Einigungsgebühr

02.07.2012

Gebühren für Ratenzahlungs- und Teilzahlungsvergleiche?

Seit 2004 ist die Vergütung rechtsanwaltlicher Tätigkeit im Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (RVG) geregelt. Dieses Gesetz ersetzt die alt bekannte BRAGO, hebt sie aber nicht auf. Zur Zeit gelten beide Vorschriften nebeneinander. Maßgebend für die Frage, ob die Vergleichsgebühr nach BRAGO oder die Einigungsgebühr nach RVG entstanden ist, ist die Frage, zu welchem Zeitpunkt die Einigung oder der Vergleich herbeigeführt wurde.

Wurde die Einigung vor dem 01.07.2004 erzielt, wird nach BRAGO abgerechnet, nach RVG wird angerechnet, wenn die Einigung nach dem 01.07.2004 erzielt wurde. Die für die Schuldnerberatung zweifellos größte Bedeutung dürfte der neu geschaffenen Einigungsgebühr zukommen, da hier anwaltliche Bemühungen für Ratenzahlungsvereinbarungen oder Vergleiche abgerechnet werden können. Von da her soll die Einigungsgebühr zunächst behandelt werden. Der Vollständigkeit halber sei noch erwähnt, dass es darüber hinaus noch weitere Gebührenarten gibt.

Die Einigungsgebühr entsteht bereits, wenn durch die Mitwirkung eines Rechtsanwalts ein Vertrag zwischen zwei Partnern angeschlossen wird, durch den ein Streit oder auch nur eine Ungewissheit der beiden Parteien über ein Rechtsverhältnis beseitigt wird.

Beachtenswert ist, dass der Rechtsanwalt die Einigung nicht einmal persönlich abgeschlossen haben muss. Es reicht vielmehr aus, wenn seine Mitwirkung zum Zustandekommen der Einigung beigetragen hat. Das gilt auch dann, wenn der vom Rechtsanwalt ausgearbeitete Einigungsvorschlag zunächst nicht angenommen wird, die Parteien ihn dann aber doch abschließen. 

Hinweis: Die Beseitigung der Ungewissheit als notwendiges Element zum Entstehen der Vergleichsgebühr ist an keine Form gebunden. Die Existenz zweier übereinstimmender Willenserklärungen reicht aus. Dabei ist es unerheblich, ob diese Willenserklärungen schriftlich festgehalten, oder nur mündlich abgegeben worden sind.

Für das Entstehen der Einigungsgebühr ist es nicht erheblich, ob es sich bei dem in Rede stehenden Verfahren um eine gerichtliche Einigung oder um eine vorgerichtliche Einigung handelt. Dies ist lediglich eine Kostenfrage. Da es u.a. Absicht des Gesetzgebers war, die Gerichte zu entlasten, wird der Gebührensatz bei einer außergerichtlichen Einigung mit dem Faktor 1,5 und bei einer gerichtlichen Einigung mit dem Faktor 1,0 multipliziert.

Es bleibt auch bei der 1,5 Einigungsgebühr, wenn über den Gegenstand des Vertrages oder des Vergleichs nur ein sog. selbständiges Beweisverfahren anhängig ist, wenn lediglich zur gerichtlichen Protokollierung eines Vertrages oder eines Vergleichs Prozesskostenhilfe beantragt ist oder wenn sich die Beiordnung des RA nur auf den Abschluss eines Vertrages oder eines Vergleiches erstreckt.

Die Rechtslage nach BRAGO sah anders aus. Die Vergleichsgebühr entstand, wenn ein Anwalt beim Abschluss eines Vergleichs mitgewirkt hat. Der Vergleich (§ 779 BGB) setzte eine Annäherung beider Parteien durch gegenseitiges Nachgeben voraus. Dies zog natürlich zahlreiche Streitigkeiten nach sich. Diese Annäherung durch gegenseitiges Nachgeben ist nach RVG nun nicht mehr notwendig. 

Während die Anwaltskammer angesichts der vereinfachten Gebührenfestsetzung jubiliert, ist bei der Beschäftigung mit der Einigungsgebühr doch eine zurückhaltende bis skeptische, auf jeden Fall aber eine kritische Distanz angebracht. Wenngleich die Gerichte in den Einzelfällen entlastet sind, werden einige Fälle sicher auch höchstrichterlich grundsätzlich entschieden werden müssen. Darauf werfen wir für sie ein Auge.

Gesetzestexte

1. Zur Vergleichsgebühr

§ 779 BGB: Begriff des Vergleichs, Irrtum über die Vergleichsgrundlage
(1) Ein Vertrag, durch den der Streit oder die Ungewissheit der Parteien über ein Rechtsverhältnis im Wege gegenseitigen Nachgebens beseitigt wird (Vergleich), ist unwirksam, wenn der nach dem Inhalt des Vertrags als feststehend zugrunde gelegte Sachverhalt der Wirklichkeit nicht entspricht und der Streit oder die Ungewissheit bei Kenntnis der Sachlage nicht entstanden sein würde. (2) Der Ungewissheit über ein Rechtsverhältnis steht es gleich, wenn die Verwirklichung eines Anspruchs unsicher ist.
 
§ 23 BRAGO: Vergleichsgebühr
(1) Für die Mitwirkung beim Abschluß eines Vergleichs (§ 779 des Bürgerlichen Gesetzbuchs) erhält der Rechtsanwalt fünfzehn Zehntel der vollen Gebühr (Vergleichsgebühr). Der Rechtsanwalt erhält die Vergleichsgebühr auch dann, wenn er nur bei den Vergleichsverhandlungen mitgewirkt hat, es sei denn, dass seine Mitwirkung für den Abschluss des Vergleichs nicht ursächlich war. Soweit über den Gegenstand des Vergleichs ein gerichtliches Verfahren anhängig ist, erhält der Rechtsanwalt die Vergleichsgebühr nur in Höhe einer vollen Gebühr; das gleiche gilt, wenn ein Verfahren über die Prozesskostenhilfe anhängig ist. 
(2) Für die Mitwirkung bei einem unter einer aufschiebenden Bedingung oder unter dem Vorbehalt des Widerrufs geschlossenen Vergleich erhält der Rechtsanwalt die Vergleichsgebühr, wenn die Bedingung eingetreten ist oder der Vergleich nicht mehr widerrufen werden kann.
(3) Soweit über die Ansprüche vertraglich verfügt werden kann, gelten die Absätze 1 und 2 auch bei Rechtsverhältnissen des öffentlichen Rechts.

2. Zur Einigungsgebühr

Die VV Nr. 1000 RVG.
Abs. 1: Die Gebühr entsteht für die Mitwirkung beim Abschluss eines Vertrages, durch den der Streit oder die Ungewissheit der Parteien über ein Rechtsverhältnis beseitigt wird, es sei denn, der Vertrag beschränkt sich ausschließlich auf ein Anerkenntnis oder auf einen Verzicht. Dies gilt für die Mitwirkung bei einer Einigung der Parteien in einem der in § 36 RVG bezeichneten Verfahren (Schiedsgerichtsverfahren). Zu Privatklageverfahren siehe VV Nr. 4146 RVG. :
Abs. 2 Die Gebühr entsteht auch für die Mitwirkung bei Vertragsverhandlungen, es sei denn, dass diese für den Abschluss des Vertrages nicht ursächlich war. :
Abs. 3 Für die Mitwirkung bei einem unter einer aufschiebenden Bedingung oder unter dem Vorbehalt des Widerrufs geschlossenen Vertrages entsteht die Gebühr, wenn die Bedingung eingetreten ist oder der Vertrag nicht mehr widerrufen werden kann. :
Abs. 4: Sofern über die Ansprüche vertraglich verfügt werden kann, gelten die Absätze 1 und 2 auch bei Rechtsverhältnissen des öffentlichen Rechts. :
Abs. 5: Die Gebühr entsteht nicht in Ehesachen oder Lebenspartnerschaftssachen.

Rechtssprechung

1. Rechtsprechung zur Vergleichsgebühr nach BRAGO.

  • LG Lüneburg , Beschluss vom 23.6.1986, AZ: 9 T 56/86Weder durch eine Ratenzahlungsvereinbarung noch durch eine Kostenübernahmeerklärung wird eine Vergleichsgebühr begründet, wenn die gesetzlichen Voraussetzungen hierfür nicht gegeben sind. Quelle: Dt. Gerichtsvollzieher Zeitschrift DGVZ), 3/88 S.43 
  • LG Koblenz , Beschluss vom 15.02.90,AZ: 4 T 44/90In der Zusage, die titulierte Forderung in Raten zu tilgen und auf (nicht ersichtliche) Einwendungen zu verzichten, liegt kein die Entstehung einer Vergleichsgebühr begründendes Nachgeben des Schuldners. Quelle: Dt. Gerichtsvollzieher Zeitschrift DGVZ),9/90 S.141 
  • LG Hagen , Beschl. vom 17.2.1992, AZ: 3 T 125/92: Im Zwangsvollstreckungsverfahren kann eine Vergleichsgebühr nur entstehen, wenn ein gegenseitiges Nachgeben der Parteien vorliegt. Ob diese Voraussetzung gegeben und eine dahingehende Gebührenvereinbarung beachtlich ist, kann im Vollstreckungsverfahren geprüft werden. Quelle: Dt. Gerichtsvollzieher Zeitschrift DGVZ),7-8/92 S.120
  • LG Osnabrück, Beschl. vom 21.11.1991, AZ: 14 T 193/91In der Stundungsgewährung durch den Gl„ubiger und der als Gegenleistung erfolgten Forderungsabtretung des Schuldners ist ein gegenseitiges Nachgeben zu sehen, das die Entstehung einer Vergleichsgebühr entstehen läßt, die jedoch nur dann vom Schuldner zu tragen ist, wenn er sie ausdrücklich übernommen hat. Quelle: Dt. Gerichtsvollzieher Zeitschrift (DGVZ),7-8/92 S.121 
  • LG Wuppertal, Beschl. vom 23.10.95 AZ: 6 T 805/95Eine Vergleichsgebühr entsteht nur bei Beseitigung eines Streits durch gegenseitiges Nachgeben, nicht aber durch die Bewilligung von Teilzahlungen. Gebühren, die im Gesetz nicht vorgesehen sind, können nicht vereinbart und auch nicht mit Zahlungen des Schuldners verrechnet werden. Der GV hat stets zu prüfen, ob die vom Gläubiger geforderten Zwangsvollstreckungskosten tatsächlich entstanden sind. Quelle: Dt. Gerichtsvollzieher Zeitschrift(DGVZ), 6/96 S. 93 
  • AG Heidelberg, Beschl. vom 25.9.95, AZ: 1 M 10/95Eine zur Abwendung der Vollstreckung getroffene Teilzahlungsvereinbarung läßt auch dann keine Vergleichsgebühr entstehen, wenn der Schuldner zur Erfüllung der Vereinbarung den pfändbaren Teil seines Lohnes an den Gläubiger abtritt. Quelle: Dt. Gerichtsvollzieher Zeitschrift(DGVZ),7-8/96 S. 125 
  • LG Osnabrück, Beschl. vom 15.11.95, AZ: 7 T 104/96Eine vom Gläubigeranwalt berechnete Vergleichsgebühr für eine in der Zwangsvollstreckung getroffene Teilzahlungsvereinbarung ist auch dann abzusetzen, wenn der Gläubiger diese bereits mit Zahlungen des Schuldners verrechnet hat. Quelle: Dt. Gerichtsvollzieher Zeitschrift(DGVZ),12/96 S. 187

2. Rechtsprechung zur Einigungsgebühr nach RVG