Zur Anwendbarkeit des § 850 f ZPO in der Verbraucherinsolvenz

22.02.2000

AG Krefeld, Beschl. vom 22.02.2000, 94 IK 30/99

AMTSGERICHT KREFELD

BESCHLUSS

In dem Insolvenzverfahren

.....

wird der Schuldnerin der aus dem Arbeitseinkommen

 

 

zu belassene pfandfreie Betrag auf

2010,10 DM

festgesetzt (§§ 36,4 InsO, 850 f ZPO).

 

 

Gründe:

Die Schuldnerin hatte mit Antrag vom 08.02.2000 die Heraufsetzung des ihr verbleibenden unpfändbaren Betrages beantragt. Ausweislich der Bescheinigung des örtlichen Sozialamtes vom 13.01.2000 ergibt sich ein Sozialhilfebedarf in Höhe von 2010,20 DM gegenüber einem nach § 850c ZPO freien Betrag in Höhe von 1945,52 DM. Gegen diesen Antrag wendet sich die einzige Gläubigerin im Verfahren, indem sie ausführt, durch eine Heraufsetzung sei die optimale Gläubigerbefriedigung, wie sie in der Insolvenzordnung niedergelegt sei, gefährdet.

Der Antrag der Schuldnerin ist gem. §§ 36, 37 Abs.1, 4 InsO, 850 f ZPO zulässig.

Nach §§ 36,37 InsO ergreift der Insolvenzbeschlag nur das der Zwangsvollstreckung unterliegende Vermögen. Im Gegensatz zu den Regelungen der Konkursordnung gehört hierzu auch das Vermögen, das die Schuldnerin während des Verfahrens erwirbt. Damit erlangt die Frage Bedeutung, ob durch den Insolvenzbeschlag das Einkommen der Schuldnerin unter Anwendung des § 850 c ZPO unterhalb des Sozialhilfebedarfs bleibt. Bezogen auf Arbeitseinkommen greifen die Vorschriften der §§ 850 ff. ZPO insgesamt und nicht nur § 850 c ZPO, so dass auch im Insolvenzverfahren über das Vermögen einer natürlichen Person ein Antrag nach § 850 f ZPO zulässig ist. Dabei kann nicht darauf abgestellt werden, dem Antrag nach § 850 f ZPO läge keine Einzelzwangsvollstreckung zugrunde, die ausschließlich eine Entscheidung im Sinne der Vorschrift rechtfertige. Für privatrechtlichen Abtretung wird ein Anspruch des Schuldners auf Sicherung des Sozialhilfebedarfs im Sinne des § 850 f ZPO allgemein bejaht. So führt das Oberlandesgericht Köln in seiner Entscheidung vom 18.02.1998 (12 W 4/98, Rpfleger 1998,354) aus: "Dabei unterliegt es nach Auffassung des Senats allerdings keinem Zweifel, daß dem Schuldner, der seinem Gl. zur Sicherung der Schuld die pfändbaren Anteile seines Einkommens abgetreten hat, ein Weg zur Verfügung stehen muß, durch gerichtliche Entscheidung eine Heraufsetzung des pfändungsfreien Betrages zu erreichen, wenn ein Sachverhalt gegeben ist, der beim Vorliegen einer Pfändung des Gl. zu einer Maßnahme nach § 850 f ZPO führen würde." Das Oberlandesgericht Düsseldorf spricht sich in der Begründung seiner Entscheidung vom 30.09.1998 (24 W 67/98), die sich entscheidungsrelevant mit der Ablehnung der Prozesskostenhilfe befasste, ebenfalls für eine entsprechende Anwendung des § 850 f ZPO im Rahmen einer privatrechtlichen Abtretung aus. Während das Oberlandesgericht Köln jedoch hierfür eine Klage vor dem Prozessgericht für erforderlich hält, führt das Oberlandesgericht Düsseldorf in den Gründen der Entscheidung aus: "Systematisch gesehen fiele eine Ermessensentscheidung im Rahmen eines Erkenntnisverfahrens völlig aus dem Rahmen. Die Zuständigkeit des Vollstreckungsgerichts ist auch sachnäher."

Für das Insolvenzverfahren ergibt sich hieraus, dass, wenn schon im Falle der privatrechtlichen Abtretung ein Verfahren nach § 850 f ZPO zulässig ist, auch im Rahmen der insolvenzrechtlichen Beschlagnahme eine Änderung im Rahmen des § 850 f ZPO möglich ist.

Zur Entscheidung über einen Antrag im vorstehenden Sinne ist das Insolvenzgericht berufen. Zwar ist auch der Treuhänder grundsätzlich berechtigt, den pfändbaren Betrag nach § 850 c ZPO unter Anwendung des § 850 f ZPO zu reduzieren. Er wird dies regelmäßig wegen einer möglichen Haftung nach § 60 Abs.1 Satz 1 InsO unterlassen und hat somit selbst ein Interesse an einer für alle Beteiligten verbindlichen gerichtlichen Entscheidung. Im Hinblick auf die zitierte Entscheidung des Oberlandesgerichts Düsseldorf kann die Schuldnerin nicht auf den Prozessweg verwiesen werden. Zudem würde ein Erkenntnisverfahren vor dem Prozessgericht die Abwicklung des Insolvenzverfahrens für alle Verfahrensbeteiligten unangemessen verzögern. Fragen des Insolvenzverfahrens, also auch, wie hoch der pfändbare Betrag bei Arbeitseinkommen ist, sind erstinstanzlich durch das Insolvenzgericht, das die Aufsicht über das Verfahren auszuüben hat, und nicht durch das Vollstreckungsgericht zu entscheiden. Bei dem Insolvenzgericht ist auch eine entsprechende Kompetenz, insbesondere hinsichtlich des konkreten Verfahrens, vorhanden. Die Grundlagen für eine Entscheidung nach § 850 f ZPO ergeben sich insbesondere im Fall der Verbraucherinsolvenz nach §§ 304 ff. InsO regelmäßig aus den Insolvenzakten. Gemäß §§ §§ 36, 37 Abs.1, 4 InsO, 850 f ZPO war damit über den Antrag der Schuldnerin durch das Insolvenzgericht zu entscheiden.

Überwiegende Interessen der Gläubigerin stehen einer Heraufsetzung des der Schuldnerin verbleibenden Betrages nicht entgegen. Die Gläubigerbefriedigung vollzieht sich im eröffneten Insolvenzverfahren nach den Vorschriften der Insolvenzordnung. Gemäß §§ 36 ff. InsO dient das der Pfändung unterliegende Vermögen der Gläubigerbefriedigung. Daraus ergibt sich, dass der einzelne Gläubiger nicht mehr Befriedigungsmöglichkeiten erlangt, als ihm in der Einzelzwangsvollstreckung zustehen. Lediglich das Verfahren zur Umsetzung ist ein anderes als das in der Einzelzwangsvollstreckung.

Im vorliegenden Fall war in einem Vollstreckungsverfahren des betroffenen Gläubigers gegen die Schuldnerin bereits durch das Amtsgericht Freyung über eine Heraufsetzung des der Schuldnerin zu belassenen Betrages zugunsten der Schuldnerin entschieden worden (M 2055/99, Beschluss vom 12.04.1999).

Hinsichtlich der Höhe des der Schuldnerin zu belassenen Betrages war auf die durch das Sozialamt der Stadt Krefeld ausgestellte Bescheinigung über den individuellen Sozialhilfebedarf der Schuldnerin abzustellen. Dieser Betrag ist der Schuldnerin zu belassen und berechnet sich wie folgt:

 

Regelsätze (§ 22 BSHG in Verbindung mit der Verordnung zu § 22 BSHG)

  

Regelsatz

einfacher Betrag

Personenzahl

zu berücksichtigender Betrag

Haushaltsvorstand oder Alleinstehende

547,00 DM

1

547,00 DM

Kind von Geburt bis zum 7.Geburtstag bei Alleinerziehenden

302,00 DM

0

 

Kind von Geburt bis zum 7.Geburtstag

274,00 DM

0

 

7. Lebensjahr bis zum 14. Geburtstag

356,00 DM

0

 

15. Lebensjahr bis zur Volljährigkeit

492,00 DM

0

 

nach Volljährigkeit

438,00 DM

0

 
    

Mehrbedarf nach § 23 BSHG

  

109,40 DM

Kaltmiete ./. Wohngeld

  

716,12 DM

Heizung

  

135,00 DM

Sonstiger Bedarf (Versicherungen, Kindergarten, Hort, Fahrtkosten)

  

365,93 DM

Zuschlag ( 25 % der Regelsätze) zur Abgeltung eines evtl. entstehenden einmaligen Bedarfs

  

136,75 DM

  

Gesamtbetrag

 

 

Rechtsmittelbelehrung

Dieser Beschluss unterliegt dem Rechtsmittel der sofortigen Beschwerde (§§ 4 InsO, 793, 577 ZPO). Die Beschwerde ist binnen einer Notfrist von 2 Wochen, die mit der Zustellung der Entscheidung beginnt, einzulegen. Die Einlegung bei dem Beschwerdegericht genügt zur Wahrung der Notfrist.

Krefeld, 22.02.2000

Amtsgericht

Mäusezahl
Rechtspfleger

 
eingesandt durch: Rechtspfleger Mäusezahl, AG Krefeld