Auch für eine Forderungsfeststellungsklage im Insolvenzverfahren kann eine außergerichtliche Schlichtung erforderlich sein

30.11.2001

AG Wuppertal, Urteil vom 30.11.2001 – 36 C 366/01

Leitsatz des Kommentators:

Je nach landesgesetzlicher Regelung, die für geringe Streitwerte ein aussergerichtliches Schlichtungsverfahren vor einer Klage vorschreibt, ist für Forderungsfeststellungsklagen bis zu einer auf der Basis der Quotenerwartung ( § 182 InsO ) zu bestimmenden Wertgrenze von 1.200,00 DM (entspricht 613,55 €) der Weg zu den Gerichten in zulässiger Weise nur dann eröffnet, wenn zuvor ein aussergerichtliches Schlichtungsverfahren auch durchgeführt worden ist.

Sachverhalt ( gekürzt ):

....................

Den Restbetrag aus der Gutschrift in Höhe von 1.714,56 DM hat der Kläger zur Insolvenztabelle angemeldet. Der beklagte Insolvenzverwalter hat diese Forderung bestritten.

Unter dem 31.08.2001 reichte der Kläger seine Klage auf Feststellung zur Tabelle ein. In dieser gab er die im Insolvenzverfahren zu erwartende Quote mit 10 % zur Streitwertbemessung an und zahlte entsprechend nach einem Streitwert von 171,46 DM Gerichtskosten ein.

Mit Beschluß vom 12.10.2001 wies das Gericht darauf hin, dass das Verfahren einen Schlichtungsversuch nach § 10 GüSchlG NRW als Zulässigkeitsvoraussetzung haben dürfte und stellte die Rücknahme der Klage anheim.

.........................

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist unzulässig.

Das nach § 10 GüSchlG NRW erforderliche außergerichtliche Schlichtungsverfahren wurde nicht durchgeführt.

§ 10 Abs. 1 Nr. 1 GüSchlG NRW bestimmt, dass die Erhebung einer Klage erst zulässig ist, nachdem eine außergerichtliche Schlichtung versucht wurde "in vermögensrechtlichen Streitigkeiten vor dem Amtsgericht über Ansprüche, deren Gegenstand an Geld oder Geldwert die Summe von 1.200,-- DM nicht übersteigt".

Gegenstand dieses vorliegenden Verfahrens ist nicht, wie der Kläger meint, die ursprüngliche Forderung von 1.714,56 DM, sondern vielmehr deren Feststellung zur Insolvenztabelle.

Auch wenn es sich dabei um eine Feststellung handelt, so bleibt es doch eine vermögensrechtliche Streitigkeit. Ein Anspruch ist vermögensrechtlicher Natur, wenn er auf einer vermögensrechtlichen Beziehung beruht oder auf Geld oder Geldeswert geht, ohne Rücksicht auf seinen Ursprung oder Zweck ( vgl. Baumbach/Lauterbach, ZPO, 58. Auflage 2000, Grundzüge § 1 Rn. 10 ). Die Forderung des Klägers ist darauf gerichtet, die Forderung zur Tabelle festgestellt zu bekommen. Diese Feststellung bzw. der Auszug aus der Insolvenztabelle wirkt dann aber wie ein gerichtlicher Titel ( § 178 Abs. 3 InsO ), so dass der Kläger aus diesem auf Zahlung vollstrecken kann. Damit aber ist der Anspruch zweifellos auf Geld gerichtet. Im Übrigen ist die zugrundeliegende Beziehung zwischen dem Kläger und der Gemeinschuldnerin, der Vertrag über die Vermittlung der Flugreise, auch vermögensrechtlicher Natur.

Der Gegenstandswert/Streitwert der Feststellung bestimmt sich gemäss § 182 InsO. Danach ist der Wert des Streitgegenstandes einer Klage auf Feststellung einer Forderung – und dieses ist der Gegenstand des vorliegenden Verfahrens, nicht die ursprüngliche Forderung – nach dem Betrag zu bestimmen, der bei der Verteilung der Insolvenzmasse für die Forderung zu erwarten ist. Diesen Wert hat der Kläger selbst bereits in der Klageschrift mit 10 %, also 171,46 DM, angegeben. Auch der Beklagte hat dies in der Klageerwiderung vom 18.9.2001 für realistisch gehalten. Auch die Erfahrung zeigt, dass bei Insolvenzverfahren selten eine höhere Quote erwartet werden kann. Erst bei einer Quote von 70 % wäre die Wertgrenze des § 10 Abs. 1 Nr. 1 GüSchlG NRW überschritten ( 70 % = 1.200,19 DM ). Eine derartige Quote erscheint jedoch utopisch.

Gegen das Erfordernis der außergerichtlichen Schlichtung spricht auch nicht, wie der Kläger meint, dass dort die Feststellung nicht erlangt werden kann. Sinn und Zweck der außergerichtlichen Schlichtung ist nicht die Schaffung von Titeln, sondern die Befriedigung der Rechtsbeziehungen zwischen den Parteien. Insofern aber ist es nicht ausgeschlossen, dass bei der Darlegung der Situation und Forderung im Rahmen der Schlichtung der Beklagte die Berechtigung der Forderung erkennt und sodann die Forderung anerkennt mit der Folge, dass sein Widerspruch hinfällig wird.

Eine Aussetzung des Verfahrens bis zur Durchführung des Schlichtungsverfahrens kommt nicht in Betracht.

Es entspricht der ständigen Rechtsprechung des AG Wuppertal, dass die Schlichtung im anhängigen Verfahren nicht nachgeholt werden kannn ( vgl. AG Wuppertal, Urteil vom 9.8.2001, Az: 37 C 309/01). Dies ergibt sich bereits aus dem Wortlaut des § 10 Abs. 1 GüSchlG NRW, in dem es heißt: "Die Erhebung einer Klage ist erst zulässig, wenn ....." Daraus folgt, dass bereits bei der Einreichung der Klage die Schlichtung durchgeführt sein muß. Nur durch diese Auslegung der Norm ist auch der Sinn und Zweck des GüSchlG NRW zu erreichen. Dieses Gesetz soll die Zahl der Gerichtsverfahren senken, indem bereits im Vorfeld des gerichtlichen Verfahrens eine einvernehmliche Streitbeilegung versucht wird. Dieser Zweck ist aber nicht mehr erreichbar, wenn bereits die Klage anhängig ist. In diesem Fall würde die Schlichtung zur bloßen Formalität verkommen.

AG Wuppertal, Urteil vom 30.11.2001 – 36 C 366/01

Fundstelle: ZInsO 2002, 91- 93 mit Anmerkung Förster

Kommentar:

Viele Insolvenzverwalter/Treuhänder bestreiten bei der Forderungsanmeldung im Insolvenzverfahren aus grundsätzlichen Erwägungen heraus alle nichttitulierten Forderungen, so auch hier. Der Gläubiger muss dann Feststellungsklage gegen den Insolvenzverwalter/Treuhänder erheben, wenn er seine Forderung nicht ganz verlieren will. Der Streitwert dieser Klage bemisst sich aber gemäss § 182 InsO nicht nach der Höhe der Forderung, sondern der zu erwartenden Befriedigungsquote im Insolvenzverfahren. Liegt die Quotenerwartung – wie in Verbraucherinsolvenzverfahren jetzt sehr häufig der Fall – bei Null, ist auch der Streitwert Null DM oder €, auch wenn es sich ursprünglich um eine Millionenforderung handelt.

Bei Streitwerten unter 1.200,- DM ist aber in vielen Bundesländern ( abhängig vom Sitz des Insolvenzverwalters/Treuhänders ) inzwischen ein aussergerichtliches Schlichtungsverfahren vor Einreichung einer Klage zwingend vorgeschrieben.

Das vorprozessuale Schlichtungsverfahren geht zurück auf § 15a EGZPO, in Kraft getreten am 1.2.2000. Von der gesetzlichen Ermächtigung Gebrauch gemacht haben – z.T. zunächst befristet – die Länder Baden-Württemberg, Bayern, Brandenburg, Hessen, Nordrhein-Westfalen, Saarland, Sachsen-Anhalt und Schleswig-Holstein. Für Berlin und Mecklenburg-Vorpommern liegen die Gesetzesentwürfe vor; in den Ländern Bremen, Hamburg, Niedersachsen, Rheinland-Pfalz, Sachsen und Thüringen ist eine Umsetzung derzeit nicht geplant ( Näheres dazu in der Beilage zu Heft 51 / 2001 der NJW ).

Zum Teil ordnen die Gesetze – z.B. in Bayern – bei der Schlichtung das persönliche Erscheinen der Parteien an. Dies dürfte viele Gläubiger davon abhalten, bei untitulierten Forderungen Feststellungsklage gegen den bestreitenden Insolvenzverwalter/Treuhänder zu erheben, da die Kosten des Schlichtungsverfahrens sowie der evtl. nachfolgenden Klage dem Schuldner nicht auferlegt werden können ( § 39 Abs. 1 Nr. 2 InsO ). Mit anderen Worten – und dies gilt vor allem auch für dem Schuldner persönlich nahestehende Gläubiger ( z.B. Unterhaltsgläubiger ) – ist jeder potentielle Insolvenzgläubiger gut beraten, wenn er seine Forderung vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens seines Schuldners tituliert. In der Regel am kostengünstigen ist die Errichtung eines notariellen Schuldanerkenntnisses mit Vollstreckungsklausel, was allerdings die Mitwirkung des Schuldners voraussetzt. Bei titulierten Forderungen müsste der Insolvenzverwalter/Treuhänder den Gläubiger verklagen, wenn er den Bestand der Forderung erfolgreich bestreiten will ( § 179 Abs. 2 InsO ).

Michael Schütz