Bestand einer Bürgschaft im Verbraucherinsolvenzverfahren des Hauptschuldners

09.08.2001

LG Hamburg, Urteil vom 9.8.2001 - 327 O 83/01

Leitsatz des Kommentators:

Gilt ein gerichtlicher Schuldenbereinigungsplan gemäss § 308 InsO als angenommen und sieht dieser Plan vor, dass eine durch Bürgschaft gesicherte Forderung einer Bank nur teilweise befriedigt wird, so kann die Bank den Restbetrag gegenüber dem Bürgen nicht mehr geltend machen, da die Bürgschaft den Bestand der vollen Hauptforderung voraussetzt. § 301 InsO ist hier nicht analog anzuwenden.

LG Hamburg, Urteil vom 9. 8. 2001 - 327 O 83/01

Fundstelle: NZI 2002, 114 - 115

Zum Sachverhalt:

Der Kläger nimmt die Beklagte aus einer Bürgschaft in Anspruch. Der Kläger gewährte dem Ehemann der Beklagten mit Kreditvertrag vom 10.9.1997 ein verzinsliches Darlehen in Höhe von 41.250,- DM. Nachdem der Ehemann der Beklagten mit der Zahlung der vereinbarten Darlehensraten in Rückstand geriet, ließ der Kläger den Darlehensvertrag mit Schreiben vom 12.5.1998 fristlos kündigen und den Ehemann der Beklagten unter Fristsetzung zur Zahlung von 40.250,- DM nebst Zinsen auffordern. Der Kläger erwirkte am 11.8.1999 ein zweites Versäumnisurteil des LG Hamburg gegen den Ehemann der Beklagten, mit dem dessen Einspruch gegen einen Vollstreckungsbescheid verworfen wurde, soweit er darin zur Zahlung von 39.400,- DM nebst 6,5 % Zinsen verurteilt worden war. Am 15.5.2000 stellte der Ehemann der Beklagten beim AG Hamburg einen Antrag auf Eröffnung des Verbraucherinsolvenzverfahrens nach § 305 InsO. Der im Antrag als einer der Gläubiger aufgeführte Kläger äußerte sich im Rahmen des Schuldenregulierungsverfahrens gegenüber dem Gericht nicht. Mit Beschluss vom 21.12.2000 hat das AG festgestellt, dass der Schuldenbereinigungsplan als angenommen gelte.

Die Klage auf Zahlung von 43.000,- DM hatte keinen Erfolg.

Aus den Gründen:

Die zulässige Klage ist unbegründet. Dem Kläger steht kein Anspruch aus der behaupteten Bürgschaft auf Rückzahlung des dem Ehemann der Beklagten gewährten Darlehens gegen die Beklagte zu. Dabei kann dahingestellt bleiben, ob die Parteien einen Bürgschaftsvertrag geschlossen haben und ob dieser gegebenenfalls wirksam wäre. Der etwaige Anspruch des Klägers gegen die Beklagte wäre nämlich gemäss § 767 I BGB begrenzt auf den im Schuldenbereinigungsplan festgelegten Betrag in Höhe von 7.624,76 DM, zahlbar in monatlichen Raten von 75,53 DM bis zum 1.3.2007. Da der Ehemann der Beklagten durch die regelmäßigen Zahlungen der Beklagten selbst mit keiner der Raten in Rückstand geraten ist, ist ein etwaiger Anspruch des Klägers gegen die Beklagte auf die herabgesetzte Forderung jedenfalls nicht fällig.

Der Schuldenbereinigungsplan ist vom AG mit Beschluss vom 21.12.2000 angenommen worden. Die Forderung des Klägers gegen den Ehemann der Beklagten ist mit 51.797,26 DM einschließlich Zinsen und Kosten im Schuldenbereinigungsplan berücksichtigt und auf 7.624,76 DM herabgesetzt worden. Gemäss § 308 I 2 InsO hat der Schuldenbereinigungsplan die Wirkung eines Vergleichs. Nach dem ausdrücklichen Willen des Gesetzgebers können nach dem für den Schuldenbereinigungsplan maßgeblichen allgemeinen Zivilrecht ( § 767 I BGB ) nach der Kürzung einer Forderung im Plan auch die Sicherheiten nicht mehr in voller Höhe in Anspruch genommen werden. Die Bestimmungen der §§ 301 II, 254 II InsO, denen zufolge die Ansprüche der Gläubiger gegen Mitschuldner und Bürgen durch die Restschuldbefreiung bzw. den Insolvenzplan nicht berührt werden, finden im gerichtlichen Schuldenbereinigungsplanverfahren keine Parallele, für eine direkte oder analoge Anwendung ist kein Raum ( Bericht des Rechtsausschusses zu § 357b RegE, BT-Dr 12/7302, 191; vgl. auch LG Gießen, NZI 2000, 380; Wenzel, in: Kübler/Prütting, InsO, § 305 Rdnr. 18; Landfermann, in: Heidelberger Kommentar zur InsO, 2. Auflage, § 305 Rdnr. 6; Smid, InsO, § 305 Rdnr. 19; Hess/Obermüller, Insolvenzplan, Rdnr. 790; Obermüller, WM 1998, 492). Gemäss § 767 I BGB erlischt die Bürgschaft durch den Vergleich des Hauptschuldners mit dem Gläubiger im gleichen Umfang, wie dem Hauptschuldner seine Schuld erlassen worden ist. Während die in einem Insolvenzplan oder im Restschuldbefreiungsverfahren erlassene Forderung als Naturalverbindlichkeit aufrechterhalten bleibt, ist dies bei einem gerichtlichen Schuldenbereinigungs-planverfahren eben nicht der Fall.

Dies gilt vorliegend auch unter Berücksichtigung des Umstands, dass der Ehemann der Beklagten bei seinem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens entgegen § 305 I Nr. 4 InsO nicht aufgeführt hat, inwieweit die Bürgschaft, die die Beklagte dem Kläger gegeben haben soll, durch den Schuldenbereinigungsplan berührt werden solle. Die Angabe darüber, inwieweit Bürgschaften und andere Sicherheiten der Gläubiger vom Plan berührt werden sollen, ist zwingend vorgeschrieben, damit Irrtümer der Beteiligten über die Wirkungen des Plans vermieden werden ( Bericht des Rechtsausschusses zu § 357b RegE, BT-Dr 12/7302, 191 ). Das Fehlen dieser Angabe - aus Sicht des beantragenden Ehemanns der Beklagten, der wie die Beklagte selbst einen Bürgschaftsvertrag als nicht geschlossen ansehen dürfte, durchaus folgerichtig - macht den im Schuldenbereinigungsplanverfahren geschlossenen Vergleich gegenüber dem Kläger allerdings keineswegs unwirksam und lässt den Bestand der Bürgschaftsforderung auch nicht unberührt. Dem Kläger ist nämlich gemäss § 307 I InsO vom AG unter ausdrücklichem Hinweis auf die Rechtsfolgen des § 308 III 2 InsO das Forderungsverzeichnis sowie der Schuldenbereinigungsplan zugestellt worden mit der Gelegenheit, binnen einer Notfrist von einem Monat die dort enthaltenen Angaben über die Forderungen zu überprüfen und gegebenenfalls zu ergänzen. Der Kläger hätte also Gelegenheit gehabt, das AG auf das Bestehen der angeblichen Bürgschaft hinzuweisen. Er hätte auch gegebenenfalls Einwendungen gegen den Schuldenbereinigungsplan erheben und eine etwaige Ersetzung seiner Zustimmung unter Hinweis auf § 309 I 2 InsO verhindern können. Der Kläger hat all dies nicht getan. Mithin ist es ihm gemäss § 308 III 2 InsO verwehrt, der Vergleichswirkung des Schuldenbereinigungsplans die fehlende Berücksichtigung der angeblichen Bürgschaft entgegenzuhalten.

Kommentar:

Der Gläubiger einer Forderung, die zusätzlich durch eine Bürgschaft einer möglicherweise leistungsfähigen Person gesichert ist, ist sowohl im aussergerichtlichen als auch im gerichtlichen Schuldenbereinigungs-planverfahren in der Situation, dass bei einem Eingehen auf den Vergleichsvorschlag des Hauptschuldners auch seine Forderung bezüglich des Restbetrages gegenüber dem Bürgen erlischt.

Die Bürgschaftsverpflichtung ist streng akzessorisch, das heisst, sie setzt zwingend den Bestand der Forderung gegenüber dem Hauptschuldner voraus. Ist diese Forderung vergleichsweise reduziert worden und wird diese reduzierte Forderung vom Hauptschuldner oder wie in diesem Fall von der gut beratenen Ehefrau ( Bürgin ) selber bezahlt, kann sich der Gläubiger wegen der Restforderung nicht mehr an den Bürgen wenden.

Von daher kann es für den Bürgen ( bei vorhandener eigener Leistungsfähigkeit ) in diesen Fällen durchaus lohnend sein, bei Zahlungsschwierigkeiten des Hauptschuldners einzuspringen und die Raten zu bezahlen.

Nur nach Durchlaufen eines Insolvenzverfahrens mit anschliessendem Verfahren zur Restschuldbefreiung greift § 301 InsO ein, der besagt, dass der Gläubiger der Forderung trotzdem auf den Bürgen zurückgreifen darf, obwohl die Forderung gegenüber dem Hauptschuldner nicht mehr durchsetzbar ist.

Daraus folgt, dass in einem gerichtlichen Schuldenbereinigungsplanverfahren die Zustimmung eines solchen Gläubigers dann nicht ersetzt werden kann, wenn der Gläubiger darauf verweist, dass er gegenüber dem Restschuldbefreiungsverfahren benachteiligt ist. Zu demselben Ergebnis kommt das AG Saarbrücken, Nebenstelle Sulzbach, in seinem Beschluss vom 7.8.2001 ( 61 IK 167 / 00; ZInsO 2002, 151 – 152 ).

Michael Schütz