Frau F.

13.06.2005

Der Mensch hinter den Schulden

Ich habe meinen Mann 1978 kennen gelernt und wir sind viel ausgegangen. Er hat schon immer gern was getrunken, aber früher war mir das halt nie so bewusst und ich habe auch was mitgetrunken.

So vor 10 Jahren fing das halt an. Das hieß, er hat drei vier Tage durchgetrunken und hat sich auf der Arbeit nicht gemeldet. Er brauchte dann eine gute Woche zum Nüchtern werden. Dann war die Arbeit weg und man ging zum Arbeitsamt oder er hat selbst aufgehört dann kam dann kein Arbeitslosengeld; man musste zum Sozialamt.
Ich bin dann morgens putzen gegangen, abends putzen gegangen. Wir hatten ein bisschen Unterstützung von Schwiegermutter, die auch ab und zu mal ne Miete bezahlte.


Wie kam es zu den Schulden?
Einmal brauchten wir ein neues Schlafzimmer. Geld war nicht da und so hat man nach Katalog was bestellt und die ersten Raten bezahlt. Er hat wieder getrunken, ist wieder arbeitslos geworden und mit den Jahren wurde das immer schlimmer.
Manchmal ging es gar nicht anders, als irgendwo Geld aufzunehmen. Dann stand mal in der Zeitung "Kredit ohne Schufa-Auskunft" Da können wir die Miete mit bezahlen, das Auto muss in die Werkstatt, mein Mann brauchte das ja für die Arbeit. Man sah nur was vor einem, aber nicht was schon hinter einem lag. Den Berg an Schulden hat man gar nicht gesehen.
Oder halt Mitte Dezember kein einziges Geschenk für die Kinder, er arbeitslos, was ich mit dem Putzen verdiente, das war gerade zum Leben genug. Man stand dann da und dann bestellt man halt wieder.
Dann bin ich noch in die Stadt gefahren und habe mir einen Ring für 9,95 gekauft, Modeschmuck damit mein Mann mir was zu Weihnachten schenken konnte. Die Kinder achten doch auf so was.
Er gab das ganze Geld aus. Er holte sich Vorschuss, da kam nur noch ein Teil von der Löhnung. Das reichte manchmal gerade für die Miete. Ich hatte unheimlich Angst alleine mit den Kindern und den ganzen Schulden zu sein.
Irgendwann habe ich es dann doch geschafft mich von meinem Mann zu trennen. Ich habe mich trotz unserer Trennung immer um ihn gekümmert. Wenn er kein Geld hatte, kam er und ich habe für ihn eingekauft und seine Wäsche gemacht. Mein Sohn hing sehr an seinem Vater
Dann ist er in Therapie gegangen, im Josefkrankenhaus. Ich hab mich immer um ihn gekümmert und wäre da nicht losgekommen. Weiß ich nicht warum. Ich habe, obwohl ich nicht viel habe, ihm auch finanziell geholfen. Für ihn eingekauft, als der Strom abgeklemmt werden sollte, habe ich das auch bezahlt. Er ist am Alkohol gestorben.


Wie haben Verwandte und Freunde regiert?
Meine Geschwister, die haben das einfach überspielt. Jeder wusste, aber gesagt hat keiner was. Die letzten Jahre bin ich nirgendwo mehr hingegangen. Wenn irgendwas war, habe ich abgesagt. Entweder ist er alleine gegangen oder auch zu Hause geblieben. Dadurch ist unser Freundeskreis kaputt gegangen. Die Familie kam nur noch zu Geburtstagen.
Bei unseren Geldproblemen haben sich alle rausgehalten. Das sei meine Schuld, ich hätte ihn rausschmeißen sollen.
Ich habe eine Arbeitskollegin und die hat mir viel geholfen. Die hat einfach nur zugehört. Der konnte ich alles anvertrauen.


Wie geht es Ihnen heute?
Ich fange langsam an, mein Leben zu ordnen. Ich tu mich schwer. Ja und jetzt bin ich seit Januar Mitglied im Frauenkegelverein. Das höchste was ich jetzt so ausgebe sind € 15,-, die schaffe ich ja. (…) Finanziell ist das nicht so ein Aufwand. Das macht Spaß.
Obwohl, es läuft alles gut. Ich bin immer stolz wenn am Ende des Monats mal € 50,- übrig sind. Also ich muss sagen, freier lebe ich, weil ich weiß jeden Monat wird alles abgebucht. Ich brauche keine Angst mehr zu haben und ich weiß, dass wenn ich schon mal mit meiner Tochter im Sommer eine Radtour mache, dass ich dann sagen kann, komm ich lade dich ein zum Eis. Das hätte ich früher nie gekonnt.