Keine Mindestquote oder sonstige Mindestanforderungen für den Plan

22.03.2000

LG Koblenz, Beschluß vom 22.3.2000 - 2 T 145/2000

Landgericht Koblenz: Keine Prüfungskompetenz auf Angemessenheit des Schuldenbereinigungsplans

 


  1. Das Insolvenzgericht hat bzgl. des Schuldenbereinigungsplans lediglich eine formale Vollständigkeitskontrolle durchzuführen
  2. Das Amtsgericht darf in diesem Stadium den Antrag nicht im Hinblick auf das Fehlen der Voraussetzungen gem. § 305 Abs. 1 Inso als unzulässig zurückweisen
  3. Das Gesetz sieht keine Mindestbefriedigungsquote oder sonstige Mindestanforderungen für den Plan vor

LG Koblenz, Beschluß vom 22.3.2000 - 2 T 145/2000


Gründe:

Durch den angefochtenen Beschluß, auf dessen Gründe zur weiteren Sachdarstellung Bezug genommen wird, hat das Amtsgericht den Insolvenzantrag der Schuldnerin als unzulässig zugewiesen mit der Begründung, der vorgelegte Schuldenbereinigungsplan sei angesichts der Geringfügigkeit der Tilgungsquote nicht geeignet, die gesetzlich intendierte angemeseene Schuldenbereinigung herbeizuführen. Bei zutreffender Berechnung des pfandfreien Einkommens der Schuldnerin stehe ein höherer Betrag zur Verteilung auf die Gläubiger zur Verfügung als derjenige, den die Schuldnerin angeboten habe.

Gegen diese ihr am 22. 2. 2000 zugestellte Entscheidung wendet sich die Schuldnerin mit der beim Amtsgericht am 6. 3. 2000 eingegangenen sofortigen Beschwerde, zu deren Begründung sie im Wesentlichen ausführt, ein materielles Prüfungsrecht stehe dem Insolvenzgericht ein dieser Verfahrensphase nicht zu sondern lediglich eine formale Vollständigkeitskontrolle.

Die gem. §§ 6 Abs. 1, 34 Abs. 1, 4 InsO in Verbindung mit §§ 569, 577 Abs. 2 ZPO zulässige sofortige Beschwerde führt zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses.

Das Amtsgericht durfte in diesem Stadium des Verfahrens den Insolvenzeröffnungsantrag nicht im Hinblick auf das Fehlen der Voraussetzungen gem. § 305 Abs. 1 InsO als unzulässig zurückweisen.

Als Zulässigkeitsvoraussetzung für einen Eröffnugnsantrag gelten - auch im Verbraucherinsolvenzverfahren gem. § 304 Abs. 1 InsO - die allgemeinen Vorschriften der §§ 11 ff. InsO, soweit in § 305 ff. Inso nichts anderes bestimmt ist.

Für den Fall des Fehlens oder inhaltlichen Unzulänglichkeit der gem. § 305 As. 1 Nr. 1 bis 4 InsO vorzulegenden Unterlagen sieht das Gesetz nicht die Abweisung des Insolvenzeröffnungsantrages vor. Insoweit hat nämlich die Insolvenzordnung für den Bereich der Verbraucherinsolvenz eine eigene Regelung getroffen.

Nach § 306 InsO ruht das Verfahren über den Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens bis zur Entscheidung über den Schuldenbereinigungsplan. Das Insolvenzgericht hat zur Vermeidung eines gerichtlichen Insolvenzverfahrens zuvor in das Verfahren einer einvernehmlichen Schuldenbereinigung einzutreten. Das Ruhen des Verfahrens über den Eröffnungsantrag bewirkt, das über diesen Antrag zunächst nicht zu entscheiden ist.

Erst nach einem erfolglosen Schuldenbereinigungsveruch kann das Verfahren über den Eröffnungsantrag wieder aufgenommen werden. Das schließt bis zur Wiederaufnahme eine Nichteröffnungsentscheidung aus. Die abschließende Prüfung des Eröffnungsantrages findet erst nach dem Scheitern des gerichtlichen Schuldenbereinigungsverfahrens im wiederaufgenommenen Eröffnungsverfahren nach den §§ 311 ff. InsO statt.

In dem zwischengeschalteten Verbraucherinsolvenzverfahren ist aufgrund der Antragseinreichung nach § 305 InsO keine förmliche Entscheidung über die Zulassung oder Nichtzulassung des Antrages vorgeschrieben. Vielmehr ist der Gesetzgeber einen anderen Weg gegangen: Sollte das Insolvenzgericht bei Prüfung der Antragsformalitäten feststellen, dass die vorgelegten Unterlagen unvollständig sind, so hat es unter Fristsetzung den Antragssteller aufzufordern, das Fehlende unverzüglichzu ergänzen. Rechtsfolge der Nichterfüllung dieser Verpflichtung des Antragstellers binnen Monatsfrist ist nach § 305 Abs. 3 Satz 2 InsO, dass der Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens als zurückgenommen gilt. Diese Rechtsfolge hat das Gericht nicht in einem entsprechenden Beschluß festzustellen, sondern sie folgt unmittelbar aus dem Gesetz.

Nicht zuletzt aus dieser Konstellation ist abzuleiten, dass das Insolvenzgericht im Rahmen der Prüfung nach § 305 InsO lediglich eine Formalkontrolle duchzuführen hat. Prüfungsmaßstab des Insolvenzgerichts ist in diesem, dem Eröffnungsverfahren zwischengeschalteten Verfahren, zunächst die quantitative Vollständigkeit der gem. § 305 Abs. 1 Nr. 1 bis 4 InsO vorzulegenden Unterlagen. Eine inhaltliche Überprüfung der vorgelegten Unterlagen nimmt das Insolvenzgericht nicht vor. Es hat lediglich zu prüfen, ob die vorgelegten Schriftstücke, die im Gesetz aufgeführten Unterlagen darstellen. Dies bedeutet, dass die vorgenannten Unterlagen den gesetzlichen Kriterien entsprechen und nicht als lediglich formale und nicht ernsthafte Dokumente erscheinen.

Aus dem Gesetzestext des § 305 Abs. 1 Nr. 4 InsO ..."geeignet sind, zu einer angemessenen Schuldenbereinigung zu führen ..." läßt sich entgegen der Ansicht des Amtsgerichts weder ein materieller Prüfungszwang noch ein Prüfungsrecht des Insolvenzgerichts ableiten. Die vorgenannte Formulierung des Gesetzes kennzeichnet lediglich eine an den Schuldner gerichtete Zielvorstellung. Wenn nämlich der Schuldenbereinigungsplan inhaltlich nicht als taugliches Angebot für eine vergleichsweise Regelung erscheint, so hat der Amtsrichter die Möglichkeit, über § 305 Abs. 3 Satz 1 InsO eine erfolgversprechende Abänderung des Schuldenbereinigungsplanes anzuregen. Darüber hinaus hat er keinen Einfluss oder Entscheidungsrechte in diesem Verfahrensabschnitt. Vielmehr entscheiden die Gläubiger und der Schuldner, ob eine Schuldenbereinigung "angemessen" ist. Die Frage der Angemessenheit des Planes kann somit allenfalls in die Entscheidung über die richterliche Zustimmungsersetzung nach § 305 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 InsO einfließen.

Bereits deshalb, weil der Amtsrichter den Zurückweisungsbeshluss mit Erwägungen begründet hat, die in diesem Verfahrensabschnitt nicht zu prüfen waren, konnte der angefochtene Beschluss keinen Bestand haben.

Das Amtsgericht hat aber auch zu Unrecht die angemessene Schuldenbereinigung im Vorfeld des Verfahrens deshalb in Frage gestellt, weil es einen höheren pfandfreien Betrag ermittelt als die Schuldnerin angeboten hat.

Die Ausgestaltung des Schuldenbereinigungsplans wird nämlich von dem Grundsatz der Privatautonomie beherrscht. Leitbild des Gesetzgebers bei der Schaffung des zugrundeliegenden Schuldenbereinigungsverfahrens war nämlich nicht die Rechtsfigur des früheren Zwangsvergleichs, sondern der von der Privatautonomie beherrschte Prozessvergleich, dessen materielle Wirksamkeit in erste Linie an den Schranken des Bürgerlichen Rechts zu messen ist. Die Beteiligten haben mithin hinsichtlich seines Inhaltes freie Hand. Es sind alle zivilrechtlich denkbaren Lösung möglich, mithin auch Stundungen, Ratenzahlungen, Teilerlass oder sogar vollständiger Erlaß. Dementsprechend sieht das Gesetz auch keine Mindestbefriedigungsquote oder sonstige Mindestanforderungen für den Plan vor. Grundsätzlich kann daher der Schuldner seiner Pflicht zur Vorlage eines Schuldenbereinigungsplans auch dadurch genügen, dasser seinen Gläubigern in Erwartung eines Verzichts nichts oder fast nichts anbietet.

Auch aus dem Gesetzeszweck der Insolvenzordnung läßt sich nicht das Erfordernis einer irgendwie gearteten Mindestbefriedigung der Gläubiger herleiten. § 1 InsO stellt zwei gesetzgeberische Ziele voran, nämlich die Gläubigerbefriedigung und die Schuldenbefreiung für enen redlichen Schuldner. Angesichts der eindeutigen Regelung der Voraussetzungen für eine Restschuldbefreiung in §§ 286 ff. InsO, die dem völlig mittellosen Schuldner bei der Einstellung des Insolvenzverfahrens wegen Masseunzulänglichkeit die Möglichkeit der Restschuldbefreiung einräumt, läßt sich aus § 1 InsO nicht ableiten, dass das neu geschaffene Rechtsnstitut eine Minimalbefriedigung der Gläubiger zur Voraussetzung hat.

Auch im übrigen läßt die Insolvenzordnung nicht erkennen, dass eine Minimalbefriedigung der Gläubiger unzulässig sein sollte. Denn selbst die mittellosen Schuldner, die dem Gläubiger nichts zu geben Vermag, wird die Möglichkeit der Restschuldbefreiung nicht verschlossen. Die Restschuldbefreiung ist nämlich nach § 209 Abs. 3 Satz 1 InsO möglich, wenn das Insolvenzverfahren eröffnet wurde und zur Einstellung nach § 211 InsO geführt hat. Die Eröffnung des Insolvenzverfahrens kann der Schuldner trotz Mittellosigkeit errechen, wenn er oder ein Dritter einen kostendeckenden Vorschuss erbringt (§ 26 Abs. 1 Satz 2 InsO). Eine Einstellung mangels Masse nach § 207 Abs. 1 InsO kann er verhindern, wenn von ihm oder wiederum einem Dritten zur Deckung der Verfahrenskosten ein ausreichender Geldbetrag vorgeschossen wird (§ 207 Abs. 1 Satz 2 InsO). Der Gesetzgeber hat somit in bewußter Entscheidung einen Verfahrensablauf vorgesehen, der auch einem "armen" Schuldner die Restschuldbefreiung grundsätzlich ermöglicht. Eine unterschiedliche Behandlung zwischen Regelinsolvenz und Verbraucherinsolvenz ist hinsichtlich der Möglichkeit des Restschuldbefreiung nicht gerechtfertigt (vgl. zum Ganzen u.A. BayObLG ZInsO 1999, § 645 ff., OLG Köln, MDR 2000, S. 230 f.)


Eingereicht durch: Caritasverband Rhein-Lahn