Auswirkungen von Partnereinkommen auf die Lohnpfändung

02.07.2012

Muss der Partner mit dran glauben?

Bei der Ermittlung des Pfändungsbetrages werden unterhaltsberechtigte Personen des Schuldners in der Pfändungstabelle nach §850c ZPO automatisch berücksichtigt. Je mehr unterhaltspflichtige Personen der Schuldner tatsächlich Unterhalt in Form von Natural- oder Barunterhalt gewährt, desto geringer fällt der entsprechende Pfändungsbetrag vom Nettoeinkommen aus. Im Gegensatz zu dieser Automatik sieht §850c Abs. 4 ZPO für den Fall, dass ein unterhaltsberechtigter Angehöriger des Schuldners eigene Einkünfte hat, vor, dass das Vollstreckungsgericht auf Antrag des Gläubigers nach „billigem Ermessen“ bestimmen muss, „dass diese Person bei der Berechung des unpfändbaren Teils des Arbeitseinkommens ganz oder teilweise unberücksichtigt bleibt“.Es gibt also keinen festen Betrag oder eine Formel mit der man ausrechnen kann, ab wann z.B. die Ehefrau bei der Ermittlung des Pfändungsbetrages nicht mehr berücksichtigt wird. Vielmehr ist dies in jedem Fall eine individuelle Entscheidung des Vollstreckungsgerichts. 

Informationsbeschaffung und Antragsverfahren

Die Anwendung des §850c Abs. 4 ZPO kommt nur in Betracht, wenn der Gläubiger zuvor beim zuständigen Vollstreckungsgericht einen entsprechenden Antrag gestellt hat. Der Drittschuldner (z.B. Arbeitgeber bei Lohn- und Gehaltspfändung) darf dies auch bei Kenntnis nicht von sich aus berücksichtigen, es ist dazu die Entscheidung des Vollstreckungsgerichts notwendig.

Informationsbeschaffung 

Ein Antrag auf Herausrechnung eines Unterhaltsberechtigten mit eigenen Einkommen setzt voraus, dass der Gläubiger Kenntnis von einem Einkommen und dessen Höhe hat. In der Regel wird der Schuldner dem Gläubiger nicht freiwillig mitteilen, ob weiteres Einkommen zwischenzeitlich erzielt wird. Es bleibt aber die Möglichkeit, dies mit Hilfe einer Eidesstattlichen Versicherung in Erfahrung zu bringen. In einem Beschluss vom 19.05.2004 hat der BGH entscheiden, dass der Schuldner zur Angabe von Einkünften unterhaltsberechtigter Personen bei der Abgabe einer eidesstattlichen Versicherung verpflichtet ist, wenn die Möglichkeit in Betracht kommt, dass die Einkünfte zu einer Nichtberücksichtigung führen könnten.

Antragsvoraussetzungen 

Den notwendigen Antrag auf Nichtberücksichtigung kann nur der Gläubiger selbst stellen, nicht etwa der Drittschuldner oder gar der Schuldner selbst. Der Antrag ist an keine Frist gebunden, er kann schon bei Beantragung der Pfändung und Überweisung gestellt werden oder aber auch zu einem späteren Zeitpunkt. Allerdings kann er nicht mehr für bereits gezahltes Arbeitsentgelt nachträglich gestellt werden. Der Gläubiger hat die konkreten Tatsachen schlüssig vorzutragen, damit das Vollstreckungsgericht die notwendigen Feststellungen treffen kann, ob und inwieweit der Angehörige unberücksichtigt zu bleiben hat. Allgemeine Angaben, Behauptungen oder Schätzungen sind nicht ausreichend. Angaben wie „nach meiner Kenntnis hat die Ehefrau eigene Einkünfte“ oder „dürfte bei einem Lebensalter von – nach Abschluss der Berufsausbildung – eigene Einkünfte vorhanden sein“ sind z.B. keine ausreichenden Angaben. Zu den notwendigen Angaben gehören u.a

  • der Name des Angehörigen (Bezeichnungen wie „Ehefrau“ genügen),
  • Art und Höhe der (ungefähren) Brutto- bzw. Nettoeinkünfte

Schuldneranhörung und Entscheidung über den Antrag

Wird der Antrag schon im Rahmen des Pfändungsgesuchs des Gläubigers gestellt, entscheidet der Rechtspfleger des Vollstreckungsgerichts ohne vorherige Anhörung des Schuldners oder dessen Familienangehörigen im Rahmen des Pfändungsbeschlusses. Erfolgt der Antrag erst nach Erlass des Pfändungsbeschluss erfolgt die Entscheidung durch einen gesonderten Beschluss nach Schuldneranhörung. Die Entscheidung über den Antrag muss nicht in aller Ausführlichkeit begründet werden, sie ist jedoch zumindest kurz zu begründen.

Definition Einkünfte

Im §850c Abs. 4 ZPO ist festgelegt, dass die unterhaltsberechtigte Person „eigene Einkünfte“ haben muss, damit sie evtl. nicht oder nur teilweise bei der Ermittlung des Pfändungsbetrages berücksichtigt wird.

  • Einkünfte aus Erwerbstätigkeit und Vermögen Unstreitig ist, dass eigene Einkünfte aus Erwerbsarbeit (Löhne und Gehälter, Ausbildungsvergütungen) und aus selbstständiger oder freiberuflicher Erwerbstätigkeit Einkommen in diesem Sinne sind, genauso auch
  • Renten und Pensionen oder Einkünfte aus Vermögen (Zinsen, Mieteinnahmen), sowie Einkünfte aus Versicherungsverträgen o.ä. Auch einmalige Leistungen wie Abfindungen können zumindest zu einer zeitlich befristeten Nichtberücksichtung führen.Naturalleistungen, die dem Lebensunterhalt dienen (frei Kost und Logis) sind ebenfalls zu berücksichtigen.
  • Sozialleistungen: Sozialleistungen gelten nach herrschender Meinung bis auf einige Ausnahmen ebenfalls zum Einkommen, dass Berücksichtigung bei einer Anordnung nach § 850c Abs. 4 ZPO findet. So z.B. Mutterschaftsgeld und Erziehungsgeld ebenso wie Arbeitslosengeld I oder Kurzarbeitergeld. Zu den nicht berücksichtigungsfähigen Leistungen gehört das Arbeitslosengeld II.
  • Kindergeld Etwas schwieriger wird es beim Kindergeld. Oft wird Kindergeld als Einkommen des Kindes empfunden. Dem ist aber rechtlich nicht so, Kindergeld ist kein Einkommen des unterhaltsberechtigten Kindes. Der BGH führt dazu in seinem Beschluss vom 04.10.2005 aus: „Die nach § 850c Abs. 4 ZPO mögliche Ermessensentscheidung setzt voraus, dass der Unterhaltsberechtigte über berücksichtigungsfähige eigene Einkünfte verfügt. Diese Voraussetzung ist bei der Tochter des Schuldners nicht gegeben, denn das Kindergeld ist kein Einkommen in diesem Sinne".
  • Unterhaltsleistungen: Inwieweit Unterhaltszahlungen, die einem Kind von einem Elternteil erbracht werden, als „eigene Einkünfte“ im Sinne des § 850c Abs. 4 ZPO anzusehen sind, ist umstritten .Stöber sieht Unterhaltszahlungen an Kinder grundsätzlich als „eigene Einkünfte“ i.S.d. § 850c Abs. 4 ZPO an. Auch der BGH führt im Beschluss vom 21.10.2004 (IXA ZB 142/04) weitere zahlreiche Fundstellen an, die sich für die Berücksichtigung aussprechen. Dennoch ist – so Stöber – „Zurückhaltung gleichwohl geboten, weil … § 850c Abs. 1und Abs. 2 für die Erhöhung des unpfändbaren Einkommens nur auf die Unterhaltspflicht und –leistung, des Schuldners, nicht aber auf das Ausmaß seiner Unterhaltslast abgestellt wird“.11 Der BGH macht es sich in seiner o.g. Entscheidung einfacher und führt aus: „Ob diese Auffassung zutrifft oder ob sich die Anrechnung von Unterhaltsleistungen als eigenes Einkommen verbietet (so LG Bayreuth MDR 1994, 621), braucht der Senat hier nicht zu entscheiden. Eine Unterhaltszahlung in Höhe von 222,-- € monatlich [an ein 11-jähriges Kind, dies entsprach dem damaligen Regelunterhalt in der zweiten Alterstufe von 6-11 Jahren] ist jedenfalls so gering, dass dadurch die Unterhaltsverpflichtung der Schuldnerin nicht wesentlich gemindert wird.“ Der BGH tendiert somit wohl dazu, zumindest den Regelunterhalt nach der Regelbetrag-Verordnung (zuletzt geändert durch Vierte Verordnung zur Änderung der Regelbetrag-Verordnung vom 8.4.2005) nicht zu berücksichtigen.

Die bisherigen Modelle zur Berechnung des zu berücksichtigenden Einkommens

In seiner Entscheidung vom 21.12.2004 hat der BGH vier der von den Vollstreckungsgerichten entwickelten und angewandten Modelle ausführlich beschrieben.

Modell Pfändungsfreigrenze nach § 850c Abs. 1 ZPO

Eine große Anzahl von Gerichten gehen dabei vom Grundfreibetrag für den nicht unterhaltspflichtigen Schuldner des § 850c Abs. 1 ZPO aus (derzeit 985,15 €) aus.Nach diesem Modell wird ein Unterhaltsberechtigter Angehöriger erst dann zu 100% nicht mehr berücksichtigt, wenn sein Einkommen den Betrag von 985,15 € erreicht bzw. überschreitet. Unterschreitet es hingegen den Grundfreibetrag, so wird er nur teilweise nicht mehr berücksichtigt. Das Einkommen wird zum Grundfreibetrag ins Verhältnis gesetzt und der entsprechende Anteil dem Differenzbetrag zwischen der für alle Unterhaltsberechtigten geltenden und der vorhergehenden Tabellenstufe dem pfändbaren Betrag nach der für alle Unterhaltsberechtigten geltenden Tabellenstufe hinzugerechnet.Beispiel: Schuldnereinkommen: 2.000,-- Euro, Einkommen der Ehefrau 400,-- Euro. Insgesamt verdienen beide Ehepartner also 2.400 Euro.Unterliegt nur das Schuldnereinkommen der Pfändung ergibt sich unter Berücksichtigung der Ehefrau ein pfändbarer Betrag von 360 Euro, ohne Berücksichtigung der Ehefrau ein Betrag von 749 Euro. Das Einkommen der Ehefrau entspricht etwa 43% des Grundpfändungsfreibetrages.Dieser prozentuale Anteil wird aus dem Differenzbetrag zwischen Berücksichtigung und Nichtberücksichtigung hinzugezogen.In Zahlen zum besseren Verständnis:Pfändbar mit Ehefrau 360,00 €Pfändbar ohne Ehefrau 749,00 €Differenz 389,00 €43% von 389 € 167,27 €Pfändbar (360 + 167,27) 527,27 €

Modell „Sozialhilferegelsatz“ plus Zuschlag 

Andere Gerichte, so das o.g. Urteil haben in der Vergangenheit entschieden, dass ein Unterhaltsberechtigter nicht mehr zu berücksichtigen ist, wenn sein Einkommen den Sozialhilferegelsatz zuzüglich eines „Besserstellungszuschlags“ von 20% überschreitet (so z.B. LG Heilbronn JurBüro 2003, 660f, LG Rottweil JurBüro 2000, 47). 
Demnach würde ein Unterhaltsberechtigter Angehöriger dann nicht mehr berücksichtigt, wenn sein Einkommen bei 373,20 € bzw. 414 € oder höher läge, geht man von einem Regelsatz von 311,-- € bzw. 345,-- € nach SGB II aus, dass das damalige geltende Bundessozialhilfegesetz ersetzt hat.
Der Bedarf der Ehefrau ergibt sich danach wie folgt:
Regelsatz 345,00 €
Zuschlag 20% 69,00 €
Summe 414,00 €
Um Ihren Lebensunterhalt bestreiten zu können, benötigt die Ehefrau zu ihrem Verdienst einen weiteren Betrag von 14 Euro aus dem Einkommen des Ehemannes:
Pfändbar ohne Ehefrau 749,00 € abzgl. zusätzlicher Bedarf für die Ehefrau - 14,00 €
Pfändbar 735,00 € 
Die Ehefrau wird danach in Höhe von 375 € nicht berücksichtigt, was die Differenz der pfändbaren Beträge mit und ohne Ehefrau (749 € – 360 € = 389 € abzüglich des zusätzlichen Bedarfs der Ehefrau von 14 € darstellt.

Modell „Unterhaltsleitlinien“ 

Eine dritte Ansicht ermittelt den Bedarf der Ehefrau nach unterhaltsrechtlichen Richtlinien z.B. der Düsseldorfer Tabelle. Danach ergibt sich ein Grundbetrag von etwa 615 Euro, von denen die Ehefrau 400 Euro aus eigenen Mitteln bestreitet. Die Differenz von 215 Euro muss der Ehemann als Unterhaltspflicht erbringen. Die Differenz zwischen beiden Pfändungsstufen ist also um 215 Euro zu mindern:Pfändbar mit Ehefrau 360,-- €Pfändbar ohne Ehefrau 749,-- €Differenz 389,-- €abzgl. Unterhaltspflicht -215,-- €zusätzlich pfändbar 174,-- €Insgesamt pfändbar 534,-- €

Kriterien des BGH

Für den BGH verbietet sich eine schematisierende Betrachtungsweise wie in den obigen Modellen, da der Gesetzgeber sich ausdrücklich gegen einen bestimmten Betrag ausgesprochen habe, ab dessen Erreichen ein unterhaltsberechtigter Angehöriger nicht mehr zu berücksichtigen ist. Das Vollstreckungsgericht muss demnach dem Einzelfall Rechnung tragen und eine Entscheidung unter Abwägung der wirtschaftlichen Lage des Schuldners, seiner von ihm zu unterhaltenen Angehörigen, aber auch unter Berücksichtigung der Lage des Gläubigers zu treffen. Eine einseitige Orientierung an Pfändungsfreibeträgen oder Unterhaltstabellen verbiete sich deshalb.
Da jedoch das Vollstreckungsverfahren jedoch an die Überprüfung keine „überspannten Anforderungen“ stellen soll, da es sonst unpraktikabel würde, gestattet der BGH jedoch auch Elemente aus den Modellen 850c und Sozialhilferegelsatz, solange keine „einseitige Orientierung“ erfolgt.

Unterhaltsberechtigter lebt im Haushalt des Schuldners

Lebt der unterhaltsberechtigte Angehörige mit eigenem Einkommen im Haushalt des Schuldners, so verbietet sich laut BGH eine Orientierung am Grundfreibetrag nach 850c Abs. 1 ZPO grundsätzlich. „Bei der Ermessensentscheidung hat das Gericht zu gegenwärtigen, dass der Grundfreibetrag … regelmäßig auch dazu dient, zu einem erheblichen Teil die Wohnungsmiete und andere Grundkosten des Haushalts abzudecken. Diese Kosten erhöhen sich bei mehreren Personen nicht proportional zur Personenzahl.“In solchen Fällen komme in Frage „bei der Berechnung des Freibetrages des Unterhaltsberechtigten die nach sozialrechtlichen Regelungen die Existenzsicherung gewährleistenden Sätze heranzuziehen“. Da seit 2005 das Bundessozialhilfegesetz nicht mehr existiert, können hier die Regelsätze aus dem Sozialgesetzbuch II und XII, derzeit zwischen 207,00 und 345,00-- € zugrunde gelegt werden (näheres siehe unter Regelsätze nach SGB II). Da die Pfändungsfreigrenzen jedoch nicht nur das bloße Existenzminimum garantieren sollen, sondern darüber hinaus „eine deutlich darüber liegende Teilhabe am Arbeitseinkommen erhalten bleiben muss“, sei es gerechtfertigt einen Zuschlag in Höhe von 30-50% - je nach Einzelfallumständen aufzuschlagen. Der mögliche Einkommenskorridor liegt beim Regelsatz für allein stehende Personen somit zwischen 448,50 € (345,-- € + 30%) und 517,50 € (345,-- € + 50%).Gerade hier setzt dann eine einzelfallbezogene und individuelle Prüfungspflicht des Vollstreckungsgerichts ein. Je nach besonderen Umständen wird es einen konkreten Zuschlagssatz bestimmen müssen. Hier ist dann auch der Ansatzpunkt für die betroffenen ggf. mit Hilfe und Unterstützung durch eine Schuldnerberatungsstelle die entsprechenden Argumente und Belege entweder bei einer Schuldneranhörung (bei nachträglicher Antragstellung) oder im Rahmen eines Rechtsbehelfsverfahrens einzubringen und geltend zu machen. Eine umfassende Darstellung und Darlegung der Bedarfslage einschließlich der entsprechenden Nachweise ist deshalb wichtig. Insbesondere sollten Miet- und Nebenkostenanteile, Fahrtkosten, Kosten der Kinderbetreuung oder eine notwendige kostenaufwändige Ernährung dargelegt werden.

Unterhaltsberechtigter lebt in eigenen Haushalt 

Führt der Unterhaltsberechtigte einen eigenen Haushalt und muss deshalb Miete und Grundkosten des Haushalts aus seinem Einkommen leisten, ist es nach dem BGH „nahe liegend“, als Orientierungshilfe den Grundfreibetrag nach § 850c Abs. 1 ZPO heranzuziehen und so zu verfahren wie oben beschrieben.

Rechtsbehelfe

Wird der Antrag auf Nichtberücksichtung vom Gläubiger schon mit dem Antrag auf Erteilung des Pfändungsbeschlusses gestellt, so erfolgt, wie oben ausgeführt, keine Schuldneranhörung. Gegen die Nichtberücksichtigung ist durch den Schuldner der Rechtsbehelf der nicht fristgebundenen Erinnerung (§ 766 ZPO) zulässig. Aus Sicht des Gläubigers bei Zurückweisung ist das Rechtsmittel der sofortigen Beschwerde möglich. Hier ist eine Notfrist von zwei Wochen nach Entscheidung des Vollstreckungsgerichts vorgesehen (§ 569 ZPO).
Wird der Antrag nachträglich gestellt, wird der Schuldner zuvor gehört. Gegen die Entscheidung kann der Rechtsbehelf der sofortigen Beschwerde einlegt werden. Auch kann der Gläubiger gegen die (teilweise) Zurückweisung seines Antrages Beschwerde einlegen. Sowohl der nicht mehr zu berücksichtigende Unterhaltsberechtigte als auch der Drittschuldner sind nicht Verfahrensbeteiligte. Sie können daher auch keine Rechtsbehelfe einlegen.