Vergessene Lohnabtretung ist Versagungsgrund

04.06.2002

LG Göttingen, Beschluss vom 04.06.2002 –10 T 38/02

In einem Beschluss des LG Göttingen vom 4.6.2002 mit dem Aktenzeichen 10 T 38/02 (veröffentlicht in ZInsO 2002, 733 bis 735; Heft 15 ) wird die Meinung vertreten, dass die Nichtangabe einer bestehenden Lohnabtretung ( in diesem Fall für einen Konsumentenkredit der CC-Bank aus dem Jahre 1995 ) zu einer Versagung der Restschuldbefreiung im Schlusstermin nach § 290 Abs. 1 Nr. 6 InsO führen kann.

In dem entschiedenen Fall war die Sachlage so, dass die Schuldnerin am 27.09.2000 durch ein Schreiben der CC-Bank darauf hingewiesen wurde, dass eine Offenlegung der Lohnabtretung bei ihrem Arbeitgeber drohe. Sechs Wochen später stellte die Schuldnerin einen Verbraucherinsolvenzantrag bei dem AG Göttingen. Die Lohnabtretung wurde nach ihren Angaben vergessen, das Landgericht wertete diese Behauptung aber als reine Schutzbehauptung.

Allerdings hatte die Schuldnerin ( u.U. unterstützt durch eine Schuldnerberatungsstelle) vor dem Insolvenzantrag eine Forderungsaufstellung von der CC-Bank angefordert und darin ausdrücklich danach gefragt, ob eine Lohnabtretung vorliege oder nicht. Die CC-Bank hatte dies in dem Antwortschreiben nicht bejaht.

Das LG Göttingen hat seine Entscheidung, der Schuldnerin die Restschuldbefreiung zu versagen, im wesentlichen darauf gestützt, dass sie kurz vor Stellung des Insolvenzantrages eine entsprechendes Schreiben der CC-Bank erhalten hatte und die Lohnabtretung nach 6 Wochen dann vergessen hatte.

Dieser überraschende Beschluss ist für die Praxis der Insolvenzberatung ausserordentlich problematisch, da sehr vielen Schuldnern nicht bewusst ist, dass sie im Rahmen eines Konsumentenkreditvertagtes in der Regel routinemäßig eine Lohnabtretung im Kleingedruckten unterschreiben. Das Problem ist dabei oft in der Praxis, das besonders jetzt bei der Geltung der wesentlich höheren Pfändungsfreigrenzen die Banken bei Zahlungsverzug die Lohnabtretung oft nicht mehr offenlegen, da sie ohnehin wissen, dass sie daraus keine Zahlung mehr erhalten können. Von daher gerät die Lohnabtretung beim Schuldner oft in Vergessenheit.

Vielfach liegen dem Schuldner auch die ursprünglichen Kreditverträge mit der darin enthaltenen Lohnabtretung nicht mehr vor. Bei der Abtretungserklärung für den Treuhänder sollte aber eine Kopie der bisher vorliegenden Lohnabtretungen eingereicht werden, damit dieser ein eventuelles Absonderungsrecht bzw. die Anfechtung desselben überprüfen kann.

Als Konsequenz dieses Beschlusses sollte jeder Schuldner, der Konsumentenkredite erhalten hat und mit diesen Forderungen ins Insolvenzverfahren geht, darauf hinweisen, dass möglicherweise eine Lohnabtretung vorliegt. Dann kann ihm der Vorwurf der bewussten Falschangabe nicht mehr gemacht werden.

In dem entschiedenen Fall erzielte die Schuldnerin lediglich einen Nettoverdienst von 885,- Euro bei 3 unterhaltsberechtigten Personen. Von der Pfändungsfreigrenze ( in ihrem Fall von 1.680,- Euro ) ist sie also meilenweit entfernt, trotzdem war das Gericht der Meinung, dass ihr die Restschuldbefreiung versagt werden müsste, da sich diese Situation einmal ändern könnte ( z. B. bei einer Verdreifachung ihres Lohnes als Küchenhilfe ).

Der bis zum 31.12.2001 mögliche Weg der weiteren Beschwerde zum OLG Celle ist der Schuldnerin in diesem Falle leider seit dem 01.01.2002 versperrt. Sie müsste auf eigene Kosten einen Anwalt beim Bundesgerichtshof finanzieren, der ihren Fall dann dem BGH vorlegen müsste. Es liegt auf der Hand, dass dies bei den finanziellen Verhältnissen der Schuldnerin nicht möglich sein kann. Von daher wird dieser Beschluss leider vorerst Bestand haben und für die Insolvenzberatung von großer Bedeutung sein, da der bisher in dieser Beziehung eher lockere Maßstab der Amtsgerichte nun eindeutig durchbrochen ist ( z.B. AG Hamburg, NZI 2001, 46 - 47 ).

Viele Inkassobüros, vor allem der Deutsche Inkasso-Dienst, verwenden seit vielen Jahren Formulare zur Vereinbarung von Ratenzahlungen, die im Text eine Lohnabtretung enthalten. Auch hier ist den meisten Schuldnern nicht bewusst, dass hier eine Lohnabtretung unterschrieben wurde. Dokumente darüber liegen häufig nicht mehr vor. Auch in diesen Fällen ( die quantitativ ausserordentlich häufig sein dürften ) könnte sich der DID auf den jetzt publizierten Beschluss des LG Göttingen berufen und mit Erfolgsaussicht eine Versagung der Restschuldbefreiung im Schlusstermin beantragen. Eine Beeinträchtigung der Befriedigung der Gläubiger ist im Falle des § 290 InsO nicht erforderlich, im Gegensatz zum § 296 InsO während der Wohlverhaltensperiode.

Darauf hinzuweisen ist, dass diese Problematik im Regelinsolvenzverfahren nicht besteht, weil eventuelle Falschangaben oder fehlende Angaben hier keinen Versagungsgrund darstellen. An diesem Beispiel zeigt sich, dass in vielen Fällen das Regelinsolvenzverfahren gegenüber dem Verbraucherinsolvenzverfahren das ungefährlichere Verfahren sein kann, vor allem dann, wenn nicht sämtliche finanziellen Verhältnisse des Schuldners lückenlos dokumentiert sind.

Michael Schütz, 16.8.2002