Rücknahmefiktion bei Verwendung von Vordrucken mit Firmenlogo

15.10.2002

AG Köln, Beschluss vom 15. 10. 2002 71 IK 103/02

Leitsatz des Kommentators:

Wenn sich auf dem amtlichen Formular zur Eröffnung eines Verbraucherinsolvenzverfahrens ein Firmenlogo befindet, wird der eingereichte Formularsatz dadurch komplett ungültig, weil er dem amtlichen Musterformular nach der VerbrInsVV damit nicht mehr entspricht.

AG Köln, Beschluss vom 15.10.2002 - 71 IK 103 / 02 ( nicht rechtskräftig )

Fundstelle: ZVI 2002, 370

Gründe:

Am 27.8.2002 stellte der Schuldner Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens. Hierzu benutzte er einen Vordruck mit der sich auf dem rechten oberen Rand des Antrags befindlichen Aufschrift "INSOsoft". Mit Verfügung vom 30.8.2002 beanstandete das Gericht den Antrag unter Hinweis darauf, dass seit dem 1.3.2002 Vordruckzwang herrsche. Mit Schriftsatz vom 6.9.2002 wiesen die Verfahrensbevollmächtigten des Schuldners darauf hin, der Antrag sei zulässig, weil er zu 100 % dem amtlichen Formular entspreche. Eine Abweichung lediglich mit dem aufgedruckten Logo der Firma "INSOsoft" bewirke nicht, dass inhaltlich von dem Formularvordruck in irgendeiner Weise abgewichen werde.

Der Eröffnungsantrag gilt gemäß § 305 Abs. 3 Satz 2 InsO als zurückgenommen, weil er unvollständig ist und der Schuldner nicht innerhalb der Frist von einem Monat nach Aufforderung die Beanstandung des Gerichts behoben hat. Nach § 306 Abs. 3 Satz 1 InsO hat das Insolvenzgericht die vom Schuldner eingereichten Unterlagen auf ihre Vollständigkeit zu prüfen. Unvollständig sind die Unterlagen, wenn sie nicht in der gesetzlich vorgesehenen Form eingereicht werden. Dies ist vorliegend der Fall. Der Schuldner hat nicht den amtlichen Vordruck verwendet. Ein ordnungsgemäßer Insolvenzantrag liegt mithin nicht vor (vgl. auch LG Kleve ZVI 2002, 200, 201). Eine gestalterische Änderung oder Ergänzung des Vordrucks ist nicht zulässig, weil es sich um einen amtlichen Vordruck handelt, der aufgrund der am 01.03.2002 in Kraft getretenen "Verbraucherinsolvenzvordruckverordnung" (VerbrInsVV) bei Beantragung eines Verbraucherinsolvenzverfahrens obligatorisch verwendet werden muß. Soweit der Schuldner einwendet, inhaltlich stimme der von ihm verwendete Vordruck mit dem amtlichen Formular überein, führt dies zu keiner anderen Beurteilung. Würde man der Argumentation des Schuldners folgen, hätte dies zur Folge, dass das Insolvenzgericht jedes nicht amtliche Formular zunächst auf seine inhaltliche Übereinstimmung mit dem amtlichen Vordruck zu überprüfen hätte. Dies stünde aber dem mit der Einführung des amtlichen Vordrucks verfolgten Zweck entgegen. Der Vordruckzwang soll dem Gericht eine zügige Prüfung des Antrags insbesondere auf Vollständigkeit erleichtern (Stellungnahme des Bundesrates zum RegE, EGInsOÄndG, BT-Drucks, 14/49, S. 9). Eine Abweichung von dem amtlichen Vordruck sieht § 2 VerbrInsVV nur unter den dort genannten Voraussetzungen vor. Diese sind vorliegend nicht erfüllt.

Die Anträge des Schuldners auf Stundung der Verfahrenskosten und der Restschuldbefreiung werden damit gegenstandslos.

Kommentar:

"Was für ein glückliches Land, das solche Probleme hat !" möchte man nach der Lektüre dieses Beschlusses ausrufen. Wenn es noch eines Beweises für die allenthalben beklagte Überregulierung in Deutschland bedurft hätte, dann liefert ihn dieser Beschluss. Man stelle sich einmal vor, man müsste die Begründung dieses Beschlusses einem Engländer oder Franzosen erklären ( wie heisst noch Verbraucherinsolvenzvordruckverordnung auf französisch ? ). Abgesehen davon, dass man dabei nur scheitern könnte, wären langanhaltende Lachkrämpfe die einzig mögliche Reaktion.

Für die von einem solchen Beschluss betroffenen Schuldner ist das ganze allerdings nicht so lustig. Die Software "INSOsoft" wird meines Wissens vor allem von Anwälten genutzt. Es ist zu vermuten, dass der Antragsteller einiges bezahlt hat für den aussergerichtlichen Einigungsversuch und die Erarbeitung der Antragsformulare. Nach der Zurückweisung durch das Gericht wird der Einigungsversuch mit hoher Wahrscheinlichkeit verjährt sein und wiederholt werden müssen. Dies führt zu einer völlig unnötigen Belastung der Gläubiger und des Schuldners.

Es ist allerdings zu hoffen, dass das LG Köln als zweite Instanz diesen Beschluss wieder aufhebt, denn es ist nicht erkennbar, dass der Eindruck eines Firmenlogos die Verständlichkeit des Vordrucks in irgendeiner Weise beeinträchtigt. Dem Hersteller des Produktes "INSOsoft" ist allerdings dringend zu raten, in Zukunft das Firmenlogo auf den amtlichen Formularen zu vermeiden, denn dieser Fehler wird zu einigen ( vermeidbaren ) Auseinandersetzungen zwischen den Anwälten und ihren Mandanten führen.

Nachdem sich die Insolvenzgerichte in den ersten 3 Jahren der InsO durch die fast flächendeckende Verweigerung von PKH für Insolvenzverfahren vor dem Ansturm der Überschuldeten noch schützen konnten, ist diese Möglichkeit seit dem 1.12.2001 entfallen. In diesem Jahr ( 2002 ) ist mit etwa 44.000 eröffneten Insolvenzverfahren von natürlichen Personen ( ohne Unternehmensinsolvenzen ) mit dem Ziel der Restschuldbefreiung zu rechnen. Die Zahl der tatsächlich eröffneten Verfahren hat sich bei den Gerichten mindestens verdreifacht gegenüber 2001. Diese Vielzahl von Verfahren muss grösstenteils mit dem gleichen oder sogar verringertem Personal geleistet werden. Neue Planstellen gibt es nicht, da die Bundesländer kein Geld mehr dafür haben. Daran wird sich auch in der überschaubaren Zukunft nichts ändern.

Von daher ist es menschlich verständlich, wenn die Gerichte versuchen, wenigstens einen Teil der Anträge auf kaltem Wege zu erledigen. Zielführend ist ein solcher Weg allerdings nicht. Die hinter den Anträgen stehenden Menschen bleiben überschuldet und werden den Antrag wiederholen, insofern wird die Arbeit durch solche Beschlüsse nur verschoben, nicht aber erledigt.

In einer der letzten Ausgaben der ZInsO gab es einen grossen Aufruf vor allem norddeutscher Insolvenzrichter, Rechtspfleger und Verwalter an den Gesetzgeber, die Restschuldbefreiungsverfahren zu stoppen oder ( schon wieder ) zu reformieren, da der Kollaps der Insolvenzgerichte drohe. Der Gesetzgeber ist aber derzeit mit anderen Dingen beschäftigt, eine neuerliche Änderung ist kaum zu erwarten. Der Gesetzgeber hat sich klar und eindeutig dafür entschieden, das Problem der Überschuldung vieler Menschen durch das Insolvenzrecht und die Gerichte zu lösen. Die Möglichkeit einer aussergerichtlichen Ersetzung bei Minderheitsgläubigern, wie sie etwa das französische Insolvenzrecht kennt, hat der deutsche Gesetzgeber ausser acht gelassen. Schon durch diese Möglichkeit könnten viele gerichtliche Verfahren vermieden werden.

Michael Schütz

30.11.2002