Auch bei geringfügigen Ratenzahlungen vor dem 1.1.1997 kann die Altfallregelung im Verbraucherinsolvenzverfahren angewandt werden

20.03.2001

LG Göttingen, Beschluss vom 20.03.2001 - 10 T 5/01

  1. Auch der Umstand, dass der Schuldner in den Jahren 1983 bis 1998 einigen Gläubigern Raten gezahlt hat, spricht nicht für die Wiederherstellung der Zahlungsfähigkeit, wenn aufgrund der weiteren Umstände deutlich wird, dass es ihm nicht gelungen ist, seinen fälligen Zahlungspflichten nachzukommen.
  2. Die Bestätigung in einem Kreditvertrag, die vereinbarten Raten zurückzuzahlen, steht einer Erklärung im Sinne des § 290 Abs. 1 Nr. 2 InsO nicht gleich, sofern nicht sonstige unzutreffende schriftliche Angaben zu den wirtschaftlichen Verhältnissen gemacht worden sind.

LG Göttingen, Beschluss vom 20.03.2001 - 10 T 5 / 01

Fundstelle: ZInsO 2001, 379 - 380

Kommentar:

Im vorliegenden Fall hatte der Schuldner an einige seiner 22 Gläubiger bis 1998 Raten in der Höhe von jeweils monatlich DM 20,- bis DM 50,- bezahlt, um Zwangsvollstreckungsmassnahmen dieser Gläubiger zu vermeiden. Diese Gläubiger haben im Rahmen des Zustimmungsersetzungsverfahrens vorgetragen, der Schuldner sei deshalb nicht berechtigt, die Altfallregelung in Anspruch zu nehmen, er sei ja vor dem 1.1.1997 zahlungsfähig gewesen.

Das in Insolvenzverfahren sehr versierte LG Göttingen ist dieser Ansicht entgegengetreten und hat in Übereinstimmung mit der herrschenden Meinung in den Kommentaren darauf hingewiesen, dass diese Kleinstraten nicht geeignet waren, die fälligen Zahlungsverpflichtungen des Schuldners zu erfüllen. Nur Raten, die die gesamte Schuldverpflichtung substantiell verringern, sind ein geeignetes Indiz für die Zahlungsfähigkeit.

Ausserdem hatte der Schuldner in 1998 einen neuen Kredit aufgenommen und in dem Kreditvertrag versichert, er werde die fälligen Raten zurückzahlen. Dazu war er nach kurzer Zeit allerdings nicht mehr in der Lage und die Bank sah jetzt in dieser Versicherung einen Versagungsgrund gemäss § 290 Abs. 1 Nr. 2 InsO. Er hatte allerdings in Zusammenhang mit der Kreditgewährung keine weiteren schriftlichen Aussagen zu seinen wirtschaftlichen Verhältnissen gemacht und deshalb sah das Gericht keinen Grund für eine mögliche Versagung der Restschuldbefreiung.

In diesem Fall hat der Schuldner bezüglich des Neukredites Glück und ein verständnisvolles Beschwerdegericht gehabt. In den meisten Fällen wird er allerdings eine Selbstauskunft ausgefüllt und darin nicht unbedingt alle Verbindlichkeiten aufgeführt haben. Da sich die Selbstauskunft in der Regel nur in Händen der Bank befindet, ist bei der Einbeziehung von Neukrediten bei bestehender Vorverschuldung innerhalb von 3 Jahren ab Vertragsschluss in ein Insolvenzverfahren generell Vorsicht geboten. Häufig ist dem Schuldner nicht mehr bewusst, dass er eine unvollständige Angabe gemacht hat, um einen Kredit zu erlangen. Besser ist es, hier die 3-Jahres-Frist abzuwarten.

Michael Schütz