Aufrechnung mit Steuererstattungsansprüchen in der Wohlverhaltensphase

13.06.2000

LG Koblenz, Beschluss vom 13.6.2000 - 2 T 162/00

Leitsätze:

  1. Eine Aufrechnung mit Steuererstattungsansprüchen im Restschuldbefreiungsverfahren ist grundsätzlich möglich.
  2. Steuererstattungsansprüche gehören nicht zum Arbeitseinkommen und sind daher nicht von der Abtretung des § 287 Abs. 2 InsO erfasst.
  3. Eine wirtschaftliche Schlechterstellung im Sinne von § 309 Abs. 1 Nr. 2 InsO ist dann anzunehmen, wenn der Schuldenbereinigungsplan keine Aufrechnungsmöglichkeit mit Steuererstattungsansprüchen für das Finanzamt vorsieht.

LG Koblenz, Beschluss vom 13.6.2000 - 2 T 162 / 00

Vorinstanz: AG Neuwied, Beschluss vom 14.2.2000 - 22 IK 28 / 99 ( veröffentlicht im Forum Schuldnerberatung )

Fundstelle: ZInsO 2000, 507 - 509

Kommentar:

Während das AG Neuwied noch zu dem Schluss kam, dass wegen § 1 und § 294 InsO ( Gleichbehandlung der Gläubiger ) es nicht zulässig sein kann, dass das Finanzamt nach Aufhebung des Insolvenzverfahrens und Eintritt des Schuldners in die Wohlverhaltensphase wieder aufrechnen darf, ist das LG Koblenz leider zu der gegenteiligen Ansicht gekommen.

Im Kern geht es um die sinngemässe Auslegung des § 96 Abs. 1 Nr. 1 InsO, der da lautet: "Die Aufrechnung ist unzulässig, wenn ein Insolvenzgläubiger erst nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens etwas zur Insolvenzmasse schuldig geworden ist." Diesen Satz legt jetzt das LG Koblenz wortgetreu dahin aus, dass nach Aufhebung des Insolvenzverfahrens ja keine Insolvenzmasse mehr vorhanden ist und von daher das Finanzamt in der Wohlverhaltensperiode an einer Aufrechnung mit seinen Insolvenzforderungen nicht mehr gehindert ist.

Konkret würde dies bedeuten, dass u.U. das Finanzamt z.B. auf Grund der seit Anfang 2001 geltenden grosszügigen Entfernungspauschalen für Fernpendler vollständig mittels Aufrechnung aus dem Einkommensteuererstattungsanspruch des Schuldners in der Wohlverhaltensperiode befriedigt wird, während anderen Gläubigern ein Zugriff auf dieses Guthaben gemäss § 294 InsO untersagt ist. Eine solche Regelung steht in klarem Gegensatz zu § 294 InsO und sinngemäss auch zu dem Beschluss des OLG Köln vom 28.8.2000 ( 2 W 37 / 00, veröffentlicht im Forum Schuldnerberatung ), in dem festgestellt wird, dass es in der Insolvenzordnung keine Privilegien für den Fiskus mehr gibt. Allerdings wurde die Frage der Aufrechenbarkeit mit Steuer-erstattungansprüchen in der Wohlverhaltensperiode in letztgenanntem Beschluss nicht thematisiert.

Gegen diesen Beschluss des LG Koblenz spricht auch, dass Finanzämter im Einzelfall Schuldenbereinigungsplänen ohne Aufrechnungsmöglichkeit in der Wohlverhaltensperiode durchaus zustimmen. Ausserdem könnte die Finanzverwaltung nach diesem Beschluss de facto jeden Schuldenbereinigungsplan zum Scheitern bringen, da sich die Steuererstattungen für 5 oder 7 Jahre im voraus wohl kaum seriös berechnen lassen.

Andererseits zeigt die Praxis, dass die Finanzämter als Insolvenzgläubiger weiterhin mit Einkommensteuererstattungsansprüchen etwa für das Jahr 2000 aufrechnen, auch wenn sich der Schuldner bereits in der Wohlverhaltensperiode befindet. Um hier Klarheit zu bekommen, sollten betroffene Schuldner gegen den Aufrechnungsbescheid des Finanzamtes innerhalb von 1 Monat nach Zustellung Einspruch einlegen. Letztlich werden über diese Frage, ob § 96 Abs. 1 Nr. 1 InsO sinngemäss auch in der Wohlverhaltensperiode gilt, die Finanzgerichte zu entscheiden haben.

Michael Schütz