Rechtsausschuss des Bundestages: Stellungnahmen der Sachverständigen der heutigen Anhörung zur Reform der Verbraucherinsolvenz

14.01.2013

Der Rechtsausschuss des Bundestages hat heute mehrere Sachverständige zum Gesetzentwurf "zur Verkürzung des Restschuldbefreiungsverfahrens und zur Stärkung der Gläubigerrechte" angehört. Deren Stellungnahmen sind inzwischen veröffentlicht worden und können von der Webseite des Bundestages abgerufen werden.
Die meisten der Sachverständigen sehen bei dem von der Bundesregierung vorgelegten Gesetzesentwurf mehr oder weniger erheblichen Nachbesserungsbedarf. 
Von Seiten der Schuldnerberatung wurden Dr. Claus Richter (AG SBV) und Jana Brockfeld (vzbv) gehört. Sie kritisierten, dass auch der Regierungsentwurf eine Verfahrensverkürzung nur bei Erfüllung einer Mindestbefriedigungsquote vorsieht: "Es ist jedoch nicht zu erwarten, dass gerade die Verbraucherschuldner 25% Befriedigungsquote zusätzlich zu den Verfahrenskosten werden aufbringen können. Von einem schnellen „fresh-start“ bleiben sie ausgeschlossen," so Jana Brockfeld vom Verbraucherzentrale Bundesverband. Die Arbeitsgemeinschaft Schuldnerberatung der Verbände und der vzbv schlagen deshalb eine generelle Verkürzung des Verfahrens auf vier Jahre vor. Als "unverständlich" wurde ebenfalls die vorgesehene Abschaffung des Schuldenbereingungsplanverfahrens bezeichnet. Diese Kehrtwende wird von der AG SBV scharf kritisiert, sie schlägt vor, die Anregungen der sog. "Stephan-Kommission" zur Stärkung des außergerichtlichen Einigungsversuches aufzunehmen (u.a. Zwangsvollstreckungsstopp im AEV, Einbeziehung unbekannter Gläubiger, standardisierter Schuldenbereinigungsplan). Die vorgesehenen Änderungen in der außergerichtlichen Schuldenbereinigung gefährden nach Ansicht der beiden Verbände zudem massiv die Finanzierung der Schuldnerberatung, die in der Regel an die bisherigen Vergütungssätze des außergerrichtlichen Einigungsversuches gebunden ist. Die neue Regelung sieht nur Vergütungssätze von 60 Euro für eine "Aussichtslosigkeitsbescheigung". Dies werde dazu führen, dass "letztlich, (...) die Beratungskapazitäten massiv gekürzt werden müssten, zum Nachteil der Betroffenen, aber auch der Justiz und der öffentlichen Haushalte." Die vzbv schlägt eine "angemessene Vergütungsregelung für die Schuldnerberatung im Insolvenzverfahren vor, die in der Insolvenzrechtlichen Vergütungsverordnung aufgenommen werden könnte."
Auch von Seiten der Justiz (Guido Stephan, Prof. Dr. Heinz Vallender und Ulrich Heyer) wurde der vorgelegte Gesetzesentwurf hinsichtlich der Verkürzung des Verfahrens bei einer Mindestbefriedigungsquote kritisiert. Die Mindestquote für die vorzeitige Erteilung der Restschuldbefreiung sei "praktisch nicht erreichbar", erklärte Hans-Ulrich Heyer, Richter am Amtsgericht Oldenburg. An seinem Gericht hätten 2012 "nahezu 97 Prozent der Verbraucherinsolvenzen nur mit Hilfe der Verfahrenskostenstundung eröffnet werden können, weil die Schuldner nicht einmal die Verfahrenskosten aufbringen konnten." Eine generelle Verkürzung auf drei Jahre sei angemessen. "Eine entsprechende Regelung [trüge] der angestrebten Harmonisierung des Insolvenzrechts auf europäischer Ebene Rechnung", so Vallender und würde "keinen durchgreifenden verfassungsrechtlichen Bedenken begegnen". Ebenfalls kritisiert wurde der vollkommene Verzicht auf das gerichtlichen Schuldenbereinigunsverfahren: Das geplante Insolvenzplanverfahren nach Eröffung des Insolvenzverfahrens könne keine wirkliche Alternative zum außergerichtlichen und gerichtlichen Schuldenbereingungsplanverfahren sein. Es dient gerade der Vermeidung einer Verfahrenseröffnung. Die ersparten Gerichts- und Verwalterkosten kämen den Gläubigern zugute. Guido Stephan, der auch Vorstandsmitglied in der Bundesarbeitsgeinschaft Schuldnerberatung ist, fasste die Kritik zusammen: Die Regierungsinitiative verkürze weder das Verfahren an sich, noch stärke es die Gläubigerrechte. Stattdessen schwäche es "ohne Not das außergerichtliche und gerichtliche Schuldenbereinigungsverfahren", verabschiede sich vom Prinzip der Gläubigergleichbehandlung und erschwere die Erlangung der Restschuldbefreiung ohne Nutzen für die Gläubiger.