Keine Beschwerdebefugnis des Treuhänders hinsichtlich Festsetzung des pfändungsfreien Einkommens

26.07.2001

Bayerisches Oberstes Landesgericht, Beschluss vom 26. 7. 2001 - 4 Z BR 3/01

Leitsatz des Gerichts:
Dem Treuhänder, der im vereinfachten Verbraucherinsolvenzverfahren die Aufgaben eines Insolvenzverwalters wahrnimmt, stehen zur Festsetzung des pfändungsfreien Einkommens nach § 850 c IV ZPO Antrags- und Beschwerdebefugnisse nicht zu.

Bayerisches Oberstes Landesgericht, Beschluß vom 26. 7. 2001 - 4 Z BR 3 / 01

Fundstelle: NZI 2001, 597 und ZInsO 2001, 799

Zum Sachverhalt:

Auf Antrag des Schuldners hat das Insolvenzgericht mit Beschluss vom 6.7.2000 das vereinfachte Verbraucherinsolvenzverfahren (§§ 304, 311ff. InsO) eröffnet und den Beschwerdeführer als Treuhänder bestimmt. In der Frage, ob bei der Berechnung des pfändungsfreien Einkommens nach § 850c I 2 ZPO eine Unterhaltsverpflichtung des Schuldners gegenüber seiner Ehefrau zu berücksichtigen sei, vertraten Treuhänder und Schuldner vor dem Insolvenzgericht entgegengesetzte Standpunkte. Der Rechtspfleger des Insolvenzgerichts hat sich der Ansicht des Treuhänders angeschlossen und mit Beschluss vom 23. 2. 2001 gem. § 4 InsO i.V. mit § 850c IV ZPO die Anordnung getroffen, dass eine Unterhaltsberechtigung der Ehefrau unberücksichtigt bleibe. Gegen diese Entscheidung ließ der Schuldner am 6. 3. 2001 Beschwerde einlegen, die laut Begründung vom 16.3.2001 hilfsweise als Erinnerung gewertet werden sollte. Die Beschwerdekammer des LG hat den Rechtsbehelf als zulässige und begründete sofortige Beschwerde nach § 6 I InsO angesehen. Mit Beschluss vom 11. 4. 2001 hat das LG den Beschluss des AG vom 23. 2. 2001 aufgehoben und den Antrag des Treuhänders (auf Nichtberücksichtigung einer Unterhaltsberechtigung der Ehefrau) zurückgewiesen; dem Treuhänder stehe ein Antragsrecht nach § 850c IV ZPO nicht zu; zur Entscheidung über einen solchen Antrag sei nicht das Insolvenzgericht, sondern das allgemeine Vollstreckungsgericht zuständig. Gegen den Beschluss vom 11.4.2001, der Schuldner, Treuhänder und Drittschuldner formlos mitgeteilt wurde, legte der Beschwerdeführer als Treuhänder am 8.5.2001 sofortige weitere Beschwerde - verbunden mit einem Zulassungsantrag nach § 7 I 1 InsO - ein; die angefochtene Entscheidung beruhe auf einer Verletzung des Gesetzes, eine Nachprüfung sei zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung geboten. Das Rechtsmittel hatte keinen Erfolg.

Aus den Gründen:

Das vom Treuhänder eingelegte Rechtsmittel der sofortigen weiteren Beschwerde ist als unzulässig zu verwerfen, da bereits der Antrag auf Zulassung des Rechtsmittels unzulässig ist (§ 7 I InsO).

Ein Zulassungsantrag ist unzulässig, wenn dem Rechtsmittelführer die Beschwerdebefugnis fehlt ( OLG Köln, NJW-RR 2001, 837 [838] = NZI 2000, 317; BayObLGZ 1999, 200 [202] = NJW-RR 1999, 1570 = NZI 1999, 412, je mit weiteren Nachweisen ). Das ist hier der Fall. Rechtsmittel nach §§ 6, 7 InsO sind nur gegen die im Gesetz ausdrücklich bezeichneten Entscheidungen und nur für die Verfahrensbeteiligten statthaft, denen das Gesetz eine Rechtsmittelbefugnis einräumt (vgl. §§ 204 I und II, 313 II InsO). Die InsO, die in Fragen der Vergütung des Treuhänders mit der Verweisung in § 313 I 3 auf § 64 II InsO für ihn durchaus eine eigene Beschwerdebefugnis vorgesehen hat, sieht hinsichtlich der im vorliegenden Verfahren ergangenen und angefochtenen amts- und landgerichtlichen Entscheidungen eine Antrags- und Beschwerdebefugnis für ihn nicht vor. Hierin unterscheidet sich der Sachverhalt des vorliegenden Verfahrens in einem wesentlichen Aspekt von den Fallgestaltungen, die die Entscheidungen des OLG Köln vom 18. 8. und vom 16. 10. 2000 (NJW-RR 2001, 191 = NZI 2000, 529; NZI 2000, 590) ausgelöst haben: Rechtsmittelführer war dort jeweils der Schuldner.

Zur Vermeidung von Missverständnissen für künftige Verfahren weist der Senat darauf hin, dass er die von dem LG vertretene Auffassung, für eine Entscheidung nach § 850 c IV ZPO sei auch nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens nicht das Insolvenz-, sondern das allgemeine Vollstreckungsgericht zuständig, in Übereinstimmung mit dem OLG Köln (NJW-RR 2001, 191 = NZI 2000, 529; NZI 2000, 590) ablehnt. Ebenso folgt der Senat dem OLG Köln in der Ansicht, dass gegen eine Entscheidung des Rechtspflegers des Insolvenzgerichts über einen Antrag nach §§ 850ff. ZPO nicht die sofortige Beschwerde gem. § 6 InsO oder gem. § 793 ZPO, sondern die befristete Erinnerung nach § 11 II RPflG stattfindet. Anders als in dem von dem OLG Köln am 18. 2. 2000 (NJW-RR 2001, 191 = NZI 2000, 529) entschiedenen Fall hat im vorliegenden Verfahren das LG den Rechtsbehelf jedoch sachlich geprüft und als ein in Insolvenzsachen grundsätzlich zuständiges Fachgericht in der Sache selbst entschieden, so dass auch mit Blick auf Art. 19 IV und Art. 101 I 2 GG sich vorliegend nicht die Frage stellt, ob eine verfassungskonforme Auslegung des § 7 I InsO eine Zulassung der Rechtsbeschwerde gebietet, wenn der rechtsfehlerhafte Standpunkt der Vorinstanz jede richterliche Sachprüfung von vornherein verhindert hat.

Einer Prüfung der weiteren Zulassungsvoraussetzungen nach § 7 I 1 InsO und der materiell-rechtlichen Begründung des Rechtsmittels bedarf es bei dieser Sachlage nicht.

Kommentar:

Zunächst ist es wichtig, darauf hinzuweisen, dass sich dieser Beschluss des Bayerischen Obersten Landesgerichtes ausschließlich auf Verbraucherinsolvenzverfahren bezieht, die bis zum 30.11.2001 eröffnet wurden.

Der Beschluss ist streng am Wortlaut des Gesetzes orientiert und muss wohl in Kenntnis des Wortlautes des InsO-Änderungsgesetzes 2001 gefasst worden sein. Durch dieses Gesetz wird mit Wirkung für alle Verbraucherinsolvenzverfahren, die ab dem 01.12.2001 eröffnet werden, der § 36 InsO um den Absatz 4 ergänzt, in dem es heißt : " Für Entscheidungen, ob ein Gegenstand nach den im Absatz 1 Satz 2 genannten Vorschriften der Zwangsvollstreckung unterliegt, ist das Insolvenzgericht zuständig. An Stelle eines Gläubiger ist der Insolvenzverwalter antragsberechtigt." Gemäß Artikel 103 a EGInsO gilt dieser neue Absatz in Altverfahren nicht.

Da die InsO somit gemäß dem Bayerischen Obersten Landesgericht für Altverfahren kein Antragsrecht des Treuhänders bzw. Insolvenzverwalters vorsieht, ist ein solches auch nicht gegeben.

Für die Praxis würde das bedeuten, dass der Treuhänder in Altverfahren grundsätzlich nicht berechtigt ist, die Herausrechnung von unterhaltsberechtigten Angehörigen gemäß § 850 c Abs. 4 ZPO beim Insolvenzgericht zu zu beantragen. Wenn das Insolvenzgericht in dem Sinne entscheidet, dass ein unterhaltsberechtigter Angehöriger nicht herausgerechnet werden darf, so gibt es gegen diesen Beschluss keine Beschwerdebefugnis des Treuhänders.

Bei der Frage, ob ein unterhaltsberechtigter Angehöriger, wie Ehegatte oder Kinder, bei der Berechnung des pfändbaren Betrages herausgerechnet werden kann oder nicht, handelt es sich um eine sehr entscheidende Fragestellung. Verdient beispielsweise ab dem 01.01.2002 ein Schuldner in Lohnsteuerklasse III ein monatliches Nettoeinkommen von DM 2.490,00, so ergeben sich bei Berücksichtigung der Ehefrau als unterhaltsberechtigt, welche beispielsweise DM 1.250,00 im Monat verdient, keine pfändbaren Beträge mehr. Nach der bisherigen herrschenden Meinung im Zwangsvollstreckungsrecht wäre eine Herausrechnung der Ehefrau auf Gläubigerantrag grundsätzlich möglich, die Insolvenzgläubiger können aber im eröffneten Verfahren einen solchen Antrag nicht mehr stellen. Würde die Ehefrau herausgerechnet, so müsste der Schuldner von seinem Lohn maximal monatlich DM 476,00 in die Insolvenzmasse bezahlen bzw. der Arbeitgeber dies abführen.

Das Bayerische Oberste Landesgericht ist der Meinung, dass die Antrags- und Beschwerdebefugnisse des Treuhänders in der Insolvenzordnung abschließend geregelt sind und es keine weiteren Rechte gibt. Das praktische Ergebnis im Unterschied zur Einzelzwangsvollstreckung erstaunt, gilt jedoch wie oben ausgeführt nicht für solche Verfahren, die ab dem 01.12.2001 unter den sonst günstigeren Regelungen des InsO-Änderungsgesetzes 2001 eröffnet werden.

Michael Schütz

14.11.2001