Wahl einer für den Gläubiger ungünstigen Steuerklasse durch den Vollstreckungsschuldner (Vermutung der analogen Anwendung der Entscheidung)

09.12.1999

OLG Schleswig, Beschluss vom 09.12.1999 - 16 W 251 / 99

Wählt der (verheiratete) Vollstreckungsschuldner nach der Pfändung seines Anspruchs auf Arbeitslohn ohne sachlichen Grund statt der Steuerklasse IV die Steuerklasse V, um so Einkommensbeträge der Pfändung zu entziehen, so kann das Vollstreckungsgericht in entsprechender Anwendung von § 850 h ZPO anordnen, dass sich der Schuldner bei der Berechnung des pfändbaren Teils seines Lohns so behandeln lassen muss, als werde er nach der Steuerklasse IV besteuert. Dagegen muss der Gläubiger eine vor der Pfändung getroffene Wahl der Steuerklasse durch den Schuldner und dessen Ehegatten (für das laufende Jahr) gegen sich gelten lassen.

OLG Köln, Beschluss vom 03.01.2000 - 2 W 164 / 99

Vorinstanz: LG Köln Fundstelle: InVo 2000, 140

Wählt der Schuldner nach der Pfändung seines Anspruchs auf Arbeitslohn ohne sachlichen Grund statt der Steuerklasse IV die Steuerklasse V, kann das Vollstreckungsgericht in entsprechender Anwendung des § 850 h Abs. 2 ZPO anordnen, dass sich der Schuldner so behandeln lassen muss, als ob er nach Steuerklasse IV besteuert wird.

OLG Schleswig, Beschluss vom 09.12.1999 - 16 W 251 / 99

Vorinstanz: LG Lübeck Fundstelle: InVo 2000, 142

OLG Schleswig:

Aus den Gründen: ".............1. In der Sache hat das Rechtsmittel aus den zutreffenden Gründen der angefochtenen Entscheidung indes keinen Erfolg. Der Gläubiger hat dargelegt, dass beide Eheleute ein nahezu gleich hohes Einkommen haben ( Schuldner : DM 2.200, Ehefrau ca. DM 2.000 ). Dann aber läge die Wahl der Steuerklasse IV für beide Eheleute nahe. Wenn statt dessen der Schuldner für sich die sehr ungünstige Steuerkasse V, seine Ehefrau aber die Steuerklasse III wählt, beruht dies nach Lage der Dinge nicht auf sachlichen Gründen. Es kommt hierbei nicht auf eine Benach-teiligungsabsicht gegenüber dem Gläubiger an.

Der Schuldner macht demgegenüber nur pauschal geltend, seit Bestehen der Ehe 1962 verdiene seine Ehefrau wesentlich mehr als er. Das sei der Grund für die Wahl der unterschiedlichen Steuerklassen. Angesichts der Darlegungen des Gläubigers hätte der Schuldner aber die Einkommensverhältnisse konkretisieren und damit Umstände darlegen müssen, die einen sachlichen Grund für die Wahl der Steuerklasse V für sich ergeben.

LG Lübeck:

Aus den Gründen:"................ Der Schuldner ist in analoger Anwendung von § 850 h Abs. 2 ZPO so zu behandeln, als würde sein Nettoeinkommen nach der Lohnsteuerklasse IV bestimmt. Anderenfalls könnte der Schuldner allein durch die Wahl seiner Steuerklasse seinen Pfändungsfreibetrag quasi dadurch erhöhen, dass er für sich die Steuerklasse V wählt und auf diese Weise seiner Frau durch deren Einstufung in die Steuerklasse III den vollen Splittingvorteil verschaffen ( OLG Zweibrücken NJW-RR 1989, 517; LG Köln Rpfleger 1996, 120; AG Memmingen JurBüro 1996, 660; AG Philippsburg JurBüro 1996, 661; aM Stöber, Forderungspfändung, 12. Auflage, Rn.1134 b ).

Die Kammer verkennt nicht, dass es grundsätzlich allein dem Schuldner obliegt, die Wahl der Steuerklasse frei zu bestimmen. Die vorliegende Entscheidung beschränkt dieses Recht nicht, lediglich für die Berechnung des Nettoeinkommens im Rahmen von § 850 c ZPO wird die Wahl einer anderen Steuerklasse fingiert. Hinzu kommt, dass der Schuldner keinen sachlichen Grund für die Wahl seiner Steuerklasse angegeben hat. Es besteht mithin der Verdacht, dass die Wahl der Steuerklasse zumindest in erster Linie im Hinblick auf die erwartete Pfändung des Arbeitseinkommens getroffen wurde......"

Kommentar:

Bisher konnte der verheiratete Schuldner die Last der Pfändung dadurch vermindern, daß er die für den Gläubiger ungünstige Steuerklasse V gewählt hat. Dies wird in Zukunft nicht mehr so einfach sein. Der Steuerdifferenzbetrag zwischen den Steuerklassen IV und V wird als verschleiertes Einkommen gemäß § 850 h ZPO in Zukunft der Pfändung unterworfen.

Für den Arbeitgeber des Schuldners bedeutet dies, daß er nach einem entsprechenden Beschluß des Vollstreckungsgerichtes in Zukunft für den Schuldner zwei Lohnabrechnungen vorzunehmen hat: eine

nach der tatsächlichen Lohnsteuerklasse und eine nach der fiktiven Lohnsteuerklasse IV. Der Pfändungsbetrag ist nach der zweiten Abrechnung abzuführen. Da die üblichen Lohnab-rechnungsprogramme zu solchen Leistungen nicht fähig sind, entsteht doppelter Arbeitsaufwand und doppelte Kosten, die dem Schuldner in Rechnung gestellt werden dürften.

Falls kein sachlicher Grund für die Wahl der Lohnsteuerklasse V vorliegt ( etwa ein erheblich höheres Einkommen des Ehegatten ), wird es für den Schuldner nach einem einschlägigen Beschluß des Vollstreckungsgerichtes sinnvoller sein, zum Erhalt des Arbeitsplatzes gleich die Steuerklasse IV zu wählen ( hierbei kann der Arbeitgeber allerdings Kinder als Unterhaltsberechtigte berücksichtigen ).

Die genannte Regelung wird im Verbraucherinsolvenzverfahren analog anzuwenden sein.

Mitgeteilt von: Michael Schütz


Ergänzung durch einen Teilnehmer im Forum (Diskussionen) Geschrieben von thomas 2 am 08. Mai 2000 21:21:05: Trotz OLG Schleswig: Solange kein Verbraucherinsolvenzverfahren eröffnet ist (und daher kein Gesamt-Pfandbeschlag vorliegt), sollte ein verheiratete Schuldner ggf. dennoch zunächst die Steuerklasse V wählen, wenn anderenfalls das verbleibende Familieneinkommen den lfd. Familienunterhalt nicht mehr angemessen sichert. Dies gilt zumindest dann, wenn der Schuldner erst jetzt (erstmals/wieder) eine Tätigkeit im Angestelltenverhältnis o. ä. aufgenmommen hat. Als naheliegende Begründung bietet sich immer die Erwägung an, daß anfänglich ohnehin noch nicht gesichert ist, ob das Arbeitsverhältnis das ganze Veranlagungsjahr über laufen wird und daher ein Gehalt erzielt werden wird, das ähnlich hoch sein wird, wie das des Ehegatten. Wird das Arbeitsverhältnis sogar erst relativ spät im Jahr begonnen, wird dies regelmäßig unwahrscheinlich sein und Wahl der Stkl. V bietet sich geradezu zwingend an. Im übrigen: Solange kein InsO-Verfahren eröffnet ist, besteht noch keine Situation, die analog der Pfandbeschlagnahme in der Einzelzwangsvollstreckung zu behandeln wäre. Auch nach OLG Schleswig ist der Schuldner ja frei in seiner Wahl, wenn er die Wahl trifft, bevor die Vollstreckung erfolgt ist. Eine Wahl der Steuerklasse, die vor Einleitung des Inso-Verfahrens erfolgt, kann mit dieser Begründung nicht angegriffen werden (ob diese Wahl insolvenzrechtlich anfechtbar wäre, ist eine andere Frage, die man auf sich zukommen lassen sollte - würde hier den Rahmen sprengen). Bei der Gelegenheit: Die Veranlagung von Ehegatten im Konkurs (bzw. in der Insolvenz) nur eines Ehegatten ist grundsätzlich problematisch. Nach Auffassung des BFH (BFH 29.10.63 BStBl. III 1963, 597, BB 1965, 235, BB 65, 219 -die Entscheidungen sind so alt) ist das Wahlrecht gem. § 26 II EStG keine höchstpersönliche Entscheidung des Schuldners. Anstelle des Schuldners kann der Insolvenzverwalter für diesen gemeinsame Veranlagung wählen, -aber nur dann- wenn auch der andere Ehegatte die gemeinsame Veranlagung wählt, vgl. Wortlaut § 26 II EStG. Also bitte: be cool baby. thomas 2