Versagung der Restschuldbefreiung, wenn durch Spielen Vermögen verschwendet

10.01.2007

AG Duisburg, Beschluss vom 10.01.2007, 62 IK 363/06

Leitsatz:
Eine Verschwendung von Vermögen liegt vor, wenn der Schuldner beim Verbrauch oder bei der Weggabe von Vermögenswerten grob gegen ein Gebot der wirtschaftlichen Vernunft verstößt, insbesondere wenn er Ausgaben tätigt, die angesichts seiner Lebens-, Einkommens- und Vermögensverhältnisse offenkundig und greifbar unangemessen sind oder nicht in einem sinnvollen Verhältnis zum vernünftigerweise zu erwartenden Nutzen stehen. Ein Schuldner, der im Bewusstsein seiner Zahlungsunfähigkeit einen Betrag von 2.000,00 Euro beim Glücksspiel einsetzt und verliert, verschwendet Vermögen. Die Einrichtung des Insolvenzverfahrens für natürliche Personen mit dem Ziel der Restschuldbefreiung ist inzwischen durch die Berichterstattung in den öffentlichen Medien allgemein bekannt. Eine Unkenntnis dieser Möglichkeit beruht deshalb regelmäßig auf grober Fahrlässigkeit.

§ 290 Abs. 1 Nr. 4 InsO

G r ü n d e

I.

Der 1979 geborene Schuldner, der am 21.04.2006 die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über sein Vermögen sowie Restschuldbefreiung und Stundung der Verfahrenskosten beantragt hat, ist ledig und hat keine Kinder. Er hat den Beruf eines Fachinformatikers erlernt. Seit Oktober 2005 (vgl. Bescheid des Studentenwerks, Bl. 37 der Akte) studiert er an der Universität D Wirtschaftswissenschaften. Er bezieht Leistungen nach dem Bundes-Ausbildungsförderungsgesetz in Höhe von monatlich 479,00 EUR und verdient als studentische Hilfskraft zusätzlich monatlich ca. 200,00 EUR. Sonstige Einkünfte hat er nicht. Sein Vermögen beschränkt sich auf einen Laptop mit einem Schätzwert von 500,00 EUR. Weitere nennenswerte Einkünfte und Vermögensgegenstände hat der Schuldner nicht angegeben und sind auch von dem gerichtlich eingesetzten Insolvenzsachverständigen B nicht festgestellt worden.

Die fälligen Verbindlichkeiten des Schuldners betragen mindestens 31.500,00 EUR. Es handelt sich fast ausschließlich um Bankverbindlichkeiten, die dadurch entstanden sind, dass der Schuldner gegen Ende des vergangenen Jahrhunderts Kredite aufnahm, um mit Aktien zu spekulieren. Diese Geschäfte endeten mit Verlust, so dass der Schuldner die Kredite nicht zurückzahlen konnte.

Am 07.02.2006 wurde dem Schuldner eine Steuererstattung in Höhe von 1.936,07 EUR überwiesen. Der Schuldner besuchte daraufhin am 20.02.2006 das Spielcasino H in D und verspielte dort einen Betrag von 2.000,00 EUR. Noch am selben Tag unterzeichnete er die Vollmacht für seine Verfahrensbevollmächtigte.

Diese Feststellungen beruhen auf den Antragsunterlagen des Schuldners, den Feststelllungen des Insolvenzsachverständigen, Rechtsanwalt B, in seinem Gutachten vom 26.09.2006 (Bl. 71 ff der Akte) sowie den zusätzlichen Angaben des Schuldners im Schreiben an den Sachverständigen vom 04.08.2006 (Bl. 70 der Akte) und im Schreiben an das Gericht vom 22.11.2006 (Bl. 90 der Akte).

II.

Der Antrag auf Stundung der Verfahrenskosten ist unbegründet. Zwar wird das frei verfügbare Vermögen des Schuldners voraussichtlich nicht ausreichen, um die Kosten des beantragten Insolvenzverfahrens zu decken, doch ist die Stundung aus anderen Gründen nicht gerechtfertigt.

1. Die Vorschrift des § 4a Abs. 1 InsO regelt die Voraussetzungen für die Stundung der Verfahrenskosten nicht abschließend. Zweck der Stundung ist es, mittellosen redlichen Schuldnern die Möglichkeit zu geben, Restschuldbefreiung zu erlangen. Deshalb ist die Stundung auch dann ausgeschlossen, wenn bereits im Zeitpunkt der Entscheidung über den Stundungsantrag zweifelsfrei und ohne umfangreiche Prüfungen festzustellen ist, dass ein Versagungsgrund nach § 290 Abs. 1 InsO vorliegt (BGH NJW-RR 2005, 697 = NZI 2005, 232 f. = ZVI 2005, 124 f.; BGH NZI 2006, 712 = ZVI 2006, 511 f.).

2. Dies ist hier der Fall. Es besteht zweifelsfrei ein Grund zur Versagung der Restschuldbefreiung nach § 290 Abs. 1 Nr. 4 InsO, weil der Schuldner durch das Verspielen der Steuererstattung im letzten Jahr vor dem Eröffnungsantrag zumindest grob fahrlässig durch Verschwendung von Vermögen die Befriedigung der Insolvenzgläubiger beeinträchtigt hat. Falls es zur Durchführung des Insolvenzverfahrens kommt, müsste aus gegenwärtiger Sicht dem hierauf gestützten Versagungsantrag eines Insolvenzgläubigers (§§ 289, 290 InsO) stattgegeben werden.

a) Eine Verschwendung von Vermögen im Sinne des § 290 Abs. 1 Nr. 4 InsO liegt vor, wenn der Schuldner beim Verbrauch oder bei der Weggabe von Vermögenswerten grob gegen ein Gebot der wirtschaftlichen Vernunft verstößt, insbesondere wenn er Ausgaben tätigt, die angesichts seiner Lebens-, Einkommens- und Vermögensverhältnisse offenkundig und greifbar unangemessen sind oder nicht in einem sinnvollen Verhältnis zum vernünftigerweise zu erwartenden Nutzen stehen. Dieses Verständnis von Verschwendung ist, wenn auch die Formulierungen unterschiedlich sein mögen, allgemein anerkannt (vgl. etwa Begründung zum RegE InsO, 1992, BT-Dr. 12/2443, S. 190 zu § 239 RegE; BGH NZI 2006, 712, 713 = ZVI 2006, 511 f.; LG Düsseldorf NZI 2004, 390 = ZVI 2004, 547; AG Göttingen ZVI 2004, 628 f., AG Göttingen NZI 2006, 116 f. = ZVI 2005, 504; Döbereiner, Die Restschuldbefreiung nach der InsO, 1997, S. 134 f.; Trendelenburg, Restschuldbefreiung, 2000, S. 215; MünchKomm-InsO/Stephan, 2001, § 290 RdNr. 60; Kübler/Prütting/Wenzel, InsO § 290 Rn. 18; HK-InsO/Landfermann, 4. Aufl. 2006, § 290 Rn. 12; Uhlenbruck/Vallender, InsO, 12. Aufl. 2003, § 290 RdNr. 54; HambK-InsO/Streck, 2006, § 290 RdNr. 24; Graf-Schlicker/Kexel, InsO, 2007, § 290 RdNr. 16 ff.; ferner MünchKomm-BGB/Koch, 4. Aufl. 2000, § 1375 RdNr. 28, Jauering/Berger, BGB, 11. Auflage 2004, § 1375 RdNr. 6).

b) Das Verhalten des Schuldners erfüllt diese Voraussetzungen. Ein Schuldner, der im Bewusstsein seiner Zahlungsunfähigkeit einen Betrag von 2.000,00 EUR beim Glücksspiel einsetzt, verschwendet Vermögen.

Als der Schuldner im Februar 2006 zum Spielcasino H fuhr, wusste er, dass er zahlungsunfähig war. Seine fälligen Verbindlichkeiten, die er seit mehreren Jahren nicht vollständig tilgen konnte, betrugen mindestens 31.500,00 EUR. Zahlungsvereinbarungen bestanden nicht. Er besaß außer der wenige Tage zuvor überwiesenen Steuererstattung von 1.936,00 EUR kein erwähnenswertes Vermögen. Er hatte auch keine Einkünfte, die mehr als den notwendigen Lebensbedarf deckten. Eine Verbesserung dieser Lage in absehbarer Zeit war nicht in Sicht. Dem Schuldner war bewusst, dass er mit jeder mehr als lebens-notwendigen Ausgabe finanzieller Mittel seine Gläubiger benachteiligte. Unter diesen Umständen widersprach es offenkundig und greifbar jedem Gebot wirtschaftlicher Vernunft, das Geld aus der Steuererstattung in Glückspiele zu investieren. Beim Glücksspiel hängt bekanntlich der Gewinn nicht von den Fähigkeiten, Kenntnissen und der Aufmerksamkeit der Spieler, sondern allein oder überwiegend vom Zufall ab. Die Hoffnung des Schuldners, im Fall eines Gewinns die Verbindlichkeiten tilgen zu können, war deshalb schlichtes Wunschdenken ohne jede rational vertretbare Grundlage.

Die Gläubiger sind benachteiligt. Hätte der Schuldner sich pflichtgemäß verhalten, so stünde der verspielte Betrag von 2.000,00 EUR zur Deckung der Verfahrenskosten bereit und die übrige Insolvenzmasse könnte uneingeschränkt zur Verteilung an die Insolvenzgläubiger verwendet werden. Angesichts der Verschwendung sind demgegenüber im Fall der Verfahrenseröffnung zunächst die Verfahrenskosten zu erwirtschaften und an die Berechtigten abzuführen, bevor es zu einer Verteilung der Masse an die Insolvenz-gläubiger kommt (§§ 53, 209 Abs. 1 Nr. 1 InsO).

c) Der Schuldner hat zumindest grob fahrlässig gehandelt. Bei Aufwendung der erforderlichen Sorgfalt eines redlichen Schuldners (§ 1 Satz 2 InsO).hätte sich ihm bereits vor der Fahrt zum Spielcasino die Erkenntnis aufdrängen müssen, dass sein Versuch, mit Hilfe des Glücksspiels seine Schulden außergerichtlich zu bereinigen, angesichts seiner persönlichen und wirtschaftlichen Lage offenkundig und greifbar unvernünftig war. Um zu bemerken, dass sein Verhalten nicht in einem angemessenen Verhältnis zum vernünftigerweise zu erwartenden Nutzen stand, bedurfte es nur eines geringen intellektuellen Aufwands. Gerade dem Schuldner als Studenten der Wirtschaftswissenschaften hätte klar sein müssen, dass ein zahlungsunfähiger Schuldner nirgendwo sonst auf legale Weise mit so geringem finanziellen Aufwand einen so großen Erfolg erzielen kann wie im insolvenzgerichtlichen Verfahren zur Restschuldbefreiung. Dass der Schuldner, wie er behauptet, von der Möglichkeit eines Insolvenzverfahrens mit dem Ziel der Restschuldbefreiung zu diesem Zeitpunkt nichts wusste, ist unerheblich. Die Einrichtung dieses gerichtlichen Verfahrens für natürliche Personen ist inzwischen durch die Berichterstattung in den öffentlichen Medien allgemein bekannt.

Ebenso wenig kann es den Schuldner entlasten, dass er, wie die Aktienspekulationen zeigen, die zu den Verbindlichkeiten geführt haben, augenscheinlich zu einem riskanten wirtschaftlichen Verhalten neigt. Wer das Risiko des Spielens eingeht, muss auch die Folgen tragen.

AG Duisburg, Beschluss vom 10.01.2007, 62 IK 363/06