Erstreckung der "Sperrfrist-Rechtsprechung" des BGH auf die Rücknahmefiktion

09.11.2011

AG Hamburg, Beschluss vom 09.11.2011, 68c IK 891/11, ZInsO 05/2012, 195

Leitsatz: Die "Sperrfrist-Rechtsprechung" des BGH bezüglich der Zulässigkeit eines wiederholten Rest-schuldbefreiungsantrages ist auch auf die Konstellation der Rücknahme des Insolvenzantrages im Wege der Rücknahmefiktion anzuwenden. AG Hamburg, Beschluss vom 09.11.2011, 68c IK 891/11, ZInsO 05/2012, 195

Gegenüber der Schuldnerin ist mit Schreiben v. 25.2.2011 die Rücknahmefiktion gem. § 305 Abs. 3 InsO im Vorverfahren Az. 68c IK 883/10 ausgelöst worden.

Der BGH hat in den letzten Monaten mit mehreren Entscheidungen eine Dreijahressperre für die Wiederbeantragung einer Restschuldbefreiung entwickelt, wenn der entsprechende Antrag zuvor in einem Vorverfahren abgewiesen worden ist. Grund dafür ist, dass der Schuldner, der einen unzulässigen, nicht erfolgreichen oder keinen Insolvenzantrag gestellt hat, nicht dem Insolvenzgericht sogleich mittels eines "Nachhol-Antrages" erneut Arbeit machen und die Beschleunigungsmaxime nicht beachten können soll, denn er hätte bereits die "erste Gelegenheit" bei genügender Anstrengung wahrnehmen können.

Der BGH hat nunmehr die Konstellation der Rücknahme des RSB-Antrags im Vorverfahren zur Vermeidung einer Entscheidung über einen Versagungsantrag entschieden und auch hier eine 3-jährige Sperrfrist angenommen (BGH v. 12.5.2011 - IX ZB 221/09, ZInsO 2011, 1127; s. auch LG Hamburg v. 25.2.2011, ZInsO 2011, 886). Das Gericht schließt sich dieser Rechtsprechung an.

Diese Rechtsprechung gilt auch für die Rücknahme und fingierte Rücknahme eines neuen Restschuldbefreiungsantrags in einem Folgeverfahren (Pape, FS Ganter, S. 315, 330; Pape/Pape, InsbürO 2010, 162, 164).

Die Annahme einer 3-jährigen Sperrfrist erfordert nicht das Vorliegen eines Restschuldbefreiungsversagungsgrundes im Vorverfahren oder gar ein "unredliches" Verhalten des Schuldners (so aber die nicht der BGH-Rechtsprechung folgen wollende Abt. 68g des AG Hamburg gemäß AG Hamburg v. 9.9.2011, ZInsO 2011, 2048). Der BGH hat ausdrücklich in seiner Entscheidung v. 21.1.2010 (ZInsO 2010, 344) nicht auf unredliches Verhalten des Schuldners abgestellt, sondern auf Behinderung der verfahrensfördernden Zwecke und beschleunigenden Funktionen des Insolvenzverfahrens und seiner Regelungen (dort: Ignorieren des gerichtlichen Hinweises nach § 20 Abs. 2 InsO im Gläubigerantragsverfahren). Der BGH führt wörtlich aus: "Die Pflicht des Insolvenzgerichts, den Schuldner auf die Möglichkeit der Eigenantragstellung verbunden mit dem Antrag auf Restschuldbefreiung hinzuweisen und ihm eine richterliche Frist zur Antragstellung zu setzen (BGH, ZInsO 2005, 310 [IX ZB 176/03]; BGH, ZInsO 2004, 974 [IX ZB 209/03]; BGH, ZInsO 2009, 1171, 1172 [IX ZB 202/07] Rn. 6), würde ihrer verfahrensfördernden und -beschleunigenden Funktion beraubt, wenn die Nichtbefolgung dieser Hinweise wegen der Befugnis zur Einleitung eines weiteren Insolvenzverfahrens ohne verfahrensrechtliche Konsequenzen bliebe. Der Schuldner könnte die Gerichte sofort wieder mit einem erneuten Verfahren belasten, obwohl er Gelegenheit gehabt hat, in dem auf Antrag eines Gläubigers betriebenen Verfahren einen Eigenantrag zu stellen und damit mehrere, innerhalb kurzer Fristen nacheinander durchzuführende Verfahren zu vermeiden. Dies wäre mit Sinn und Zweck der Belehrungsregeln, die auch verhindern sollen, dass das aufwändige und kostenintensive Verfahren innerhalb kurzer Zeiträume wiederholt durchgeführt werden muss, nicht zu vereinbaren. Analog § 290 Abs. 1 Nr. 3 InsO gilt deshalb auch hier eine Sperrfrist von drei Jahren ab der einen Eigenantrag des Schuldners ausschließenden Verfahrenseröffnung auf Antrag des Gläubigers."

So verhält es sich auch mit der Rücknahmefiktion: Das Gericht hat gem. § 305 Abs. 3 InsO die Pflicht, den Schuldner, der den gesetzlichen Antragsbogen im Verrbraucherinsolvenzverfahren zum Zwecke der Verfahrensbeschleunigung nutzen muss, auf Mängel bei der Ausfüllung hinzuweisen. Vorliegend fehlte sogar die Bescheinigung über den außergerichtlichen Schuldenbereinigungsversuch. Die gesetzliche Frist von einem Monat zur Beseitigung der Mängel ist im Interesse der Verfahrensbeschleunigung geschaffen worden. Wenn der Schuldner seinen Antrag so mangelhaft gestaltet oder das Verfahren so früh einleitet, dass er ersichtlich bei Bemängelung die gesetzliche Frist nicht halten kann, verstößt er gegen das vom BGH - s.o. - gemeinte Beschleunigungsgebot, er kann dann nicht sofort wieder einen neuen Antrag stellen. Auch bei der vom BGH entschiedenen Konstellation der vorzeitigen Erteilung einer RSB wegen Vollbefriedigung aller Gläubiger ist eine Sperrfrist angenommen worden (BGH v. 11.5.2010, ZInsO 2010, 1151). Auch hier besteht kein "Unredlichkeitsverhalten" des Schuldners, trotzdem soll eine Sperrfrist gelten.

Die Schuldnerin kann vorliegend daher erst ab Erhalt des o.g. Schreibens plus 3 Jahren einen neuen RSB-Antrag stellen.

Der Verfahrenskostenstundungsantrag war gem. § 4a InsO abzulehnen, da kein zulässiger RSB-Antrag vorliegt.

alt.f-sb.de/service_ratgeber/rechtspr/allgem/hm000009.htm