Schlussverteilung bei laufendem Einkommen nicht möglich

28.05.2001

AG Düsseldorf, Beschluss vom 28. 5. 2001 - 502 IK 72/99

Bezieht der Schuldner laufendes Einkommen, so kann dem Treuhänder eine Zustimmung zur Schlussverteilung nicht erteilt werden, da dies die vollständige Verwertung der Insolvenzmasse voraussetzt.

Durch Beschluss vom 25.5.2000 wurde das Insolvenzverfahren auf Antrag des Schuldners eröffnet. Gleichzeitig mit dem Eröffnungsantrag hat der Schuldner einen Antrag auf Restschuldbefreiung gestellt.

In seinem Bericht vom 17.7.2000 hat der Treuhänder ausgeführt, dass der größte verwertbare Vermögensgegenstand des Schuldners neben einigen kleinen Bankguthaben dessen laufendes Arbeitseinkominen ist. Es ergab sich ein pfändbarer Betrag in Höhe von ca. 1.400 DM monatlich. Der pfändbare Teil des Arbeitseinkommens wird laufend zur Masse gezogen.

Am 20.2.2001 hat der Treuhänder seinen Schlussbericht und die Schlussrechnung eingereicht und die Genehmigung der Schlussverteilung beantragt. Er trägt vor, dass das vollstreckungsfähige Vermögen des Schuldners aus seiner Sicht ausliquidiert ist.

Das Gericht hat Bedenken an dieser Ansicht geäußert, da zum Vermögen des Schuldners laufendes Einkommen gehört und die Verwertung dieses Vermögensteils, nämlich der Einzug der fortlaufend erzielten pfändbaren Beträge, nicht beendet ist. Das Gericht hat außerdem den Schuldner zum Antrag des Treuhänders gehört. Der Schuldner hat keine eigenen Anträge (z.B. nach § 765a ZPO) gestellt.

Dem Antrag des Treuhänders auf Zustimmung zur Schlussverteilung kann nicht entsprochen werden. Diese darf gern. § 196 Abs. 2 InsO nur erteilt werden, wenn die Insolvenzmasse vollständig verwertet ist (Kübler/Prütting, Anm. 4, 5 zu § 196 lnsO; Breutigam / Blersch / Goetsch, Anm. 2 zu § 196 lnsO; Nerlich / Römermann, Anm. 4 zu § 196 InsO).

Nach dem Schlussbericht des Treuhänders ist das Vermögen des Schuldners bis auf das laufende Arbeitseinkommen verwertet. Das Arbeitseinkommen wird weiterhin laufend zur Masse gezogen. Es fällt als Neuvermögen gernäss § 35 InsO in die Masse (Breutigam / Blersch / Goetsch, Anm. 50 zu § 35 InsO), sodass diese bisher nicht vollständig verwertet ist. Dies muss zur Versagung der Zustimmung zur Schlussverteilung führen (Smid, Anm. 3 zu § 35 InsO). In der Literatur und Rechtsprechung wird teilweise die Ansicht vertreten, dass die Vorschrift des § 35 lnsO dahingehend auszulegen sei, dass nur das Arbeitseinkommen vom Jnsolvenzbeschlag erfasst sei, das der Schuldner bis zur Verwertung seines sonstigen Vermögens erwirbt.

Dieser Auslegung steht allerdings entgegen, dass die Einbeziehung des Neuerwerbs in den Insolvenzbeschlag gerade im Hinblick auf die laufenden Einkünfte des natürlichen Schuldners erfolgte (vgl. amtliche Begründung zum RegE InsQ).

Oft stellt das Arbeitseinkommen den einzigen verwertbaren Vermögensgegenstand des Schuldners dar. Dieser Vermögenswert würde durch die mit der einschränkenden Auslegung des § 35 InsO verbundene zeitnah nach der Eröffnung erfolgende Aufhebung des Verfahrens dem Zugriff der Gläubiger entzogen. Das Insolvenzverfahren würde zu einer reinen Durchgangsstation für die nachfolgende Restschuldbefreiung.

In Einzelfällen, in denen im Hinblick auf das Einkommen des Schuldners von der nach § 26 InsO notwendigen Kostendeckung ausgegangen wurde, würde das Insolvenzverfahren nur zum Ansparen der Verfahrenskosten dienen. In Extremfällen müsste dann sogar mangels anderen verwertbaren Vermögens die Einstellung mittels § 207 erfolgen, bevor Kostendeckung vorliegt, was zu einer Versagung der Restschuldbefreiung führen würde, § 289 InsO.

Dies alles ist aber nicht mit den in § 1 InsO normierten Zielen des Insolvenzverfahrens, nämlich vorrangig der gemeinschaftlichen Befriedigung der Gläubiger und anschließender Möglichkeit der Restschuldbefreiung, vereinbar.

In dem jetzt vorliegenden RegE zur Änderung der InsO ist zwar die Ergänzung von § 196 InsO dahingehend vorgesehen, dass die Schlussverteilung erfolgt, sobald die Verwertung der Insolvenzmasse mit Ausnahme des laufenden Einkommens beendet ist. Ein Vorgriff auf diese bisher noch nicht beschlossene Regelung ist aber nicht zulässig. Insbesondere auch, da in den Übergangs- und Schlussvorschriften vorgesehen ist, dass bereits eröffnete Verfahren nach bisher geltendem Recht zu beenden sind.

Nach alledem war die Zustimmung zur Schlussverteilung zu versagen.

AG Düsseldorf, Beschluss vom 28. 5. 2001 - 502 IK 72/99

Fundstelle: ZInsO 2001, 572 ( mit Anmerkung Haarmeyer )

Kommentar:

Das unendliche Insolvenzverfahren, das bisher nur in ( einzelnen ) Kommentaren beschrieben wurde, ist für den davon betroffenen Schuldner im Bereich des AG Düsseldorf jetzt Wirklichkeit geworden. Erst wenn seine Schulden durch die Abführungen an die Insolvenzmasse vollständig bezahlt werden können, ist nach Ansicht dieser Rechtspflegerin eine Schlussverteilung möglich. Anschliessend soll dem Schuldner ( falls er dies je erleben sollte ) eine "Restschuldbefreiung" von den dann nicht mehr vorhandenen Schulden erteilt werden.

Das besonders Perfide an diesem menschenverachtenden Beschluss ist, dass die den Beschluss erlassende Rechtspflegerin sehr wohl darüber informiert ist, dass der Gesetzgeber seinen Fehler bei der Abfassung der Insolvenzordnung erkannt und dies auch durch die Neufassung des § 196 InsO im Rahmen des InsOÄndG dokumentiert hat. Süffisant stellt sie dem Schuldner ( wenngleich formal völlig korrekt ) in Aussicht, dass die Segnungen dieser Neuregelung nicht ihn, sondern nur neu eröffnete Verfahren betreffen.

Dieser Beschluss macht deutlich, dass die im InsOÄndG 2001 vorgesehene Fassung des Art. 103 a EGInsO leider ziemlich verunglückt ist. Der Gesetzgeber wollte vermeiden, dass bereits abge-schlossene Insolvenzverfahren neu aufgerollt werden müssen. Manche Sachverhalte, wie z.B. die Anmeldung einer ausgenommenen Forderung bis zum Prüfungstermin, lassen sich eben nicht mehr nachholen. Es wäre aber möglich gewesen, z.B. die Neufassung des wichtigen § 196 InsO auch für Altverfahren gelten zu lassen.

Es ist zu erwarten, dass die Oberlandesgerichte diesen Missstand korrigieren würden, wenn es denn einen rechtlichen Weg dahin gäbe.

Da es sich bei der og. Entscheidung um die Entscheidung einer Rechtspflegerin handelt und die InsO kein Rechtsmittel dagegen vorsieht, steht als Rechtsmittel nur die Rechtspflegererinnerung zur Verfügung. Über dieses Rechtsmittel entscheidet abschliessend der Insolvenzrichter, das Landgericht ( und damit auch das OLG ) können leider nicht korrigierend eingreifen.

Michael Schütz

03.09.2001

Anmerkung: Dieser Beschluss ist durch einen neuen Beschluss überholt (AG Düsseldorf, 502 IK 72/99)