Keine Zuständigkeit des Insolvenzgerichtes für Streit über die Höhe des Pfändungsbetrages

14.07.2000

Landgericht Köln, Beschluss vom 14.7.2000 - 19 T 65 /00

Die Beschwerde des Schuldners vom 12.05.2000 gegen den Beschluss des Amtsgerichts Köln vom 05.05.2000 - Az.: 71 IK 4/99 - wird auf Kosten des Schuldners zurückgewiesen.

Gründe:

Das Amtsgericht hat durch Beschluss vom 01.06.1999 auf Antrag des Schuldners über dessen Vermögen des Verbraucherinsolvenzverfahren eröffnet und den Treuhänder ernannt.

Die erste Gläubigerversammlung hat am 22.07.1999 beschlossen, dass der an den Treuhänder abzuführende pfändbare Betrag gemäß § 850 c ZPO unter Berücksichtigung von zwei Kindern und der geschiedenen Ehefrau des Schuldners errechnet wird.

Eine Unterhaltspflicht des Schuldners gegenüber seiner geschiedenen Ehefrau besteht indes unstreitig nicht.

Mit Schreiben vom 08.02.2000 hat der Schuldner sodann gegenüber dem Amtsgericht erklärt, er sei in zweiter Ehe verheiratet ( seid dem 26.06.1997 ). Er sei gegenüber seiner jetzigen Ehefrau zum Unterhalt verpflichtet. Da der Treuhänder dies nicht anerkenne, bitte er das Insolvenzgericht um Klärung. Mit Schreiben vom 15.02.2000 hat der Schuldner bei dem Insolvenzgericht den Antrag gestellt, seine jetzige Ehefrau bei der Berechnung der abzuführenden pfändbaren Beträge gemäß § 850 c ZPO als unterhaltsberechtigte Person rückwirkend zum Beginn des Insolvenzverfahren zu berücksichtigen.

Sodann hat das Insolvenzgericht Termin für eine Gläubigerversammlung zur Beschlussfassung über die Gewährung von Unterhalt an den Schuldner und seine Familie auf den 03.05.2000 bestimmt. In diesem Termin ist eine Gläubigerversammlung nicht zustande gekommen.

Daraufhin haben die Beteiligten den Erlass einer gerichtlichen Entscheidung beantragt.

Dabei trägt der Schuldner vor, zwar verdiene seine Ehefrau etwa DM 1.250,00 pro Monat. Jedoch sei sie gegenüber einem Kind aus erster Ehe unterhaltsverpflichtet. Im übrigen sei sie bei zwei Arbeitgebern beschäftigt und müsse insoweit ein Auto finanzieren, was mit erheblichen Aufwendungen verbunden sei.

Der Treuhänder ist der Auffassung, die Ehefrau des Schuldner sei aufgrund ihrer eigenen Einkünfte nicht zu berücksichtigen.

Durch Beschluss vom 05.05.2000 hat das Amtsgericht daraufhin den Antrag des Schuldners und Schuldnervertreters vom 08.02., 15.02., und 03.05.2000 auf Erlass einer gerichtlichen Entscheidung, dass das Insolvenzgericht den Treuhänder anweist, dem Schuldner einen entsprechenden Pfändungsfreibetrag gemäß § 850 c ZPO unter Berücksichtigung der vollen Unterhaltspflicht für drei Personen, nämlich zwei Kindern und seiner Ehefrau, rückwirkend vom Beginn des Insolvenzverfahren an zu belassen, als unzulässig zurückgewiesen.

Nach Zustellung am 09. und am 10.05.2000 hat der Schuldner mit Schreiben vom 12.05.2000, bei Gericht eingegangen am 16.05.2000, Beschwerde erhoben, welcher das Amtsgericht nicht abgeholfen hat.

Die Beschwerde des Schuldners ist zwar zulässig, aber nicht begründet.

Zu Recht hat das AG die von dem Schuldner beantragte Entscheidung über die Berücksichtigung seiner an sich gesetzlich unterhaltsberechtigten Ehefrau bei der Berechnung des unpfändbaren Teils des Arbeitseinkommens des Schuldners abgelehnt.

Der insoweit für die Einzelzwangsvollstreckung geltende § 850 c Abs. 4 ZPO, welcher im übrigen einen Antrag des Gläubigers voraussetzt, findet in dem vorliegenden Verbraucherinsolvenzverfahren weder eine unmittelbare noch eine entsprechende Anwendung.

Vielmehr ist hier von den Vorschriften der §§ 100, 313 Insolvenzordnung auszugehen.

Danach beschließt die Gläubigerversammlung ob und in welchem Umfang dem Schuldner und seiner Familie Unterhalt aus der Insolvenzmasse gewährt werden soll; bis zur Entscheidung der Gläubigerversammlung kann der Treuhänder dem Schuldner den notwendigen Unterhalt gewähren.

Bei Streitigkeiten kommt insoweit eine Entscheidung des Insolvenzgerichts grundsätzlich nicht in Betracht.

Die gegenteilige in dem Regierungsentwurf zu § 114 Abs. 3 Insolvenzordnung vorgesehene Regelung hat der Gesetzgeber bewusst nicht in das geltende Recht übernommen.

Danach besteht eine Unterhaltsanspruch des Schuldners nicht. Vielmehr entscheidet die Gläubigerversammlung bzw. der Treuhänder regelmäßig nach freiem eigenen Ermessen

( dazu etwa

Breutigam/Blersch/Goetsch, Insolvenzrecht, Stand Mai 2000, § 100 Rdnrn. 1, 3, 4, 6, 8;

Frankfurter Kommentar zur Insolvenzordnung, Wimmer, 1999, § 100 Rdnrn. 2, 3;

Heidelberger Kommentar zur Insolvenzordnung, Eickmann, 1999, § 100 Rdnrn. 1, 3, 6;

Hess, Insolvenzordnung, 1999 § 100 Rdnrn. 30, 31;

Kübler/Prütting, Insolvenzordnung, Stand Februar 2000, § 100 Rdnrn. 1, 2, 4, 5 ).

Dabei kann in dem vorliegenden Einzelfall dahingestellt bleiben, ob dies ohne jede Einschränkung gilt oder ob ausnahmsweise etwa bei einer willkürlichen Versagung von Unterhalt durch die Gläubigerversammlung bzw. den Treuhänder der Schutz des Existenzminimums des Schuldners und seiner Familie im Wege der Aufsicht des Insolvenzgerichts kraft Verfassungsrecht oder gemäß § 58 Insolvenzordnung sichergestellt werden muss ( dazu etwa zum Teil weitergehend

Landgericht Dortmund in NZI 2000, 182, 183;

Landgericht Offenburg in NZI 2000, 277, 278;

Landgericht Wuppertal in NZI 2000, 327, 328;

Frankfurter Kommentar zur Insolvenzordnung , Wimmer, 1999, § 313 ( Kohte ) Rdnr. 19;

Steder, Behandlung des Arbeitseinkommens und sonstiger laufender Bezüge im eröffneten Insolvenzverfahren, in ZIP 1999, 1874 bis 1881;

Vallender in NZI 2000, Heft 7 Aktuell:

Bedauerlicherweise keine Empfehlung der Bund - Länder - Arbeitsgruppe Insolvenzrecht ).

Ein solcher Ausnahmefall liegt hier ohne Zweifel nicht vor. Vielmehr spricht in der Sache selbst vieles dafür, dass die Ehefrau des Schuldners aufgrund ihrer eigenen Einkünfte durchaus in der Lage ist, ihren Unterhalt selbst zu bestreiten.

Somit führt die Beschwerde nicht zum Erfolg. Der Schuldner hat die durch sein Rechtsmittel entstandenen Kosten zu tragen ( § 97 Abs. 1 ZPO ).

Beschwerdewert: bis DM 600,00

Landgericht Köln, Beschluss vom 14.7.2000 - 19 T 65 /00

Vorinstanz: AG Köln 71 IK 4 / 99

Fundstelle: bisher keine Veröffentlichung in den Printmedien

Kommentar:

Das Landgericht Köln hat sich mit dieser Entscheidung u.U. bewusst von den aufgeführten Beschlüssen der LG Dortmund und Wuppertal abgesetzt, um vielleicht eine Entscheidung des OLG Köln zu dieser in der Insolvenzgerichtsbarkeit außerordentlich strittigen Frage zu erreichen.

Nach der Argumentation des LG Köln könnte z.B. ein einziger in der Gläubigerversammlung erscheinender Gläubiger bestimmen, daß der insolvente Schuldner trotz einer Unterhaltsverpflichtung für 5 Kinder wie ein Lediger behandelt wird. Der Schuldner hätte nach dieser Logik des AG und LG Köln keinerlei Rechtsmittel gegen diese Entscheidung der beschlußfähigen Gläubigerversammlung.

Dies steht auch in eindeutigem Gegensatz zu § 36 InsO, nach dem nur pfändbare Gegenstände zur Insolvenzmasse gehören. Meines Erachtens ist § 100 InsO nur bei tatsächlich selbständig Tätigen anzuwenden, bei denen die Ermittlung des pfändbaren Betrages nach § 850 c ZPO nicht möglich ist.

Michael Schütz