Zustimmungsersetzung bei Bürgschaft nach § 309 InsO

07.08.2001

AG Saarbrücken, Beschluss vom 7.8.2001 - 61 IK 167/00

Leitsatz des Gerichts:

Eine Klausel im Schuldenbereinigungsplan, nach der die Verpflichtung des Bürgen in voller Höhe erhalten bleibt, während gleichzeitig der Schuldner nur zur teilweisen Befriedigung des Gläubigers verpflichtet sein soll, ist unwirksam. Die Vorschrift des § 301 InsO ist nicht analog anzuwenden.

AG Saarbrücken, Nebenstelle Sulzbach, Beschluß vom 7.8.2001 - 61 IK 167/00

Fundstelle: ZInsO 2002, 151 - 152

I. Am 14.9.2000 hat die Schuldnerin wegen Zahlungsunfähigkeit einen Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens über ihr Vermögen gestellt. Sie hat gegenüber 17 Gläubigern Gesamtverbindlichkeiten in Höhe von 664.994,90 DM.

Die Schuldnerin erzielt als Verwaltungs- und Außendienstmitarbeiterin ein monatliches Nettoeinkommen von 1.388,68 DM. Sie ist keiner weiteren Person gegenüber unterhaltspflichtig.

Im Schuldenbereinigungsplan in der Fassung vom 22.2.2001 bietet die Schuldnerin ihren Gläubigern eine Einmalzahlung von insgesamt 15.000,00 DM zur Verteilung nach dem Verhältnis der gegen sie gerichteten Forderungen. Mit Ergänzung vom 5.6.2001 nahm sie in die zu dem Plan gehörenden "Ergänzenden Regelungen und Erläuterungen" eine Klausel auf, nach der "die Sicherheit in Form der Bürgschaft des Herrn L. im gerichtlichen Schuldenbereinigungsplan bestehen (bleibt), § 301 InsO analog". Während der Schuldenbereinigungsplan in der Fassung vom 22.2.2001 an alle Gläubiger zugestellt worden ist, ist eine Zustellung der ergänzten Fassung vom 5.6.2001 ausschließlich an die S. erfolgt.

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Am 23.5.2001 hat die Schuldnerin beantragt, durch das Gericht gemäss § 309 InsO die Zustimmungen der widersprechenden Gläubiger ersetzen zu lassen.

II. Der Antrag der Schuldnerin auf Ersetzung der Zustimmung ist nach § 309 Abs. 1 Satz 1 InsO zulässig, da mehr als die Hälfte der benannten Gläubiger dem Schuldenbereinigungsplan zugestimmt haben und die Summe der Ansprüche der zustimmenden Gläubiger mehr als die Hälfte der Summe aller beteiligten Gläubiger beträgt. Dies ergibt sich aus folgender Übersicht:

Von 17 Gläubiger mit einer Gesamtforderungssumme von 664.994,90 DM haben zehn Gläubiger mit einer Forderungssumme von 355.382,20 DM dem Plan zugestimmt; sieben Gläubiger mit einer Forderungssumme von 309.612,70 DM haben ihn abgelehnt.

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Die Zustimmung der S war dagegen nicht zu ersetzen. Denn diese Gläubigerin wird durch den Plan schlechter gestellt als bei Durchführung des Verfahrens über die Anträge auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens und Erteilung der Restschuldbefreiung ( § 309 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 InsO ).

Bei Durchführung dieser Verfahrensabschnitte bliebe der Bürge L. trotz Restschuldbefreiung für die Schuldnerin gemäss § 301 Abs. 2 Satz 1 InsO gegenüber der Gläubigerin zur Leistung verpflichtet. Demgegenüber wäre bei Zustandekommen des Schuldenbereinigungsplanes die Forderung gegen den Bürgen aus dem Bürgschaftsvertrag gemäss § 768 BGB nicht mehr durchsetzbar, da sich dieser auf das Erlöschen der restlichen, nach der Regelung im Schuldenbereinigungsplan nicht zu tilgenden Forderung der Gläubigerin berufen könnte.

Die Regelung im Schuldenbereinigungsplan, nach der die Verpflichtung des Bürgen in entsprechender Anwendung des § 301 InsO bei Zustandekommen des Plans in voller Höhe, also über den nach dem Plan von der Schuldnerin zu zahlenden Betrag hinaus, bestehen bleiben soll, führt nicht zu der gewollten Verpflichtung des Bürgen im Verhältnis zur Gläubigerin.

Eine solche Vereinbarung zwischen Schuldnerin und Gläubigerin wäre als Vertrag zulasten Dritter unwirksam.

Die Vorschrift des § 301 InsO ist im Schuldenbereinigungsplanverfahren auch nicht analog anwendbar. Es erscheint bereits zweifelhaft, ob § 301 InsO als Ausnahmevorschrift einer Analogie überhaupt zugänglich ist. Jedenfalls ist die Rechtslage im Schuldenbereinigungsplanverfahren nicht mit derjenigen im Restschuldbefreiungsverfahren vergleichbar. Denn mit Erteilung der Restschuldbefreiung erlöschen die von ihr umfassten Forderungen nicht, sondern werden lediglich zu unvollkommenen Verbindlichkeiten, die nicht durchsetzbar, wohl aber erfüllbar sind (vgl. hierzu etwa Kübler/Prütting/Wenzel, InsO, Stand 03/01, Rn. 1 zu § 301; Palandt/Heinrichs, BGB, 59. Auflage, Rn. 15 vor § 241). Somit durchbricht die Regelung des § 301 InsO auch nicht die Regelung des § 767 Abs. 1 Satz 1 BGB, sondern nimmt – als Ausnahme zu § 768 Abs. 1 Satz 1 BGB – dem Bürgen lediglich die Einrede der zugunsten der Schuldnerin eingetretenen Restschuldbefreiung gegenüber der Gläubigerin. Demgegenüber erlischt die nach dem Schuldenbereinigungsplan von der Schuldnerin nicht zu erfüllende Forderung. Denn der Plan hat die Wirkung eines Vergleichs, § 308 Abs. 1 Satz 2 InsO, gestaltet also die Forderungen der Gläubiger inhaltlich um.

Kommentar:

Genauso wie in dem Urteil des LG Hamburg als Prozessgericht ( NZI 2002, 114-115 ) weist diese insolvenzrechtliche Entscheidung darauf hin, dass mit der Reduzierung einer Forderung in einem aussergerichtlichen oder gerichtlichen Schuldenbereinigungsplan auch die Ansprüche des Gläubigers an den Bürgen erloschen wären. Nur wenn der Schuldner das Insolvenz- und Restschuldbefreiungsverfahren tatsächlich durchläuft, hat der Gläubiger den Vorteil, dass er den Bürgen gemäss der Ausnahmeregelung des § 301 InsO trotzdem weiter in Anspruch nehmen kann, obwohl die Restforderung gegenüber dem eigentlichen Schuldner nicht mehr durchsetzbar ist.

Insofern gibt es aus meiner Sicht bei einem rechtlich versierten Gläubiger einer Forderung, die noch durch eine eventuell werthaltige Bürgschaft gesichert ist, keine Möglichkeit, einen gerichtlichen Schuldenbereinigungsplan durchzusetzen. Der Gläubiger kann sich immer darauf berufen, dass er durch den Plan schlechter gestellt wird und Klauseln, die diese Schlechterstellung beseitigen sollen, sind als Vertrag zu Lasten Dritter ( des Bürgen ) nicht zulässig.

Michael Schütz