Zustimmungsersetzung bei Nullplan und schrittweisen Schuldenerlass

13.03.2001

LG Neubrandenburg, Beschluss vom 13. März 2001 (4 T 42/01)

Leitsatz:

Es liegt keine Schlechterstellung des Gläubigers vor, wenn der Schuldenbereinigungsplan vorsieht, dass für jedes Jahr der vollständigen Erfüllung des Plans ein Teil der Forderung erlassen wird. Das gilt auch dann, wenn der Schuldner einen Nullplan vorlegt.


LG Neubrandenburg, Beschluss vom 13.3.2001 - 4 T 42/01 ( noch nicht rechtskräftig )
Vorinstanz: AG Neubrandenburg - IK 281 / 00
Fundstelle: bisher keine Veröffentlichung in den Printmedien

Anderer Ansicht: LG Göttingen, Beschluss vom 24.7.2000 - 10 T 61/00 (rechtskräftig)
Fundstelle: ZInsO 2000, 465 und auch veröffentlicht im Forum Schuldnerberatung

Aus den Gründen:

I.
Mit Schreiben vom 06.10.2000 hat die Schuldnerin einen Antrag auf Eröffnung des Verbraucher-insolvenzverfahrens gestellt und einen Schuldenbereinigungsplan vorgelegt, bei dem es sich um einen sogenannten Nullplan handelt und der von 6 der insgesamt nunmehr 22 Gläubiger abgelehnt worden ist. Der Plan enthält unter Ziffer 5. folgende Klausel:

    "Im Falle einer Kündigung wird der Schuldnerin für jedes Jahr der vollständigen Zahlung der jeweils pfändbaren Beträge aus dem Vergleich ein Bruchteil an der Gesamtforderung erlassen, der diesem Verhältnis zur Gesamtvertragslaufzeit entspricht ( z.B. 1 Jahr Erfüllung bei 5 Jahren Laufzeit entspricht 20 % der Gesamtforderung )".

Der Beteiligte zu 2. hat seine Ablehnung dahingehend begründet, durch diese Klausel würde er wirt-schaftlich schlechter gestellt. Zudem sei nach der InsO ein Nullplan ausgeschlossen. Mit Beschluss vom 22.01.2001 hat das Amtsgericht den Antrag vom 06.10.2000 mit der Begründung zurück-gewiesen, der Beteiligte zu 2. würde durch die Verfallsklausel bzw. den hieraus möglichen Teil- forderungserlaß schlechter gestellt. Ein solcher Teilerlaß sei zudem gesetzlich nicht vorgesehen. Gegen den ihr am 24.01.2001 zugestellten Beschluss hat die Schuldnerin mit dem bei Gericht am 06.02.2001 eingegangenen Schreiben vom gleichen Tag sofortige Beschwerde eingelegt mit der Begründung, eine wirtschaftliche Schlechterstellung sei nicht gegeben. Der Gläubiger hält an seiner bisherigen Auffassung fest.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Akten Bezug genommen.

II.
Die sofortige Beschwerde ist gemäss §§ 4, 6, 309 Abs. 2 Satz 2 InsO und §§ 577, 567 ff. ZPO zulässig, insbesondere fristgerecht eingelegt. Sie hat in der Sache auch Erfolg.

Entgegen der Auffassung des Beteiligten zu 2. steht der Umstand, dass der Schuldner einen Schuldenbereinigungsplan mit einer sogenannten Nulllösung vorgelegt hat, der Ersetzung der Zustimmung nach § 309 InsO nicht entgegen. Nach der inzwischen herrschenden Meinung sind Nullpläne in Verbraucherinsolvenzverfahren zulässig ( OLG Kö1n, NJW 2000, 223; BayObLG, ZInsO 1999, 644 und 2000, 161; OLG Frankfurt, ZInsO 2000, 473; OLG Karlsruhe, NJW-RR 2000, 1216 ). Der Ersetzung der Zustimmung des Beteiligten zu 2. als Gläubiger zum Schulden-bereinigungsplan der Schuldnerin steht § 309 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 InsO nicht entgegen, denn es kann auf Grund der im Plan unter Ziffer 5. enthaltenen Verfallsklausel nicht von einer Schlechterstellung des Gläubigers ausgegangen werden. Grundsätzlich stellt zwar eine solche Verfallsklausel eine abstrakte Schlechterstellung des Gläubigers dar. Es kommt jedoch nicht darauf an, ob eine Schlechterstellung im Verlauf des Verfahrens theoretisch eintreten kann, sondern ob dies tatsächlich zumindest hinreichend wahrscheinlich ist. Da die Schuldnerin vorliegend einen Nullplan vorgelegt hat und damit also zunächst keine Auskehrung ( bzw. Teilbefriedigung ) der Gläubiger stattfinden soll, weil es an einem pfändbaren Einkommen der Schuldnerin fehlt, bedarf es einer Prognose, ob der Schuldenbereinigungsplan nachträglich scheitert, weil die Schuldnerin möglicherweise in Zukunft ein Einkommen erzielen wird, das zum Teil pfändbar ist und die Schuldnerin ihrer Verpflichtung nicht nachkommt, den pfändbaren Teil an die Gläubiger auszukehren. Das aber hat nach § 309 Abs. 2 Satz 2 InsO der Gläubiger vorzutragen und glaubhaft zu machen. Beides hat der Beteiligte zu 2. nicht getan. Darüber hinaus ist nach § 309 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 InsO davon auszugehen, dass die Verhältnisse des Schuldners zum Zeitpunkt des Antrages nach Satz 1 während der gesamten Dauer des Verfahrens maßgeblich bleiben. Das heißt vorliegend, die Schuldnerin wird weder pfändbare Einkünfte erwerben, noch wird es zur Kündigung kommen, weil die Schuldnerin ihren Verpflichtungen zur Zahlung der pfändbaren Beträge nicht nachkommt. Mithin ist weder eine negative Prognose möglich, noch kann praktisch von einer Schlechterstellung der Gläubiger ausgegangen werden. Dies wird das Amtsgericht bei seiner erneut zu treffenden Entscheidung zu berücksichtigen haben.

Kommentar:

Im Restschuldbefreiungsverfahren gilt das Prinzip: alles oder nichts. Entweder der Schuldner steht die 5 oder 7 Jahre ohne Beanstandung durch, dann werden ihm alle Restschulden erlassen. Oder er scheitert in dieser Zeit, die Restschuldbefreiung wird ihm rechtskräftig versagt und er muss die Restschulden vollständig bezahlen. Im Extremfall könnte es sein, dass dem Schuldner nach 6 Jahren und 11 Monaten der Wohlverhaltensperiode die Restschuldbefreiung versagt wird. Um diese möglicherweise sehr harten Folgen etwas abzumildern, versucht die Schuldnerberatung seit geraumer Zeit, Teilverfallsklauseln in die gerichtlichen Schuldenbereinigungspläne einzuarbeiten. Das LG Göttingen hat diesen Weg abgelehnt. Das LG Neubrandenburg hat diese Lösung befürwortet, soweit bekannt als erstes deutsches Landgericht überhaupt. Nach der Argumentation des LG ist bei einem flexiblen Nullplan nicht zu erwarten, dass der Schuldner eine Rate von 0,- DM nicht regelmässig aufbringt. Zudem sei nach § 309 InsO davon auszugehen, dass die Verhältnisse während der Laufzeit des gerichtlichen Schuldenbereinigungsplanes gleichbleiben.

Der Rechtsweg in diesem Verfahren vor dem AG Neubrandenburg ist für den widersprechenden Gläubiger noch nicht ausgeschöpft. Wenn das AG jetzt die Zustimmung ersetzt, ist der Gläubiger beschwert und kann jetzt als Gläubiger Beschwerde zum LG Neubrandenburg ( wohl ohne Erfolg ) einlegen. Da diese Rechtsfrage ( soweit bekannt ) bisher kein OLG entschieden hat, hätte der Gläubiger gute Chancen, eine Zulassung der weiteren Beschwerde nach § 7 InsO beim OLG Rostock zu erreichen.

Michael Schütz