungsmodell wollte.
Weiter steht nicht entgegen, dass die Annahme eines endgültigen Erlasses entsprechend § 115 Abs. l Satz 4 ZPO nach Ablauf von 48 Monaten nach Erteilung der Restschuldbefreiung auf prognostischen Annahmen beruhe, die derzeit noch nicht mit Sicherheit feststünden. Dies gilt nämlich, wie die angehörte Staatskasse in diesem Zusammenhang konzediert, für die die angefochtenen Beschluss tragenden Annahmen betreffend die zu erwartenden Kosten des Verfahrens gleichermaßen.
Der angegriffene Beschluss ist daher aufzuheben und das Verfahren zur weiteren Durchführung des Eröffnungsverfahrens an das Amtsgericht zurückzugeben (§ 572 Abs. 3 ZPO).
Eine Kostengrundentscheidung ist entbehrlich, weil eine Kostenerstattung nicht in Betracht kommt. Die Festsetzung des Gegenstandswertes beruht auf § 58 Abs. 3 Satz 1, Abs. 1 Satz 1 GKG.

Fundstelle: ZVI 2005, S. 553