Keine unbillige Härte durch Vollstreckung der Ersatzfreiheitsstrafe bei wegen Insolvenz ausbleibender Zahlung der Geldstrafe des Schuldners

22.06.2001

LG Leipzig, Beschluss vom 22.6.2001 – 1 Qs 30 / 01

eitsatz des Kommentators:

Auch ein Schuldner, der sich im eröffneten Insolvenzverfahren befindet, muss eine gegen ihn verhängte Geldstrafe bezahlen. Ist er dazu nicht in der Lage, muss er die Ersatzfreiheitsstrafe antreten. Eine unbillige Härte gemäss § 459 f StPO liegt bei Vollstreckung der Ersatzfreiheitsstrafe nicht ohne weiteres vor.

Gründe:

Die Strafkammer teilt nicht die Auffassung des AG Leipzig in dem von der Staatsanwaltschaft mit zulässiger Beschwerde angefochtenen Beschluss. Das Amtsgericht übersieht zunächst zwar nicht, dass eine unbillige Härte im Sinne des § 459 f StPO, wonach die Vollstreckung der Ersatzfreiheitsstrafe unterbleiben kann, nicht allein deswegen angenommen werden kann, weil die Geldstrafe nicht beitreibbar ist oder der Verurteilte unverschuldet vermögenslos geworden oder unfähig ist, die Mittel für seinen Unterhalt und den seiner Familie aufzubringen. Vielmehr müssen besondere Umstände hinzukommen, aufgrund derer mit der Vollstreckung der Ersatzfreiheitsstrafe eine außerhalb des Strafzwecks liegende zusätzliche Härte verbunden wäre, die dem Verurteilten auch unter Berücksichtigung des Zwecks der Strafe nicht zugemutet werden kann ( vgl. Kleinknecht/Meyer-Goßner, StPO, 45. Aufl., § 459 f Rz. 2 ).

Nach Auffassung der Strafkammer hat ein Insolvenzverfahren aber weder Einfluss auf die Höhe der Geldstrafe, noch bedeutet die Eröffnung des Insolvenzverfahrens, dass während des Verfahrens strafrechtliche Vollstreckungsmaßnahmen, die sich aus dem StGB und der StPO ergeben, nicht mehr durchgeführt werden können. Im Bereich der Geldstrafenvollstreckung kann nach Eröffnung des Insolvenzverfahren auch weiterhin die Ersatzfreiheitsstrafe gemäss § 43 StGB angeordnet werden. Der Abschluss des Insolvenzverfahrens muss vor Anordnung der Ersatzfreiheitsstrafe nicht abgewartet werden, denn nach § 459 e Abs. 2 in Verbindung mit § 459 c Abs. 2 StPO kann die zivilrechtliche Beitreibung der Geldstrafe unterbleiben, wenn sie in absehbarer Zeit keinen Erfolg verspricht.

Im Normalfall kann bei Einleitung eines Insolvenz- oder Restschuldbefreiungsverfahrens davon ausgegangen werden, dass für einen längeren Zeitraum keine zivilrechtliche Beitreibung der Geldstrafe stattfinden kann. Bei einem Verfahren der Restschuldbefreiung dauert allein die so genannte "Wohlverhaltensphase", in der der Schuldner gegenüber den Gläubigern seine Schulden laufend tilgen muss und in der die Zwangsvollstreckung ausgeschlossen ist, sieben Jahre ( § 287 Abs. 2 Satz 1 InsO a. F. ). Ein so langer Zeitraum entspricht nicht mehr dem Gebot einer nachdrücklichen Strafvollstreckung, wie sie in § 2 Abs. 1 der Strafvollstreckungsordnung festgelegt ist ( vgl. dazu neuestens: Zeitler, Rpfleger 2001 , 337, 338 ).

Die Durchführung eines Insolvenzverfahrens steht von daher auch nicht der Möglichkeit entgegen, sofern der Verurteilte dies wünscht, die Verbüßung der Ersatzfreiheitsstrafe durch Ableistung freier Arbeit oder gemeinnütziger Leistungen gemäss § 293 EGStGB abzuwenden.

Die Strafkammer ist überzeugt, dass der Gesetzgeber im Insolvenzrecht nicht dessen Vorrang vor dem Strafrecht festschreiben wollte. Obwohl die Geldstrafe als solche im Insolvenzfall nur mit Nachrang vollstreckt werden kann, bedeutet das nicht etwa, dass sich der Verurteilte damit den Anordnungen aus dem Strafurteil entziehen könnte. Die Strafzwecke, die mit der Verhängung von Geldstrafen verfolgt werden, würden so entscheidend verwässert werden, was für die Allgemeinheit, insbesonders die Opfer von Straftaten, unverständlich wäre. Insofern bedeutet eine Geldstrafe nicht nur eine reine Zahlungsforderung des Staates; die mit einer Geldstrafe verfolgten Zwecke gehen darüber hinaus .

LG Leipzig, Beschluss vom 22.6.2001 – 1 Qs 30 / 01 ( rechtskräftig )

Vorinstanz: AG Leipzig

Fundstelle: ZIP 2002, 142

Kommentar:

Wie aus dieser Entscheidung deutlich wird, muss der Schuldner auch im eröffneten Insolvenz-verfahren oder danach in der Wohlverhaltensperiode Geldstrafen auf jeden Fall aus seinem unpfändbaren Einkommen bezahlen. Dazu ist er auch berechtigt, denn Geldstrafen zählen nach § 39 InsO zu den nachrangigen Forderungen, die normalerweise in einem Insolvenzverfahren nicht befriedigt werden. Geldstrafen werden im Insolvenz- oder Restschuldbefreiungsverfahren weder quotal befriedigt noch ist die Justizkasse in diesem Fall ( im Gegensatz etwa zu den Gerichtskosten ) einfacher Insolvenzgläubiger. Der § 295 Abs. 1 Nr. 4 gilt nur für einfache Insolvenzforderungen, nicht aber für nachrangige Forderungen gemäss § 39 InsO. Es handelt sich bei Geldstrafen eben nicht ( nur ) um Zahlungsforderungen des Staates, sondern um pädagogische Massnahmen. Aus diesem Grunde werden ja auch regelmässig Sozialhilfeempfänger zu Geldstrafen verurteilt.

Wer der Zahlungsaufforderung nicht nachkommt, wandert in den Knast. Es ist in diesem Fall für den Schuldner zu hoffen, dass die Ersatzfreiheitsstrafe endet, bevor das Insolvenzverfahren aufgehoben wird. Denn dann könnte es für den Schuldner noch schlimmer kommen: da er nach Aufhebung des Insolvenzverfahrens der Erwerbsobliegenheit des § 295 Abs. 1 Nr. 1 InsO unterliegt, stellt sich die Frage, ob eine Versagung der Restschuldbefreiung nach § 295 InsO in Betracht kommt, weil der Schuldner ja während der Haft mit Sicherheit kein pfändbares Einkommen erwirtschaften kann. Auf dieses Problem geht der Beschluss leider in keiner Weise ein.

Michael Schütz